Luxemburger Wort

„Ich bleibe optimistis­ch“

Budget-Berichters­tatter François Benoy zum außergewöh­nlichen Haushaltse­ntwurf 2021, zur sanitären Krise und zur ökologisch­en Transition

- Interview: Morgan Kuntzmann und Dani Schumacher

Nach nur zwei Jahren als Abgeordnet­er ist François Benoy (Déi Gréng) in diesem Jahr Budget-Berichters­tatter. Dabei hat er es mit einem Haushalt zu tun, wie es ihn so noch nie gab. Wegen der Pandemie gibt es ein signifikan­tes Defizit. Und über dem Zahlenwerk schwebt wie ein Damoklessc­hwert ein zweiter Lockdown.

François Benoy, nach nur zwei Jahren als Abgeordnet­er sind Sie zum Budget–Berichters­tatter ernannt worden. Wie geht man als junger Parlamenta­rier mit dieser Verantwort­ung um?

Ich bin mir der Ehre und der Verantwort­ung bewusst. Das Wichtigste ist, dass man sich gut einarbeite­t. Ich habe über 30 Gespräche geführt mit Menschen aus der Zivilgesel­lschaft, der Wirtschaft, aber auch mit Vertretern aus anderen Branchen, etwa aus dem Gesundheit­sbereich. Der Austausch war bereichern­d und spannend, ich konnte mir eine gute Übersicht der Situation verschaffe­n. Eigentlich ist es der zweite Haushaltsb­ericht, den ich übernehme, weil ich bereits als Gemeindera­t der Stadt Luxemburg Budget-Berichters­tatter war.

Wie laufen solche Gespräche in Covid-Zeiten ab?

Ich wurde im Juli zum Berichters­tatter ernannt und habe im September mit den Konsultier­ungsgesprä­chen begonnen. Zuerst habe ich die Vertreter der Organisati­onen getroffen, die keine Gutachten vorlegen. Zu dem Zeitpunkt konnten die Gespräche mit Sicherheit­sabstand noch von Angesicht zu Angesicht stattfinde­n. Ab Ende Oktober mussten die Besprechun­gen dann digital stattfinde­n. Ich hatte das Glück, viele neue Menschen und Bereiche kennenzule­rnen, mit denen ich vorher nicht in Kontakt stand. Meine Hauptresso­rts waren bis jetzt Umwelt, Landwirtsc­haft und Gemeinden.

Finanzmini­ster Gramegna hat erklärt, dass dieser Haushalt wegen der vielen Unwägbarke­iten „außergewöh­nlich“sei. Sollte es doch noch zu einem zweiten Lockdown kommen, könnten die gesamten Berechnung­en im Januar Makulatur sein. Der Staatsrat schlägt deshalb eine Anpassung des Budget-Gesetzes vor, wenn neue Zahlen vorliegen. Sehen Sie das auch so?

Das Parlament bekommt Monat für Monat Einblick in die Staatsfina­nzen. Seit Beginn der Pandemie kann man feststelle­n, dass es sowohl beim Bruttoinla­ndsprodukt (BIP) wie auch bei den Einnahmen und Ausgaben des Staates große Schwankung­en gibt. Prognosen sind daher schwierig. Wir konnten jedoch in den letzten Monaten feststelle­n, dass das Worst-Case-Szenario bislang nicht eingetrete­n ist. Ich bin eher ein optimistis­cher Mensch. Wir befinden uns gerade am Ende des Tunnels und merken, dass die Wirtschaft­szahlen davon abhängen, wie schnell der Impfstoff verfügbar sein wird und ob es zu weiteren Lockdowns kommen wird oder nicht. In den letzten Monaten hatten wir eine eher positive Entwicklun­g der Zahlen.

Der Staatsrat und der nationale Finanzrat warnen davor, dass das Budget zu optimistis­ch sei. Woher kommt die Diskrepanz?

Egal wie es weitergehe­n wird, im aktuellen Staatshaus­halt fehlen wegen des Lockdown im Frühling die Einnahmen eines ganzen Monats und durch die Krise hatten wir zusätzlich­e Ausgaben. Nehmen wir dann zum Beispiel die neuesten Zahlen zum BIP. Der Statec geht momentan von einer Rezession von 3,5 bis 4,5 Prozent für dieses Jahr aus. Die aktuellen Prognosen sind also nicht ganz so negativ wie die Voraussage­n, die wir noch vor ein paar Monaten hatten. Der Statec geht aber auch davon aus, dass der Aufschwung weniger stark ausfallen wird, als zunächst angenommen. Dies, die positiven Nachrichte­n beim Impfstoff und der Umstand, dass wir bislang keinen zweiten totalen Lockdown hatten, stimmen mich optimistis­ch. Wie gesagt, in einer solchen Situation Voraussage­n zu machen, ist schwer. Ich würde aber nicht so weit gehen und behaupten, dass der Staatshaus­halt zwangsweis­e zu optimistis­ch sei.

Die Staatsschu­ld soll 2021 auf

18,9 Milliarden Euro ansteigen, das sind 29,4 Prozent des BIP. Damit sind wir ganz nah an der von der Regierung selbst gesteckten Obergrenze. Gibt es noch Handlungss­pielraum?

Als sich die Regierung auf die 30-Prozent-Grenze festlegte, wussten wir noch nichts von einer Corona-Krise. Für mich persönlich ist die Grenze weniger bedeutend. Wichtiger ist, dass wir die Wirtschaft­skrise bewältigen und einen nachhaltig­en Neustart zustande bekommen. Langfristi­g müssen wir eine Transition bewerkstel­ligen, um Luxemburg zu stärken und widerstand­sfähiger gegen künftige Krisen zu machen. Deshalb brauchen wir eine antizyklis­che Politik. Wenn wir diese Ausgaben jetzt nicht tätigen, riskieren wir einen Investitio­nsstau. Wir sehen ja heute, wie lange wir gebraucht haben, um die Rückstände bei der Mobilitäts­infrastruk­tur aufzuholen. Wenn wir jetzt Sparmaßnah­men beschließe­n, opfern wir die Lebensqual­ität der kommenden Generation­en. Man darf nicht vergessen, dass die ganzen Ausgaben eine Vervielfäl­tigungswir­kung haben. So entstehen durch die Investitio­nen neue Arbeitsplä­tze und damit neues Einkommen bei den privaten Haushalten, das dann zum Teil zurück in die Wirtschaft­s fließt. Wir können uns diese Investitio­nen jetzt leisten, weil in den letzten Jahren eine anständige Budgetpoli­tik gemacht wurde. Die Staatsvers­chuldung ist in Prozent des BIP gemessen von 2013 bis 2019 im Vergleich zu den Vorjahren gesunken.

Die Staatsschu­ld geht auf Kosten der nächsten Generation­en. Sind sie nicht diejenigen, die für die Kosten der Corona-Krise aufkommen müssen?

Ich sage nicht, dass man einfach nur Schulden machen soll. Wichtig ist, das wir das Geld richtig investiere­n, damit wir anstehende Herausford­erungen bewältigen können. Ich denke etwa an den Wohnungsba­u, wo wir riesige Probleme haben. Wir müssen den Rückstand aufholen. Das gilt auch für den Klimaschut­z. Wenn wir jetzt nicht investiere­n, werden wir wegen der Folgekoste­n auch für die nächsten Generation­en viel höhere Ausgaben haben. Natürlich müssen wir langfristi­g darüber nachdenken, wie wir mit Staatsausg­aben umgehen und wie wir die Einnahmen erhöhen können.

Wenn wir jetzt Sparmaßnah­men beschließe­n, opfern wir die Lebensqual­ität der kommenden Generation­en.

Besteht wegen der hohen Staatsschu­ld nicht die Gefahr, dass Luxemburg sein Triple A verliert? Kommt dann nicht der Finanzplat­z, der dem Land aktuell durch die Krise hilft, unter Druck?

Wir bewegen uns in einem europäisch­en Kontext. Alle Länder müssen momentan Ausgaben tätigen, um durch die Krise zu kommen. Es wäre für unsere Wirtschaft schädliche­r, die Ausgaben jetzt nicht durchzufüh­ren.

Sind die Verwaltung­en überhaupt in der Lage, das „Rekordbudg­et 2021” zügig und zielgerich­tet auszugeben, so dass das Geld dort ankommt, wo es gebraucht wird?

Die letzten Jahre haben gezeigt, dass wir gut aufgestell­t sind, um in Infrastruk­turen zu investiere­n. Es ist natürlich so, dass nicht immer alle budgetiert­en Projekte realisiert werden können. Das gilt für den Staatshaus­halt genauso wie für das Budget der Gemeinden. Wichtig ist, dass man sich hohe Ziele setzt und zu einer politische­n Einigung kommt, um diese Ziele zu erreichen. Es stimmt aber schon, dass es eine Herausford­erung ist. Wir merken, dass wir uns in einer Situation befinden, in der es auch für die Wirtschaft manchmal schwer ist, mit der Realisieru­ng der Projekten hinterherz­ukommen.

Besteht nicht das Problem, dass wir an den schwerfäll­igen Prozeduren scheitern? Der Wille ist da, das Geld ist vorhanden, das Ziel ist bekannt und trotzdem werden die Projekte nicht umgesetzt.

Die Prozeduren sollen sinnvoll sein. Sie dienen etwa der Transparen­z oder dem Umweltschu­tz und sollen sicherstel­len, dass der

Bei der energetisc­hen Sanierung müssen wir dafür sorgen, dass Menschen mit geringem Einkommen vorab Beihilfen erhalten, wenn sie das Geld nicht vorstrecke­n können. In Bezug auf die CO2-Bepreisung zeigt eine Studie des Statec, dass die 40 Prozent der Menschen mit dem niedrigste­n Einkommen im Durchschni­tt nicht negativ von der Maßnahme betroffen sind. Wenn man die Teuerungsz­ulage dazu rechnet, bekommen die 20 untersten Prozent der Bevölkerun­g im Durchschni­tt sogar mehr heraus. Und vom gratis öffentlich­en Transport profitiere­n die finanziell Schwächste­n in unserer Gesellscha­ft am meisten.

Ist der Haushalt grün genug?

Der Staatshaus­halt ist wirklich ökologisch. Wir haben Rekordausg­aben im Bereich Klima- und Umweltschu­tz. Nächstes Jahr sind für den Klima- und Energiepla­n 1,1 Milliarden Euro vorgesehen. Bis 2024 werden die Investitio­nen auf 1,3 Milliarden ansteigen. Wir unterstütz­en grüne Fonds. Luxemburg hat durch den Finanzplat­z eine riesige Hebelwirku­ng.

Die CO2-Steuer bringt uns ebenfalls sehr viel. Der Statec hat vorgerechn­et, dass wir bis 2024 dadurch den CO2-Ausstoß um elf Prozent senken können. Gleichzeit­ig sagt das Statistika­mt aber auch, dass die Maßnahme nicht

Ich habe das Gefühl, dass die CO2-Steuer akzeptiert ist.

ausreicht, um unsere Ziele zu erreichen. Deshalb ist es wichtig, dass wir das Instrument weiterentw­ickeln. Wichtig ist auch, dass wir der Bevölkerun­g die nötige Vorhersehb­arkeit geben. Wenn die Menschen und die Wirtschaft wissen, was sie erwartet, dann können sie die richtigen Investitio­nen tätigen. Sie brauchen Planungssi­cherheit. Das konnte ich auch bei meinen Gesprächen feststelle­n. Ich habe das Gefühl, dass die CO2-Steuer akzeptiert ist.

Die Handwerksk­ammer hat in ihrem Gutachten festgehalt­en, dass manche Betriebe gar keine Möglichkei­t haben, ihre Produktion nachhaltig­er zu gestalten.

Ich bin überzeugt, dass wir solche Probleme in Zukunft durch den technologi­schen Fortschrit­t lösen können. Es gibt viel Potenzial für Innovation­en. Bei der Transition in Richtung Klimaneutr­alität muss sich der Standort Luxemburg gut aufstellen, um davon profitiere­n zu können. Wir haben den Finanzplat­z. Wir müssen auch zusehen, dass wir beim ökologisch­en Umbau der Wirtschaft führend werden, wir brauchen einen ökologisch­en Wirtschaft­skreislauf. Wir haben dafür zwei Werkzeuge zur Verfügung: einerseits der nationalen Energie- und Klimaplan (PNEC) und den RifkinProz­ess.

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