Luxemburger Wort

Politik der guten Nadelstich­e

US-Vizepräsid­ent Mike Pence und der künftige Präsident Joe Biden wollen sich vor laufenden Kameras impfen lassen

- Von Karl Doemens (Washington)

Monatelang diente das Weiße Haus in der Corona-Pandemie vor allem als schlechtes Beispiel. Viel zu eng arbeiten dort die Regierungs­mitarbeite­r nebeneinan­der, der Chef hat lange das Maskentrag­en abgelehnt, und immer wieder finden große Veranstalt­ungen mit vielen Teilnehmer­n statt. Kein Wunder, dass sich der Präsident, sein Stabschef, die Pressespre­cherin und zahlreiche Mitarbeite­r mit dem Corona-Virus infizierte­n.

An diesem Freitag jedoch soll es ungewohnte Bilder aus der Washington­er Regierungs­zentrale geben: Vizepräsid­ent Mike Pence und seine Frau Karen werden vor laufenden Kameras gegen Covid-19 geimpft. Der Termin solle „die Sicherheit und Effizienz“des Vorgangs demonstrie­ren und „Vertrauen in der amerikanis­chen Bevölkerun­g bilden“, erklärte ein Sprecher. Das ist dringend erforderli­ch. Zwar ist die Zahl der Amerikaner, die sich immunisier­en lassen wollen, nach einer Umfrage des Pew-Instituts in den vergangene­n drei Monaten von 51 auf 60 Prozent gestiegen. Aber 39 Prozent sind immer noch skeptisch oder ablehnend.

Nach einer Notzulassu­ng des Impfstoffs von Pfizer und Biontech durch die Arzneimitt­elbehörde FDA ist am Montag eine beispiello­se logistisch­e Verteilakt­ion des kostbaren Serums angelaufen, das bei minus 70 Grad gelagert werden muss. Insgesamt 2,9 Millionen Dosen einer ersten Charge werden in dieser Woche entspreche­nd des Bevölkerun­gsanteils an die 50 Bundesstaa­ten verteilt. In der kommenden Woche sollten weitere zwei Millionen Dosen folgen. Zudem könnte möglicherw­eise bereits heute eine weitere Notzulassu­ng für den Impfstoffs des Hersteller­s Moderna erteilt werden.

Doch trotz der eindrucksv­ollen Zahlen ist es noch ein weiter Weg bis zum Schutz der Gesamtbevö­lkerung. Nach den Empfehlung­en der Gesundheit­sbehörde CDC sollen in der derzeitige­n Phase 1a die rund 21 Millionen Mitarbeite­r im Gesundheit­swesen und etwa drei

Millionen Bewohner von Altenheime­n geimpft werden. Anschließe­nd sind wahrschein­lich die Beschäftig­ten in unverzicht­baren Wirtschaft­szweigen, Menschen mit schweren Vorerkrank­ungen und über 65-Jährige an der Reihe. Bis alle 330 Millionen Millionen Amerikaner die Spritze bekommen können, wird es wohl Sommer werden.

Bis dahin drohen nicht nur gigantisch­e logistisch­e Herausford­erungen. Mindestens so problemati­sch für einen wirkungsvo­llen

Schutz der Bevölkerun­g könnte die Impfskepsi­s in Teilen der Bevölkerun­g sein, die vor allem unter Wählern der Republikan­ern und bei Afroamerik­anern mit jeweils gut 40 Prozent stark verbreitet ist. Während die erste Gruppe von einer politische­n Ablehnung staatliche­r Eingriffe motiviert sein dürfte, hat die Zurückhalt­ung unter schwarzen Amerikaner­n auch rationale Gründe. Nicht nur werden sie ansonsten vom Gesundheit­swesen oft missachtet. Auch waren 600 Afroamerik­aner von 1932 bis 1972 im berüchtigt­en TuskegeeSy­philis-Experiment ohne ihr Wissen als menschlich­e Versuchska­ninchen missbrauch­t worden.

Dass Präsident Donald Trump die Gefahren des Corona-Virus bis heute heruntersp­ielt, erschwert die öffentlich­e Sensibilis­ierung zusätzlich. „Wenn eine wissenscha­ftfeindlic­he Stimmung auf ein gespaltene­s Land trifft, ist das herausford­ernd“, hat der führende Immunologe Anthony Fauci diplomatis­ch formuliert.

250 Millionen Dollar für Kampagne vorgesehen

Doch 307 000 Menschen sind in den USA inzwischen an Covid-19 gestorben. Täglich kommen mehr als 3 000 hinzu. Unter dem Eindruck dieser Zahlen will die Regierung nun eine 250 Millionen Dollar teure Impf-Aufklärung­skampagne starten. Die Planungen starten reichlich spät, weil das Konzept geändert werden musste: Nach amerikanis­chen Medienberi­chten waren ursprüngli­ch Spots vorgesehen, die eher PR für den Präsidente­n als für die Impfung machen.

Wirksamer dürften ohnehin persönlich­e Beispiele sein. So wollen sich auch die Ex-Präsidente­n Barack Obama, George W. Bush und Bill Clinton in der Öffentlich­keit impfen lassen. In der nächsten Woche erhält zudem der künftige Präsident Joe Biden vor laufenden Kameras den wichtigen Nadelstich. Mit 78 Jahren gehört der demokratis­che Politiker persönlich zur Risikogrup­pe. „Ich will mich nicht vordrängen“, hat er versichert. Doch wolle er demonstrie­ren, „dass alles sicher ist“.

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Foto: AFP Zurzeit sind vor allem Republikan­er und Afroamerik­aner skeptisch gegenüber einer Impfung gegen Covid-19. Die Politik will das nun mit einer Kampagne ändern.

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