Das Menschliche entdecken
Marc Schoentgen taucht in die Geheimnisse von Schloss Birtringen ein
„Ich habe mich extra früh auf den Weg gemacht, denn ich wollte von dem Aussichtsplatz, den die Gemeinde Schieren ja schon für Wanderer mit einem guten Blick auf das Schloss errichtet hatte, aus sehen, wie das Licht bei Sonnenaufgang wirkt. Und dann kam plötzlich dieses Funkeln auf – und das Schloss fing schillernd an zu leuchten. Das war einer der schönsten Momente bei dem Projekt“, sagt Marc Schoentgen.
Schoentgen? „Das ist doch der Mosel-Fotograf, der Schengen aus besonderer Perspektive mit der Kamera festgehalten hat“– so ist wohl die Klischee-Vorstellung, die Kenner der Fotoszene mit dem Namen verbinden. Dass Schoentgen inzwischen längst auch andere Foto- und Buchprojekte zum Beispiel zum großherzoglichen Hof umgesetzt hat, hat sich wohl noch nicht in den Köpfen festgesetzt.
Fotografie ist seine nebenberufliche Passion; klassisch in ihrer Machart, nah am Menschen und dem, was die Gesellschaft verbindet – Tradition und Heimatgefühl. Das jüngste Projekt fiel ihm quasi in den Schoß: Der Commissaire en Chef und Leiter des „Service Palais“, dem großherzoglichen Anwesenschutz, kam auf dem Weg zu seiner Dienststelle immer wieder an Schloss Birtringen vorbei. Seine Neugier war geweckt.
Spuren vergangener Zeiten
Schoentgen bohrte nach, recherchierte und bat dann die Leitung des Roten Kreuzes, dem das Schloss heute gehört, darum, es fotografisch erkunden zu dürfen. Und die stimmte zu – ein Glücksfall für den Fotografen. Denn sonst ist das Innere nur sehr selten zugänglich. Einst war es der Wohnsitz Félix Baron de Blochausen, heute aber lebt niemand mehr darin, Verfall droht.
Das Fotografieren von sogenannten „Lost Places“sei eigentlich auch nicht sein kreativer Schwerpunkt, sagt Schoentgen. Aber dieses Projekt habe ihn so sehr gereizt, dass er für die zahlreichen Besuche seinen Urlaub dafür geopfert habe. „Ich hätte wegen Covid-19 ja eh nicht viel Urlaub im Ausland machen können. Dann doch lieber fotografieren.
Immer wieder suchte er nach neuen Lichtstimmungen, aber auch nach der menschlichen Dimension, den Geschichten in der Geschichte des Schlosses. Mal sind es die Etiketten auf den leeren Flaschen im Keller, die von den früheren Partys und Empfängen erzählen. Oder er spürte dem Weg nach, den die Familie de Blochausen einst zum Schloss nahm: die Buchenallee zeichnet sich beim genauen Hinschauen ab und die Reste der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Brücke über die Alzette finden sich.
Es sind so viele herausragende Bilder für Schoentgen zusammengekommen, dass er auch über ein Buchprojekt nachdenkt. Schon klar ist, dass die Gemeinde Schieren offenbar mehr als nur Interesse hat: Schoentgen soll einen Teil der Aufnahmen im Großformat als Freiluftausstellung in Schieren über mehrere Monate zeigen dürfen. Sieht er sein Projekt auch als
Warnsignal, dieses Kulturerbe so nicht weiter bestehen zu lassen? „Wenn ich einen kulturellen Beitrag leisten kann, freue ich mich. Mit meinem damaligen Projekt in Schengen habe ich dort schon zu einem gewissen Umdenken anstoßen können. Und wer weiß? Vielleicht finden ja das Rote Kreuz, der Staat, die Gemeinde und historisch Interessierte gemeinsam Wege, um diesem Schatz neues Leben einzuhauchen.
Marc Schoentgen dokumentierte nicht nur die großen Zusammenhänge, sondern begeisterte sich auch für die historischen Details und das Kunsthandwerk, das noch besteht.
Leider zeigt sich an vielen Stellen der Verfall der historischen Anlage und der Kunsthandwerkarbeiten in den Schlossräumen.