Von „banal“bis „dynamisch“
Escher Räte reagieren mit unterschiedlichen Einschätzungen auf die Haushaltsvorlage 2021
Esch/Alzette. Dieses Jahr muss die Stadt Esch mit geschätzten 22 Millionen Euro Einnahmen weniger auskommen, als im Vorfeld geplant. Für 2021 dürften es, coronabedingt, 20 Millionen Euro Mindereinnahmen sein. Diese Zahlen hatte Bürgermeister Georges Mischo (CSV) in seiner Budgetrede vergangene Woche genannt.
Gestern bewerteten nun die Escher Gemeinderäte die Haushaltsvorlage. Wobei die Adjektive von „dynamisch“bis zu „banal“reichten, je nachdem, ob aus Sicht der Majorität oder der Opposition betrachtet.
Für Letztere nannte die ehemalige Bürgermeisterin Vera Spautz (LSAP) die Haushaltsvorlage nicht nur „banal“, sondern auch „ohne politische Akzente“. Der Schöffenrat verpasse es, sich auf die schwierige soziale Lage einzustellen, die der Stadt infolge der Pandemie noch bevorstehe, kritisierte sie.
Dass Mischo sich beschwert habe, dass jedem geholfen wurde außer den Gemeinden, sei angesichts der sich anbahnenden Konkurserklärungen und der steigenden Arbeitslosigkeit „taktlos“. Sie sprach von „lamentieren auf hohem Niveau“.
Auch verteidigte sie Innenministerin Taina Bofferding (LSAP), der Mischo mangelnde Unterstützung für die Gemeinden vorgeworfen hatte, indem sie darauf hinwies, dass nicht Bofferding, sondern Minister Pierre Gramegna (DP) für die staatlichen Finanzen zuständig sei.
Spautz: Mehrheit ohne Ideen
Weiter kritisierte sie, dass viele Projekte, die 2021 vorangetrieben werden, bereits von der vorigen Mehrheit eingeleitet wurden. Dass für 2020 mit einem Überschuss in Höhe von 72 Millionen Euro gerechnet wird, sei darauf zurückzuführen, dass viele Projekte in den vergangenen zwei Jahren nicht durchgeführt wurden, so Spautz. Zusätzlich kritisierte sie, dass die Schaffung einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft weiter auf sich warten lasse.
Auch Line Wies (Déi Lénk) beanstandete, dass zu wenig in puncto sozialer Wohnungsbau vorgesehen sei. Angesichts des Überschusses von 2020 nannte sie die Haushaltsvorlage 2021 ein „aufgeblasenes Budget“. Nur etwa die Hälfte der angekündigten Ausgaben seien 2020 tatsächlich umgesetzt worden.
Dass viele Projekte in Verzug geraten seien, wie zuletzt der Bau der Schule in Wobrécken, die nicht für den Schulanfang 2022 fertig sein wird, sei nicht nur auf Corona zurückzuführen. „Die Baustellen hatten vier Wochen geschlossen, nicht vier Jahre“, sagte sie.
Auch zeigte sie sich skeptisch, was Ausgaben im Kulturbereich anbelangt, wie die Organisation der Francofolies. Es sei fraglich, ob dieses „Megaevent“fast zwei Millionen Euro wehrt sei.
Scholl: Dynamik im Kulturbereich
Dazu hatte zuvor Rätin Daliah Scholl eine Antwort geliefert und die lautete ganz klar „ja“. Die Rekordinvestitionen in die Kultur von 2020 werden 2021 noch einmal übertroffen werden, freute sie sich. 27 Millionen sollen 2021 in den Kulturbereich fließen. Davon stellten etwa zehn Millionen eine einmalige Investition, auch in Hinblick auf Esch 2022, dar. 2022 werden die Ausgaben wieder tiefer liegen.
„Man spürt eine Dynamik im Kultursektor, wie es sie bisher nicht gegeben hat“, schwärmte Scholl, die auch Präsidentin der Kulturkommission ist. Mit dem Festival der Francofolies zeige die Stadt einen Teil ihrer Identität. Es werde über die Grenzen hinaus strahlen und dabei auch der lokalen Wirtschaft zugutekommen.
Weiter beschrieb sie die Kultur als „Katalysator des gesellschaftlichen Zusammenseins“. Die hohen Investitionen in die Kultur seien demnach auch eine Investition in die Gemeinschaft.
Für zwei gleich CSV-Räte, Luc Theisen und Catarina Simoes, war es die erste Budgetrede in ihrer politischen Karriere. Während Theisen urteilte, dass die richtigen Akzente gesetzte wurden, sprach Catarina Simoes von einem „dynamischen“Budget.
Auch für Stéphane Biwer (LSAP) war es die erste Budgetrede. Er stellte fest, dass 2021 nur 100 000 Euro für das neue Abrisud in der Haushaltsvorlage vorgesehen sind, was nicht auf große Arbeiten schließen lasse. Auch kritisierte er, dass nur vier Straßen 2021 erneuert werden sollen.
Tonnar: zu viele Studien
Jean Tonnar (LSAP) bemängelte seinerseits, dass der Bürgermeister 17 Studien angekündigt habe. Dies sei „ein neuer Rekord“. Auch sprach er sich wieder für den Bau einer Seilbahn zwischen Esch und Belval aus.
Ein wenig Kritik gab es auch von Majoritätsrat Luc Majerus (Déi Gréng), dem die grünen Ansätze im Budget nicht ausreichten. Er verlangte das Pflanzen von 5 000 Bäumen in Esch.
Rat Dan Codello (unabhängig) forderte den Schöffenrat auf, die Ausgaben im ordentlichen Haushalt besser in den Griff zu bekommen. Auch schlug er via Motion vor, eine „Biennale des jeunes“neu ins Leben zu rufen, bei der Jugendliche für kulturelle Projekte ausgezeichnet werden. Dies solle gemeinsam mit Partnerstädten aus der Großregion organisiert werden.
Über diese Motion und über den Haushalt wird am kommenden Freitag abgestimmt. Dies nachdem der Schöffenrat auf die Fragen und Kritiken der Räte eingegangen ist.