Abflauende Liquidität schadet
Die großen Finanzinstitute haben in Erwartung des EU-Haushalts deutlich mehr Anleihen der EU-Südländer gekauft
Die Finanzmärkte schauten mit Spannung auf die Donnerstagssitzung der Europäischen Zentralbank (EZB). Mit der Aufstockung der Pandemie-Notfallankaufprogramme um 500 Milliarden Euro auf nunmehr 1,85 Billionen Euro bei gleichzeitiger Streckung bis März 2022 sowie zusätzlichen Refinanzierungstendern im kommenden Jahr blieb die Notenbank im Rahmen der Erwartungen. In der Peripherie der Märkte der Kernländer bildeten sich die Renditen im Süden weiter zurück. So sprang die Verzinsung für spanische Zehnjährige erstmals in den Minusbereich, bei italienischen Staatsanleihen notierte das zehnjährige Pendant wegen der EZB-Beschlüsse und nachhaltigen Käufen bei einem halben Prozent. Die großen Finanzinstitute haben in Erwartung des EU-Haushalts und der Beschlüsse zum Wiederaufbaufonds deutlich mehr Anleihen der EUSüdländer gekauft. Da die Kernländer Deutschland, Frankreich und auch die Benelux-Staaten deutliche Minusrenditen aufweisen, lohnt sich die Anlage in italienischen BTPs oft auch einfach, weil hier noch ein positiver Kupon bei den aktuellen Emissionen bezahlt wird.
Auf der Refinanzierungsseite will die EZB den Banken mit längeren und neuen, günstigen TLTROs (Targeted longer-term refinancing operations) entgegenkommen, um zu gewährleisten, dass die zu erwartenden Kreditausfälle wegen der Pandemie sich nicht nachhaltig in verschärften Kreditvergabebedingungen niederschlagen. Das Maßnahmenpaket ist sehr umfänglich. Doch werde auch klar, viele Geschenke gibt es eigentlich nicht mehr zum Verteilen.
Indes vollzieht sich, nun wo der Wiederaufbaufonds samt den Kompromissen mit Polen und Ungarn als beschlossene Sache gilt, ein Wandel bei den Handelsaktivitäten innerhalb der Anleihen der Eurozone. Die EU-Hilfsgelder sind bewilligt und das Volumen der tatsächlich gehandelten EUStaatsanleihen verändere sich drastisch, so Marktbeobachter. Die Entwicklung dauere schon seit einigen Jahren an, werde sich aber jetzt verstärken.
Austrocknen des Marktes
Mit dem Paket des Wiederaufbaufonds im Köcher wird der Anteil an den gehaltenen Staatsanleihen der Bundesrepublik und Italiens mit Blick auf das Jahresende 2021 abermals deutlich ansteigen. Im Falle der Bundesrepublik werde die EZB dann etwa 43 Prozent aller laufenden Emissionen (aktuell bei circa 31 Prozent) halten, bei Italien springt der Anteil sogar auf 40 Prozent (zur Zeit bei rund 26 Prozent).
Experten der Axa Versicherung sehen perspektivisch eben auch deshalb ein Austrocknen des Marktes bei Bundesanleihen – ein gefährliches Signal für den ganzen europäischen Kapitalmarkt. Durch den Eingriff der EZB als ständigem Aufkäufer hat schon der Markt mit der Durchführung des ersten Kaufprogramms 2015 und in der Folgezeit gelitten. Abnehmende Liquidität bedeutet nach einem langen Zeitraum auch nachgebendes Interesse an einem Markt, der durch einen einzigen großen Player dominiert würde. Das komme langsam mehr und mehr einer Japanisierung des Anleihemarktes gleich, so die Axa-Fachleute. So habe die Bank von Japan mit dieser Strategie zur Stabilisierung der Wirtschaft und dauerhafter Stimulation mit diesen Kaufprogrammen dafür gesorgt, dass andere Großanleger sich weitgehend aus dem Handel mit japanischen Staatsanleihen zurückgezogen hätten.
Ähnliches könnte auch dem Trading in deutschen Bundesanleihen blühen. Sie gelten bislang als Referenz für den „europäischen“Benchmarkzins auf der einen Seite, und repräsentieren gleichzeitig naturgemäß die zugrundeliegenden Schuldverschreibungen (Restlaufzeit zwischen achteinhalb und zehneinhalb Jahren), die in den so wichtigen Terminkontrakt, den „Bund-Future“, eingeliefert werden können. Der an der Terminbörse Eurex gehandelte Bund-Future ermöglicht professionellen Handelsadressen und Anlegern die Absicherung von Kursrisiken in der Zukunft oder zeitweise auch die reine Strategie eines Verkaufs, das Eingehen sogenannter ShortPositionen. Experten erwarten für die kommenden Jahre demnach deutlichen Rückgang beim schon ohnehin abflauenden Handelsvolumen.
Für die Marktgängigkeit und Akzeptanz unter internationalen Investoren sei die Liquidität auch hier besonders wichtig. In wechselnden oder schnellen Marktphasen ist gerade die Flexibilität eines funktionierenden Terminmarktes immense von Vorteil. Traditionell geht der EUREX-Kontrakt auf den an der Londoner LIFFE-Börse eingeführten „Bund“zurück, der bereits 1988 das Licht der Welt erblickte. Bei Handelsaufnahme noch nach dem Prinzip des „Open Outcry“auf dem Parkett, durch Zurufe beziehungsweise Handzeichen. Später fand der Bund an der Eurex eine neue Heimat und entwickelte sich zu dem meistgehandelten Terminkontrakt weltweit. Mit den jetzt zu erwartenden Verschiebungen hinsichtlich zu mehr Anleihen der EU-Kommission und des Wiederaufbaufonds dürfte die Konkurrenz für Schuldverschreibungen der Bundesrepublik deutlich wachsen.