15 Millionen in 500-Euro-Bündeln
Wie der iranische Geheimdienst den Oppositionsführer Ruhollah Sam nach Teheran entführte
Ein Selfie vom Queen-Alia-Airport der jordanischen Hauptstadt war das letzte Lebenszeichen, das Mahsa Rasani von ihrem Mann Ruhollah Sam erhalten hatte. Der bekannte iranische Journalist und Oppositionsführer wollte am 13. Oktober des vergangenen Jahres von Amman nach Erbil im irakischen Kurdistan fliegen, wo er nach übereinstimmenden Berichten auch ankam. Vier Tage später sah Mahsa Rasani ihren Ehemann während eines inszenierten Verhörs im iranischen Staatsfernsehen. Dabei bereute er, von Folter gezeichnet, unter Tränen seinen Widerstand gegen das Teheraner Regime.
Für die mehr als eine Millionen Follower des iranischen SocialMedia-Stars war der TV-Auftritt von Ruhollah Sam ein gewaltiger Schock. Kaum jemand von ihnen hatte erwartet, dass es den iranischen Geheimdiensten gelingen würde, den populären Blogger aus dem Exil in Frankreich, wo er seit 2010 politisches Asyl genoss, nach
Nordirak zu locken und von dort nach Teheran zu verschleppen. Wie dies genau gelang, ist noch immer nicht ganz klar.
Nach Aussagen von Sams Ehefrau Mahsa wurde der 47 Jahre alte Iraner von Schirin Najafi, der Administratorin der oppositionellen Webseite Amad-News, angerufen und aufgefordert, aus dem Nordirak 15 Millionen-Euro Spendengelder nach Frankreich zu bringen. Das Geld sei für einen Fernsehsender der iranischen Opposition, der in Paris auf Sendung gehen sollte, bestimmt gewesen. Während des per Skype geführten Gespräches mit Frau Najafi, sagte Mahsa Rasani dem FrankreichKorrespondenten der „Financial Times“, hätten die 15 Millionen Euro in 500-Euro-Bündeln auf einer Matratze gelegen.
Ihr Mann habe die Iranerin gut gekannt und keinen Grund gehabt, ihr zu misstrauen – ein fataler Fehler, wie sich bald herausstellen sollte: Die vom iranischen Geheimdienst „umgedrehte“WebseiteAdministratorin war der „Köder“, auf den Ruhollah Sam hereinfiel.
Niemand hatte ihn vor der Falle der Mullah-Agenten gewarnt. Auch die Franzosen nicht.
„Als Beschützer von Herrn Sam hätten sie verhindern müssen, dass vor ihren Augen ein iranischer Oppositioneller in die Islamische Republik gelockt und dort für seine
Arbeit getötet wird“, empört sich die bekannte iranische Journalistin Masih Alinejad. Der Fall zeige auf tragische Art und Weise, dass der Arm des iranischen Regimes auch ins Ausland reiche und sich iranische Journalisten auch im Exil vor den Häschern der Mullahs fürchten müssten, betont der Geschäftsführer
von „Reporter ohne Grenzen“, Christian Mihr.
Ruhollah Sam war einer der prominentesten iranischen Oppositionellen. Der Blogger hatte bereits 2009 mutmaßliche Stimmenmanipulationen bei der Wiederwahl von Mahmud Ahmadinedschad angeprangert. Danach war er über Malaysia nach Frankreich geflohen, wo er Ende 2017 über das Internet landesweite Proteste gegen die gestiegenen Lebensmittelpreise im Iran befeuerte. Über Sams Internet-Portal Amad-News sowie über eine Telegram-Gruppe waren die Termine für die Massendemonstrationen koordiniert sowie Enthüllungen über Staatsbeamte verbreitet worden.
Im Juni dieses Jahres wurde Sam wegen des Schürens von Gewalt sowie „Korruption auf Erden“zum Tode verurteilt. Seine Hinrichtung durch den Strang erfolgte am frühen Samstagmorgen in einem Teheraner Gefängnis. Sein Tod sei ein „barbarischer und inakzeptabler Akt“gewesen, heißt es in einer Stellungnahme des französischen Außenministeriums.
Ruhollah Sams Hinrichtung durch den Strang erfolgte am frühen Samstagmorgen in einem Teheraner Gefängnis.