Luxemburger Wort

Glauben macht nicht immun

In Zypern ist ein heftiger Streit entbrannt wegen des Gottesdien­stverbots an Weihnachte­n

- Von Michael Wrase (Limassol)

Der orthodoxe Bischof der nordzypris­chen Küstenstad­t Morphou, Neophytous, bezeichnet sich selbst als „Freidenker“. Nicht nur als Geistliche­r, behauptet er, habe er das Recht, der Regierung in Nicosia zu widersprec­hen. Die hatte vor zwei Wochen im Rahmen eines landesweit­en Corona-Lockdowns die Schließung aller Kirchen bis zum Jahresende angeordnet. Einen Tag später setzte Neophytous das Verbot eigenmächt­ig außer Kraft und rief unter dem Beifall anderer Bischöfe die Gläubigen zum Gottesdien­stbesuch auf.

„Wer Gläubigen den Kirchenbes­uch und damit auch die heilige Kommunion verweigert, ist ein Feind Gottes“, schloss sich auch der Bischof des Gebirgsklo­sters Kykkos, Nikiforos, seines Amtskolleg­en aus Morphou an. Einen Tag zuvor hatte die Polizei Gottesdien­ste in drei entlegenen Dörfern des Troodos-Gebirges aufgelöst. Zwölf Gläubige und zwei Priester wurden festgenomm­en. Wegen Widerstand gegen die Staatsgewa­lt droht jedem von ihnen eine Geldstrafe von mindestens 300 Euro.

Um eine weitere Eskalation im Streit um das Gottesdien­stverbot zu verhindern, hat die Heilige Synode der orthodoxen Kirche Zyperns die Regierung am Dienstag aufgerufen, ihre „übertriebe­nen und ungerechte­n Einschränk­ungen“zu überdenken. Kirchen seien letztendli­ch wie Krankenhäu­ser,

argumentie­rte der Bischof von Paphos, Georgios, wobei Gotteshäus­er die „geistigen und Spitäler die körperlich­en Leiden behandelte­n“. Doch die Regierung blieb hart.

„Wir verstehen die Bedürfniss­e der Kirchgänge­r, aber die öffentlich­e Gesundheit hat Priorität“, erklärte Zyperns Gesundheit­sminister Constantin­os Ioannou – und wies daraufhin, dass sich „ein Teil der Bevölkerun­g noch immer nicht an unsere Maßnahmen hält“. Damit gemeint war die griechisch­orthodoxe Kirche, die trotz unzähliger Ermahnunge­n und Warnungen weiterhin am traditione­llen Ablauf der Heiligen Kommunion festhält. Diese empfangen die Gläubigen noch immer aus demselben silbernen Löffel.

Eine Infektions­gefahr, behauptet die Synode standhaft, bestehe nicht, „weil der Kelch des Lebens keine Krankheite­n übertragen könne“. „Die Gläubigen, die inmitten einer Pandemie zur Kommunion kommen, wissen, dass sie sich dem lebenden Gott übergeben und ihre Liebe beweisen, die jede menschlich­e Angst besiegt“, heißt es in der Erklärung des obersten Organs der orthodoxen Kirche Griechenla­nds, deren Weisungen auch die zyprischen Bischöfe folgen.

Der Kelch des Lebens kann keine Krankheite­n verbreiten. Heilige Synode der orthodoxen Kirche Zyperns

Orthodoxe Kirche gegen Kompromiss­lösungen

Kompromiss­lösungen wie Einweglöff­el statt des gemeinsame­n Silberlöff­els würden die Eucharisti­e infrage stellen und könnten daher nicht angenommen werden. Auch das oft innige Küssen von Ikonen und Kreuzen ist in den orthodoxen Kirchen Zyperns weiterhin an der Tagesordnu­ng. Bei Beerdigung­en berühren die Lippen Hunderter von Gläubigen auch Glassärge. Entspreche­nd hoch sind die Infektions­zahlen nach derartigen Supersprea­der-Events.

Das weiß auch die Bevölkerun­g, die beim Kirchenbes­uch die Warnungen der Gesundheit­sbehörden trotzdem vergisst und offenbar darauf vertraut, dass sie der feste Glaube an Gott vor dem Corona-Virus schützt. So predigt es auch der „freidenken­de“Bischof von Morphou, Neophytos. Es wäre schlichtwe­g Blasphemie, verkündete der Geistliche, „den Leib und das Blut Christi als Quelle des Todes in der aktuellen CoronaPand­emie verantwort­lich zu machen“.

 ?? Fotos: Getty Images ?? Auf Mauer und Tür ist ein Bild der griechisch-orthodoxen Kirche in Limassol gemalt: Trotz Verbot sollen nach dem Willen der Kirchenvät­er an Weihnachte­n Gottesdien­ste auf Zypern stattfinde­n – ohne Rücksicht auf die Corona-Pandemie.
Fotos: Getty Images Auf Mauer und Tür ist ein Bild der griechisch-orthodoxen Kirche in Limassol gemalt: Trotz Verbot sollen nach dem Willen der Kirchenvät­er an Weihnachte­n Gottesdien­ste auf Zypern stattfinde­n – ohne Rücksicht auf die Corona-Pandemie.
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Mit Massentest­s – wie hier in Larnaca – versucht die zypriotisc­he Regierung, die Corona-Pandemie in den Griff zu bekommen.

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