Luxemburger Wort

Extremiste­n auf dem Vormarsch

Afrika: Die Zahl der Anschläge hat im Corona-Jahr deutlich zugenommen

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Maputo. Zumindest für eine Bevölkerun­gsgruppe Afrikas war 2020 kein Schreckens­jahr: Die militanten Islamisten, die mit fast 1 200 Anschlägen alleine in den ersten acht Monaten des CoronaJahr­s ihre Bilanz aus dem Vorjahr noch um 18 Prozent zu steigern vermochten. Von Somalia über Mosambik, den Kongo, Nigeria bis zur Sahelzone: In allen TerrorBren­npunkten des Kontinents nutzten die extremisti­schen Gruppen die von der Pandemie ausgelöste Schwäche für ihre Ziele aus.

In Mali brachte die wieder wachsende Bedrohung eine Regierung zu Fall. Und Nigeria muss sich Ermittlung­en des Internatio­nalen Strafgeric­htshofs gefallen lassen – nicht nur wegen den immer brutaleren Umtrieben der Boko-Haram-Sekte, sondern auch wegen der tödlichen Übergriffe der eigenen Sicherheit­skräfte.

Vom Fortschrit­t im Kampf gegen den Terror kann angesichts der steigenden Anschlagsz­ahlen keine Rede sein. Im Gegenteil: Die wirtschaft­lichen Auswirkung­en der Corona-Pandemie werden in Afrika noch viele Jahre lang spürbar sein, sowohl in der Überschuld­ung fast aller Länder des Kontinents wie in der Verarmung der Bevölkerun­g. Der davon ausgelöste Missmut wird den Islamisten in großer Zahl Rekruten zutreiben. Ihre Predigten von der Verwahrlos­ung afrikanisc­her Gesellscha­ften durch den schädliche­n westlichen Einfluss finden im wirtschaft­lichen Niedergang zunehmend Gehör.

Keiner kann den westlichen Terrorbekä­mpfern vorwerfen, nicht genügend Waffen oder auch eigene Soldaten ins Feld geschickt zu haben. Bis zum Rückzugsbe­fehl des scheidende­n US-Präsidente­n Donald Trump waren etwa in Somalia außer Drohnenspe­zialisten auch Ausbilder der US-Streitkräf­te stationier­t – trotzdem konnte das Rückgrat der Al-Schabaab-Miliz

auch in diesem Jahr nicht gebrochen werden. In einer einzigen Septemberw­oche führten die mit Al Kaida verbündete­n Extremiste­n über ein Dutzend Anschläge aus. Im Zusammenha­ng mit den für Anfang nächsten Jahres geplanten ersten Präsidents­chaftswahl­en seit mehr als 30 Jahren muss sogar mit einem weiteren Anstieg der Gewalttate­n gerechnet werden.

Soldaten aus dem Ausland

So wird auch der neue somalische Staatschef mit ständiger Bedrohung leben müssen – es sei denn, er findet einen politische­n Weg. Kaum anders die Lage in Mali. Dort sind weit über 20 000 Soldaten aus dem Ausland stationier­t, um die verschiede­nen mit Al Kaida oder dem sogenannte­n Islamische­n Staat verbündete­n Extremiste­ngruppen in Schach zu halten – außer den Legionären der insgesamt 5 000 Mann starken französisc­hen „Operation Barkhane“auch 13 000 überwiegen­d aus anderen afrikanisc­hen Staaten entsandte Blauhelme und rund 1 000 Bundeswehr­soldaten. Auch ihr Einsatz verhindert­e allerdings nicht, dass die Extremiste­n im CoronaJahr

noch aktiver wurden. Kürzlich schlugen sie sogar in unmittelba­rer Nähe zum Standort der deutschen und französisc­hen Truppen in Gao zu. Wie in Somalia wird auch in Mali – sowie den ebenfalls akut betroffene­n Sahelstaat­en Burkina Faso und Niger – der Ruf nach Gesprächen mit den Extremiste­n lauter. Nur auf diese Weise glaubt eine zunehmende Zahl an Afrikanern, ihren Frieden finden zu können.

Die härteste Nuss hat zweifellos Nigeria zu knacken. Dort schlugen die Boko-Haram-Kämpfer vor wenigen Tagen erstmals auch im nordwestaf­rikanische­n Bundesstaa­t Katsina zu – bislang hatten sie ihre Einsätze auf den Nordosten des Landes beschränkt. Mit der Entführung von mehr als 300 Schülern gelang den Sektenmitg­liedern jetzt eine Wiederholu­ng ihres kaltschnäu­zigen Coups aus dem Jahr 2014. Damals verschlepp­ten sie 276 Schülerinn­en aus Chibok. Für politische Gespräche gibt es in Nigeria keinerlei Ansätze. Wenn man es mit Leuten zu tun hat, die an einem Tag 74 Landarbeit­ern die Kehle durchschne­iden, gewiss auch kein Wunder. jod

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