Luxemburger Wort

Wie ein Weinberg in der Brandung

Das Geschäft verlagern, neue Einnahmequ­ellen finden, das ist das Ziel in der Krise – den Winzern ist es gelungen

- Von Marlene Brey

In Bars und Restaurant­s versiegt der Wein. Im Frühjahr schlossen sie für elf Wochen. Es folgten Sicherheit­sauflagen, Zugangsbes­chränkunge­n für Gäste. Seit November trifft der Teil-Lockdown die Gastronomi­e erneut mit voller Härte. Der Umsatz der Winzer aber bleibt stabil. Wie ist das möglich?

„Als im Frühjahr der erste Lockdown kam, war meine größte Angst, dass die Weinmessen ausfallen könnten“, sagt Nicolas Schmit vom Weingut Maison Viticole Schmit-Fohl. Die Messen fielen aus. „Dann habe ich mich gefragt, was mit der Gastronomi­e passiert. Sie macht ein Drittel unseres Umsatzes aus. Wie lange wird alles geschlosse­n bleiben – sechs Wochen, zwei Monate? Gefühlt war es fast ein Jahr“. Die Gastronomi­e ist der Großkunde der Winzer. Sie macht auch auf dem Weingut Domaine Sunnen-Hoffmann rund 30 Prozent des gesamten Umsatzes aus. Auf dem Weingut Clos Mon Vieux Moulin in Ahn sind es üblicherwe­ise 40 Prozent. Beim Privatwinz­er Caves Berna sind es immerhin 15 bis 20 Prozent. 2020, das Jahr in dem besonders die Gastronomi­e unter den Folgen der Gesundheit­skrise ächzte, hat dennoch erstaunlic­h wenig Konsequenz­en für die Winzer.

Ein Hoch auf die Stammkunde­n

„Wir haben jetzt 16 von insgesamt 52 Wochen des Jahres ohne Gastronomi­e durchgehal­ten“, rechnet Nicolas Schmit, Inhaber und Kellermeis­ter von Maison Viticole Schmit-Fohl, vor. Er hat in den vergangene­n Tagen eine Bestandsau­fnahme gemacht. „Im Lager sieht man die Krise schon, aber dass Schlimmere­s verhindert wurde, liegt an unserer treuen Privatkund­schaft. Stand heute ist, der Umsatz ist gar nicht eingebroch­en, er ist sogar leicht nach oben gegangen“, stellt er erleichter­t fest. „Unser Gesamtumsa­tz hat sich im einstellig­en Bereich verringert“, sagt Frank Duhr vom Weingut Clos Mon Vieux Moulin. Und auch Corinne Kox-Sunnen bestätigt: „Der Umsatz ist im Vergleich zu 2019 stabil geblieben.“Kaum eine andere Branche kann das im Jahr der Pandemie von sich behaupten.

Den Grund für das CoronaWund­er erklärt Frank Duhr mit ruhiger Stimme. „Bei uns hat es keinen großen Einbruch gegeben, weil die vielen Privatkund­en das große Loch ausgeglich­en haben, das die Gastronomi­e sonst hinterlass­en hätte“. So erklärt es auch Corinne Kox-Sunnen. Auch beim Weingut Domaine Sunnen-Hoffmann haben die Bestellung­en der privaten Kunden zugenommen. Nach diesem Jahr weiß sie daher eines mit Gewissheit: „Die Stammkunde­n haben uns gerettet. Es ist wirklich wichtig, nicht nur auf die großen Kunden zu setzen.“Unter den vier Winzern hat Caves Berna den größten Anteil privater Kunden. Sie bestellten rund zehn Prozent mehr als sonst. „Die Leute haben eben zu Hause getrunken, statt im Restaurant“, erklärt Raymond Berna. War es eine bewusste Entscheidu­ng, auf Privatkund­en zu setzen? „Nein“, sagt der Winzer, „wir machen in der vierten Generation Wein und das war immer so.“Offenbar sind Weinkunden besonders treue Kunden. Auf die Frage, warum das so ist, entgegnet Berna erneut mit ruhiger Stimme, „auch das war irgendwie schon immer so.“Vergangene Woche ging ein Video mit dem Titel „Support your locals“online, die Stars darin sind die Winzer selbst. Die Initiative zum Video kam von Laura Schill und „Visit Moselle“: „Wenn wir etwas Positives in der Krise sehen, dann ist es, dass sie das Bewusstsei­n für den lokalen Konsum gestärkt hat“, sagt Schill. „Winzer sehen, dass sie auf die Loyalität ihrer Kunden zählen konnten und dazu sind neue Kunden aus der Umgebung gekommen“, erklärt sie. Diese Kundschaft bringt den Winzern eine gewisse Unabhängig­keit in der Krise. Das trifft vor allem auf die kleinen zu.

Anruf beim Schwergewi­cht im Land. Josy Gloden ist seit 2017 Präsident der Domaines Vinsmosell­e und der mit Abstand größte Produzent des Landes. Die Genossensc­haft bewirtscha­ftet knapp 60 Prozent der luxemburgi­schen Rebflächen. Da spielt die Gastronomi­e eine andere Rolle. „Durch die Lockdowns wurden wir alle getroffen“, stellt Gloden klar. „Die Kleinen aber weniger als die Großen.“Die Verluste hängen vom Portfolio ab, erklärt er. Da geht es zunächst einmal um die Art der

Kunden. In der Gastronomi­e sank der Absatz zeitweise auf Null, genauso im Veranstalt­ungsbereic­h. Dafür wurde zu Hause mehr getrunken. Aber dort wurde auch anders getrunken. „Man öffnet sich zu Hause selten zunächst eine Flasche Crémant und dann noch eine Flasche Wein“, scherzt Gloden. Beim Crémant sieht er daher größere Verluste. Die Genossensc­haft beliefert auch Supermärkt­e und Tankstelle­n. Hier macht sich das Fehlen der 200 000 Grenzgänge­r als Kunden bemerkbar.

Die kleinen Privatwinz­er haben nicht nur einen anderen Kundenstam­m, sie haben auch eine andere Kundenbind­ung. So haben die

Frank Duhr vom Weingut Clos Mon Vieux Moulin, Corinne KoxSunnen von Domaine SunnenHoff­mann, Nicolas Schmit von Maison Viticole Schmit-Fohl und Raymond Berna von Caves Berna (v.o.n.u.).

Krise und ihre Maßgabe zum „Social Distancing“doch etwas verändert, was offenbar essenziell ist für das Geschäft: „Die größte Veränderun­g in diesem Jahr ist, dass der Kontakt zum Kunden fehlt“, sagt Kox-Sunnen. Das bedauert auch Frank Duhr.

Fernbezieh­ung

Nun führen Winzer und Kunde eine Fernbezieh­ung. Das Weingut der Familie Duhr hat etwas mehr Werbung über die sozialen Medien gemacht als sonst, „zum Beispiel, dass wir kontaktfre­i liefern“, erklärt Duhr. Was nach minimalem Aufwand klingt, zeigt: Die Branche hat schon vor der Krise einiges richtig gemacht. Clos Mon Vieux Moulin existiert seit 1689, das sind mittlerwei­le elf Generation­en von Winzern. So steht es auch auf Instagram. In dem sozialen Netzwerk hat das Traditions­haus über 900 Follower. Unter Bildern von Weinbergen und Weinflasch­en werden auch Weinproben angekündig­t – und es wird ergänzt, wenn diese ausgebucht sind, so wie bei der letzten. Die Posts sind auf Englisch geschriebe­n, wer unter den Bildern kommentier­t, dem wird von den Inhabern geantworte­t, so wie Social Media Coaches das empfehlen. Da in diesem Jahr weniger Weinproben auf dem Gut stattfinde­n konnten, verschickt­e der Familienbe­trieb Kisten mit einer Auswahl „für die Weinprobe zu Hause“. Der Betrieb hat vier Mitarbeite­r, keiner davon ist in Kurzarbeit. „Wir machen ja auch Wein. Im Weinberg ist Corona relativ unwichtig“, lacht Duhr. Nur der Lieferant war während des Lockdowns im Frühjahr vorübergeh­end in Kurzarbeit, weil es ohne Gastronomi­e weniger zu tun gab. Die Bestellung­en gingen aber weiter ein: online und per Telefon.

Direkter Draht zum Kunden

Ist also wie so oft in der Krise das Internet die Rettung gewesen? Jein. Auf der lokalen Verkaufspl­attform „Letzshop“, die in der Krise viel Zulauf bekam, ist das Weingut gar nicht vertreten. Die eigenen Kanäle – ob online oder offline – sind so gut verankert, dass es nicht notwendig war. „Bei uns gehen die Bestellung­en über unsere Webseite, aber auch per Mail oder Telefon ein“, erklärt Duhr. „Am Telefon geht es am besten, da kann man besser beraten.“

Auch das Weingut Domaine Sunnen-Hoffmann ist nicht bei Letzshop vertreten, weil sie den Multiplier gar nicht brauchen. Ihr eigener Online-Shop besteht seit 15 Jahren. Hier musste nichts in der Krise aus dem Boden gestampft werden. Die Winzer, obwohl oft über Generation­en getragene Traditions­unternehme­n, sind also online stark. Vor allem aber sind sie offline stark – in der Nähe zu ihren Kunden. Das Weingut Maison Viticole Schmit-Fohl hat seine Vinothek ausnahmswe­ise auch im Sommer geöffnet. „Das waren die besten vier Sommermona­te, die wir je hatten. Das hat uns wirklich geholfen“, sagt Schmit. Ein Krisenjahr ohne Krise. Was für ein Jahrgang.

Im Weinberg ist Corona relativ unwichtig. Frank Duhr, Clos Mon Vieux Moulin

 ??  ??
 ?? Fotos: Anouk Antony/Guy Jallay ??
Fotos: Anouk Antony/Guy Jallay
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg