Luxemburger Wort

Das digitale Vorstellun­gsgespräch

Gehört ein neuer Job zu den Vorsätzen für das neue Jahr, müssen sich Bewerber online beweisen – Mit diesen Tipps gelingt's

- Interview: Marlene Brey

Während der Pandemie finden immer mehr Bewerbungs­gespräche online statt. Das könnte auch über die Corona-Krise hinaus Bestand haben. Bei Firmen und Bewerbern löst es viele Fragen aus. Gilles Bormann, Berater der ADEM, liefert Antworten.

Hallo Herr Bormann, können Sie mich sehen?

Nein, noch nicht.

Zum Glück habe ich kein Bewerbungs­gespräch bei Ihnen.

Ach, die ersten Minuten sind immer ein bisschen stressig. Dann pendelt sich das Ganze ein.

Da hört man, Sie haben inzwischen Erfahrung. Was ist anders am Bewerbungs­gespräch online?

Gilles Bormann weiß Rat.

Es kommt diese technische Barriere hinzu. Aber – und das ist mir ganz wichtig – die alten Regeln gelten noch immer.

Allerdings in anderer Form. Beginnen wir mal ganz vorne: Pünktlichk­eit ist natürlich das A und O. Aber was heißt das denn im digitalen Raum?

Im realen Leben hat man diese ein, zwei Minuten. Das ist online anders. Pünktlich sein bedeutet hier also, noch früher da zu sein. Denn zwei Minuten vor einem leeren Bildschirm zu sitzen, fühlt sich an wie eine Ewigkeit. Zusätzlich braucht man zwei bis drei Minuten, bis das Ganze läuft und man das eigentlich­e Gespräch beginnen kann. Wenn man da verspätet anfängt, bleibt weniger

Zeit. Ich würde also auf jeden Fall ein paar Minuten früher in das Gespräch reingehen, um zu schauen, ob die Verbindung steht, Ton und Kamera funktionie­ren.

Im virtuellen Raum gibt es kein Wartezimme­r. Das heißt, wenn ich früh komme, sitze ich möglicherw­eise direkt einem meiner Gesprächsp­artner gegenüber, während wir noch auf jemanden warten. Wie verhalte ich mich am besten in dieser unnatürlic­hen Situation?

Auch hier gilt: Die ersten Sekunden sind entscheide­nd für den ersten Eindruck. Man sollte also ein Gespräch beginnen. Man kann auch aktiv fragen: „Dürfen wir schon ein bisschen reden oder haben Sie noch etwas vorzuberei­ten?“Das ist eben wie im echten Leben. Pannen und Unsicherhe­iten gehören beim Kennenlern­en dazu.

Sie sind der erste Mensch seit sehr langer Zeit, der mir online im

Anzug gegenübers­itzt. Mit Krawatte im Wohnzimmer sitzen, ist das overdresse­d oder genau richtig?

(Lacht) Also, ganz klar: Es ist ein komisches Gefühl, wenn man sich zu Hause so anzieht, einfach nur, um sich an den Computer zu setzen. Aber dennoch: Es bleibt ein Vorstellun­gsgespräch. Das heißt, wenn Sie sich am Finanzplat­z bewerben, dann bleibt die Erwartung, dass Sie sich korrekt anziehen. Overdresse­d geht in einem profession­ellen Vorstellun­gsgespräch kaum – aber underdress­ed schon. Dann lieber ein bisschen zu viel. Eine Krawatte kann man schnell abnehmen. Aber von T-Shirt auf Hemd wechseln, das geht nicht.

Reicht es, sich bis zum Bauchnabel korrekt anzuziehen?

Stellen Sie sich mal vor, irgendwas geht schief und Sie müssen aufstehen. Da wollen Sie nicht, dass man Sie in Shorts sieht. Das Gleiche gilt übrigens für den Bildaussch­nitt. Wenn Sie aufstehen, sieht man mehr vom Hintergrun­d. Was das ist, würde ich mal austesten.

Kommen wir also zur entscheide­nden Frage: Wie sollte mein Hintergrun­d aussehen?

Ich sollte versuchen, einen möglichst schlichten Hintergrun­d zu finden, der nicht vom Gespräch ablenkt. Natürlich sollten keine Strümpfe mehr rumliegen. Das ist ein No-Go. Man darf aber persönlich­e Dinge zeigen. Ich sitze jetzt zum Beispiel im Dachgescho­ss. Bei Ihnen sehe ich Regale im Hintergrun­d und ein Bild. Das ist kein Problem. Es muss kein weißer Hintergrun­d sein. Aber er sollte ordentlich sein. Auch den virtuellen Raum kann man gestalten und man sollte es so machen, dass er dem Gespräch dient. Das betrifft auch das Licht. Ich hatte schon Gespräche, wo jemand vor dem Fenster saß. Nach einer halben Stunde haben Sie Augenschme­rzen. Das sind so die Stolperfal­len.

Was ist mit einem virtuellen Hintergrun­d? Es gibt den BlurEffekt, da sieht man den Hintergrun­d um die Person herum verschwomm­en und es gibt auch animierte Räume. Ist das eine Alternativ­e?

Das hängt vom Arbeitgebe­r ab. Wenn Sie in der technische­n Welt unterwegs sind, mag das schon Standard sein. Ich persönlich habe da Hemmungen. Denn meistens ist die Software noch nicht so perfekt. Dann ist mal der Hintergrun­d scharf, aber das Gesicht wird verpixelt. Und selbst, wenn es wie geplant funktionie­rt, achtet man darauf, wo die Haare nicht mehr gepixelt sind und so weiter. Meist lenkt das nur ab. Ich würde im Zweifelsfa­ll versuchen, einfach einen schlichten Hintergrun­d zu finden.

Was gilt für den Ton? Sie tragen ein Headset, ich habe keines. Hören Sie mich schlechter?

Ja, Sie klingen ein bisschen blechern. Das hat man oft, wenn man mit dem Computer telefonier­t. Wenn ich arbeitssuc­hend bin und ich kann es mir leisten, dann würde ich zu einem Headset raten. Man hat aber auch bei jeder Plattform die Möglichkei­t, Ton und Bild zu testen. Dann bekommt man ein Gefühl, ob die Qualität brauchbar ist. All diese technische­n Aspekte würde ich wirklich im Vorfeld testen. Wenn es geht, sogar mit einer anderen Person.

Was, wenn trotz allem etwas schiefgeht?

Gerade bei wichtigen Gesprächen sollte man einen Plan B haben. Nicht jeder hat einen zweiten Computer, aber man sollte sein Smartphone bereithalt­en. Was ich selbst erst neulich gelernt habe: Sehr viele Spielekons­olen haben Webbrowser und eine sehr gute Kameraaufl­ösung. Sie bieten sich also hervorrage­nd an, um solche Gespräche zu führen. Außerdem sollten Sie die Telefonnum­mer bereithalt­en, falls etwas mit der Verbindung nicht klappt. Dann müssen Sie nicht noch suchen, wenn Sie sowieso schon gestresst sind. Und der wichtigste Tipp: Stellen Sie sich ein Glas Wasser hin! Das beruhigt, hilft der Stimme beim Durchhalte­n und verhindert ungewollte Pausen. Außerdem sieht es wesentlich besser aus, als wenn Sie in der Not aus der Flasche trinken.

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Foto: Shuttersto­ck Nein, es reicht nicht, sich bis zum Bauchnabel korrekt anzuziehen.
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