Das digitale Vorstellungsgespräch
Gehört ein neuer Job zu den Vorsätzen für das neue Jahr, müssen sich Bewerber online beweisen – Mit diesen Tipps gelingt's
Während der Pandemie finden immer mehr Bewerbungsgespräche online statt. Das könnte auch über die Corona-Krise hinaus Bestand haben. Bei Firmen und Bewerbern löst es viele Fragen aus. Gilles Bormann, Berater der ADEM, liefert Antworten.
Hallo Herr Bormann, können Sie mich sehen?
Nein, noch nicht.
Zum Glück habe ich kein Bewerbungsgespräch bei Ihnen.
Ach, die ersten Minuten sind immer ein bisschen stressig. Dann pendelt sich das Ganze ein.
Da hört man, Sie haben inzwischen Erfahrung. Was ist anders am Bewerbungsgespräch online?
Gilles Bormann weiß Rat.
Es kommt diese technische Barriere hinzu. Aber – und das ist mir ganz wichtig – die alten Regeln gelten noch immer.
Allerdings in anderer Form. Beginnen wir mal ganz vorne: Pünktlichkeit ist natürlich das A und O. Aber was heißt das denn im digitalen Raum?
Im realen Leben hat man diese ein, zwei Minuten. Das ist online anders. Pünktlich sein bedeutet hier also, noch früher da zu sein. Denn zwei Minuten vor einem leeren Bildschirm zu sitzen, fühlt sich an wie eine Ewigkeit. Zusätzlich braucht man zwei bis drei Minuten, bis das Ganze läuft und man das eigentliche Gespräch beginnen kann. Wenn man da verspätet anfängt, bleibt weniger
Zeit. Ich würde also auf jeden Fall ein paar Minuten früher in das Gespräch reingehen, um zu schauen, ob die Verbindung steht, Ton und Kamera funktionieren.
Im virtuellen Raum gibt es kein Wartezimmer. Das heißt, wenn ich früh komme, sitze ich möglicherweise direkt einem meiner Gesprächspartner gegenüber, während wir noch auf jemanden warten. Wie verhalte ich mich am besten in dieser unnatürlichen Situation?
Auch hier gilt: Die ersten Sekunden sind entscheidend für den ersten Eindruck. Man sollte also ein Gespräch beginnen. Man kann auch aktiv fragen: „Dürfen wir schon ein bisschen reden oder haben Sie noch etwas vorzubereiten?“Das ist eben wie im echten Leben. Pannen und Unsicherheiten gehören beim Kennenlernen dazu.
Sie sind der erste Mensch seit sehr langer Zeit, der mir online im
Anzug gegenübersitzt. Mit Krawatte im Wohnzimmer sitzen, ist das overdressed oder genau richtig?
(Lacht) Also, ganz klar: Es ist ein komisches Gefühl, wenn man sich zu Hause so anzieht, einfach nur, um sich an den Computer zu setzen. Aber dennoch: Es bleibt ein Vorstellungsgespräch. Das heißt, wenn Sie sich am Finanzplatz bewerben, dann bleibt die Erwartung, dass Sie sich korrekt anziehen. Overdressed geht in einem professionellen Vorstellungsgespräch kaum – aber underdressed schon. Dann lieber ein bisschen zu viel. Eine Krawatte kann man schnell abnehmen. Aber von T-Shirt auf Hemd wechseln, das geht nicht.
Reicht es, sich bis zum Bauchnabel korrekt anzuziehen?
Stellen Sie sich mal vor, irgendwas geht schief und Sie müssen aufstehen. Da wollen Sie nicht, dass man Sie in Shorts sieht. Das Gleiche gilt übrigens für den Bildausschnitt. Wenn Sie aufstehen, sieht man mehr vom Hintergrund. Was das ist, würde ich mal austesten.
Kommen wir also zur entscheidenden Frage: Wie sollte mein Hintergrund aussehen?
Ich sollte versuchen, einen möglichst schlichten Hintergrund zu finden, der nicht vom Gespräch ablenkt. Natürlich sollten keine Strümpfe mehr rumliegen. Das ist ein No-Go. Man darf aber persönliche Dinge zeigen. Ich sitze jetzt zum Beispiel im Dachgeschoss. Bei Ihnen sehe ich Regale im Hintergrund und ein Bild. Das ist kein Problem. Es muss kein weißer Hintergrund sein. Aber er sollte ordentlich sein. Auch den virtuellen Raum kann man gestalten und man sollte es so machen, dass er dem Gespräch dient. Das betrifft auch das Licht. Ich hatte schon Gespräche, wo jemand vor dem Fenster saß. Nach einer halben Stunde haben Sie Augenschmerzen. Das sind so die Stolperfallen.
Was ist mit einem virtuellen Hintergrund? Es gibt den BlurEffekt, da sieht man den Hintergrund um die Person herum verschwommen und es gibt auch animierte Räume. Ist das eine Alternative?
Das hängt vom Arbeitgeber ab. Wenn Sie in der technischen Welt unterwegs sind, mag das schon Standard sein. Ich persönlich habe da Hemmungen. Denn meistens ist die Software noch nicht so perfekt. Dann ist mal der Hintergrund scharf, aber das Gesicht wird verpixelt. Und selbst, wenn es wie geplant funktioniert, achtet man darauf, wo die Haare nicht mehr gepixelt sind und so weiter. Meist lenkt das nur ab. Ich würde im Zweifelsfall versuchen, einfach einen schlichten Hintergrund zu finden.
Was gilt für den Ton? Sie tragen ein Headset, ich habe keines. Hören Sie mich schlechter?
Ja, Sie klingen ein bisschen blechern. Das hat man oft, wenn man mit dem Computer telefoniert. Wenn ich arbeitssuchend bin und ich kann es mir leisten, dann würde ich zu einem Headset raten. Man hat aber auch bei jeder Plattform die Möglichkeit, Ton und Bild zu testen. Dann bekommt man ein Gefühl, ob die Qualität brauchbar ist. All diese technischen Aspekte würde ich wirklich im Vorfeld testen. Wenn es geht, sogar mit einer anderen Person.
Was, wenn trotz allem etwas schiefgeht?
Gerade bei wichtigen Gesprächen sollte man einen Plan B haben. Nicht jeder hat einen zweiten Computer, aber man sollte sein Smartphone bereithalten. Was ich selbst erst neulich gelernt habe: Sehr viele Spielekonsolen haben Webbrowser und eine sehr gute Kameraauflösung. Sie bieten sich also hervorragend an, um solche Gespräche zu führen. Außerdem sollten Sie die Telefonnummer bereithalten, falls etwas mit der Verbindung nicht klappt. Dann müssen Sie nicht noch suchen, wenn Sie sowieso schon gestresst sind. Und der wichtigste Tipp: Stellen Sie sich ein Glas Wasser hin! Das beruhigt, hilft der Stimme beim Durchhalten und verhindert ungewollte Pausen. Außerdem sieht es wesentlich besser aus, als wenn Sie in der Not aus der Flasche trinken.