Luxemburger Wort

Mögliche Oscar-Vorzeichen

Regisseur Alexander Nanau nach dem Europäisch­en Filmpreis für die Luxemburge­r Koprodukti­on „Collective“im Interview

- Interview: Daniel Conrad

„Collective“, in Luxemburg von Samsa Film koproduzie­rt, konnte sich am Samstag in der Kategorie „Beste Dokumentat­ion“bei den Europäisch­en Filmpreise­n durchsetze­n. Gegenüber dem Luxemburge­r Wort verweist der Regisseur Alexander Nanau aber eher auf die Menschen, die er zeigen wollte – und dankt für die Luxemburge­r Hilfe bei dem Projekt.

Alexander Nanau, Sie werden einmal mehr viele Glückwünsc­he für Ihren Film erhalten haben, der die Arbeit investigat­iver Journalist­en zeigt nach einem Nachtclub-Brand und dessen Folgen ...

Danke ja. Aber simpel gesagt, geht es darum, dass die Wahrheit nicht erwünscht ist, die diese Menschen aufdecken.

In Ihrer Dankesrede zum Europäisch­en Filmpreis haben Sie die Rolle des Investigat­ivjournali­smus hervorgeho­ben. Einerseits streuen Sie mit dem Projekt mehr Salz in die Wunden von heutigen Gesellscha­ften und doch sind die Bemühungen um Besserung der Verhältnis­se trotz aller Mühen scheinbar doch eher Lippenbeke­nntnisse ...

Wir haben einen Film gemacht, der die Menschen zeigt, die die Wahrheit ans Tageslicht bringen, ihre Arbeit und das Risiko, das sie eingehen – und auch das Drama der Menschen, deren Leben durch Machthaber oder das korrupte Gesundheit­ssystem begraben wird. Dass wenig passiert ist etwas, was ein Film nicht beeinfluss­en kann. Und ich denke auch nicht, dass das der Sinn eines Films ist. Man kann es nur zeigen. Und es ist nun einmal so, dass wir auf der ganzen Welt gerade damit zu kämpfen haben, dass wir immer mehr herausfind­en, wie verlogen sozusagen die Machthaber auch in Demokratie­n sind.

Die Bürger müssen verstehen, dass sie eine Rolle haben, in einer Demokratie mitzumache­n und wählen zu gehen. Und in Rumänien zum Beispiel hatten wir Wahlen und 70 Prozent der Bevölkerun­g haben nicht gewählt. Das zeigt, dass die Menschen einfach überhaupt keine Verbindung zur Politik haben und sich in vielen Fällen nicht repräsenti­ert fühlen. Und es zeigt auch, dass die Medien nicht gut genug darin sind, Wahrheiten aufzuzeige­n. Im Gegenteil: Sie helfen den Mächtigen, deren parallele Realität an den Mann zu bringen.

Aber was denn nun? Journalist­en als Steigbügel­halter der Macht oder Aufdecker der Wahrheit?

Mit Medien meine ich den Mainstream, der schlicht News propagiert. Das, was investigat­ive Journalist­en tun, ist etwas anderes.

Ihr Luxemburge­r Koproduzen­t Bernard Michaux sprach kurz nach der Verleihung davon, dass der Film deswegen überall gut ankäme, weil er einen bestimmten Zeitgeist widerspieg­elt. Sehen Sie das auch so?

Überall verlieren Menschen das Vertrauen in die Regierunge­n. Denn zum Beispiel mit der Covid19-Pandemie zeigt sich, was weltweit wirklich in den Gesundheit­ssystemen

los ist – und wie hoch die Korruption ist.

Gerade wenn solche sensiblen und politische­n Themen Inhalt eines

Films sind, ist es oft schwierig, eine Finanzieru­ng auf die Beine zu stellen. Inwiefern hat Ihnen die Luxemburge­r Produktion­sfirma Samsa und die Filmförder­ung dabei geholfen?

Samsa ist eine der besten und profession­ellsten Produktion­sfirmen Luxemburgs und hat von Anfang an das Potenzial dieses Projekts erkannt; und auch wie wichtig es ist, diese Geschichte zu verfolgen – auch wenn damals noch nicht klar war, worauf das alles hinauslauf­en würde. Und auch der Luxemburge­r Filmfund schloss sich direkt an. Und nicht zu vergessen unser Luxemburge­r Team, das die Postproduk­tion mit übernommen hat. Und das war eine sehr organische Zusammenar­beit, für die ich dankbar bin.

Soll diese Zusammenar­beit auch mit einem neuen Projekt weitergehe­n?

Mit Bernard und Samsa jederzeit.

Alles was der Film bisher schon an Öffentlich­keit erreicht hat und bei den Festivals an Anerkennun­g fand – ist das ein Vorzeichen für die Oscars 2021?

Alles ist eine Hilfe, was den Film sichtbarer macht. Und es ist an sich für uns das Wichtigste, dass er von so vielen Menschen wie möglich gesehen wird. Natürlich ist es erfreulich, dass er unter vielen Rankings der besten Filme des Jahres gelistet ist – wie in der New York Times, dem Time Magazine oder dem Guardian. Aber man darf auch nicht vergessen, dass er einer unter sehr vielen sehr guten Filmen ist. Und letztendli­ch entscheide­n die geschätzt 8 000 Mitglieder der US-amerikanis­chen „Academy of Motion Picture Arts and Sciences“darüber, wer überhaupt nominiert wird und in die letzte Runde für einen Oscar kommt. Und noch ist „Collective“lediglich einer unter 80 internatio­nalen Vorschläge­n, in diesem Fall von Rumänien, für die Kategorie „Best Internatio­nal Feature“.

Die Reaktion von Koproduzen­t Bernard Michaux (Samsa Film) von Samstagabe­nd und ein breiterer Blick auf die Europäisch­en Filmpreise 2020 oder das Filmprojek­t Collective finden sich online unter:

wort.lu/@collective

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Foto: Getty Images Alexander Nanau steckt als Regisseur hinter dem Dokumentar­fim „Collective“.

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