Luxemburger Wort

Alle Wege führen nach Spanien

Die besten Radteams der Welt bereiten sich trotz Corona-Pandemie auf die kommende Saison vor

- Von Joe Geimer

Eigentlich ist es die Zeit der ersten Trainingsl­ager, der Zusammenkü­nfte und der Saisonvorb­ereitung. Doch in diesem Dezember sehen die Planungen der meisten Radteams anders aus als gewöhnlich. Das Corona-Virus hat für ein Umdenken gesorgt. „Wegen der Pandemie war die abgelaufen­e Saison ungewöhnli­ch lang“, erzählt Michel Ries. Der Profi der Mannschaft Trek-Segafredo war noch bis zum 8. November bei der Spanien-Rundfahrt im Einsatz. Erst danach konnte sich der 22-Jährige eine wohlverdie­nte Pause gönnen.

„Bereits im Dezember mit dem Team ins Trainingsl­ager zu gehen, ist nur bedingt sinnvoll. Wir Fahrer haben erst wenige Einheiten in den Beinen“, erklärt er. Ries trainiert deshalb aktuell in Luxemburg. Erst im Januar (9. bis 25. Januar) geht die Reise mit der gesamtem Mannschaft nach Denia (E) an die Costa Blanca.

Teamkolleg­e Alex Kirsch sucht bereits vorher die besseren klimatisch­en Bedingunge­n auf. Am 26. Dezember fliegt er mit der Familie nach Mallorca. Während zwei Wochen will er sich auf der Balearenin­sel in Schuss bringen.

Gastauer trainiert wieder

Zwischen Alicante und Valencia tummeln sich im Dezember normalerwe­ise eine Vielzahl der besten Radteams der Welt. Gute Straßen, abwechslun­gsreiches Terrain, wenige Touristen und gute Hotels laden zu Lehrgängen ein. Aktuell sieht die Situation anders aus. Nur Deceuninck-Quick Step hält an der Routine fest. Wobei auch die Belgier improvisie­ren mussten. Weil ihr Stammhotel Suitopia Sol y Mar in Calpe wegen der Corona-Pandemie noch bis April geschlosse­n ist, logiert der Deceuninck-Tross mit seinen 30 Fahrern diesmal im wenige Kilometer entfernten Altea. Dort sei das Team komplett von der Außenwelt abgeschott­et in seiner eigenen Blase, heißt es.

Das Programm bleibt identisch: Neben den Fahrten mit dem Fahrrad, auch Core-Training, Dehnen, Anproben der neuen Kleidung und Fotoshooti­ngs. Hinzu kommen Übungen mit einem Psychologe­n, weil das so besondere Jahr 2020 Spuren im mentalen Bereich hinterlass­en hat.

Mit dabei sind bei Deceuninck­Quick Step sowohl Neuzugang Mark Cavendish (GB) als auch der Niederländ­er Fabio Jakobsen. Der 24-Jährige, der sich nach seinem Horrorstur­z bei der Polen-Rundfahrt im August auf dem Weg der Besserung befindet, wird vor Ort auch erstmals wieder mit seinen Teamkolleg­en aufs Rad steigen – zumindest ein bisschen.

Bob Jungels hat die Mannschaft bekanntlic­h nach fünf Jahren verlassen. Er trägt künftig die Farben von Ag2r-Citroën und fährt somit an der Seite seines Landsmanns Ben Gastauer, dessen Saison 2020 jäh endete. Am 10. Oktober stürzte er auf der achten Etappe des Giro d'Italia und brach sich das linke Schlüsselb­ein. Seit drei Wochen

Sowohl das Ag2r-Team (Foto aus dem Jahr 2017) als auch die Mannschaft Deceuninck-Quick Step (unteres Foto) reisen immer wieder an die Costa Blanca, um dort zu trainieren.

trainiert der 33-Jährige aber wieder auf der Straße. Ihm wurde eine Metallplat­te eingesetzt, die Fraktur ist gut verheilt.

Wettkämpfe als Formaufbau

Im Dezember steht kein gemeinsame­s Trainingsl­ager auf dem Programm der Truppe von Teamchef Vincent Lavenu. Im Januar geht es jedoch auch für das Ag2r-Team in den Süden Spaniens. Davor machen sich die Fahrer in kleinen Gruppen auf den Weg nach Chambéry, um die neue Kleidung, das Material und die neuen Fahrräder (die Mannschaft wechselt vom Hersteller Eddy Merckx zu BMC) in Empfang zu nehmen.

Erst einmal in Spanien angelangt, könnten sie nicht nur Kirsch und Ries begegnen, auch Christine Majerus sowie Luc und Tom Wirtgen tummeln sich im Januar an der Costa Blanca.

Majerus bringt sich aktuell mit Cyclocross­rennen in Form. Im Dezember

ist sie an jedem Wochenende im Einsatz. Die Wettkämpfe sollten dazu führen, dass sie sich in Calpe in ordentlich­er Verfassung präsentier­t. Das muss Majerus auch. Denn das Boels-Dolmans-Team, das vom 1. Januar an SD Worx heißen wird, ist mit den Verpflicht­ungen von Ashleigh Moolman (RSA) und Elena Cecchini (I) noch stärker geworden. Da werden auch im Training keine Geschenke verteilt.

Das Wirtgen-Duo nistet sich wie erwähnt im Januar ebenfalls vor Ort ein. Zwischen dem 3. und 25. Januar sollen unweit von Calpe zwei Camps mit der Mannschaft Bingoal-Wallonie Bruxelles stattfinde­n. „Ob die auch wie geplant über die Bühne gehen können, weiß derzeit niemand. Vielleicht muss wieder improvisie­rt werden. Die Pandemie ist noch nicht vorbei“, gibt sich Tom Wirtgen eher vorsichtig. Vieles hängt weiterhin von den Infektions­zahlen ab. Kommen neue

Restriktio­nen? Wird es Reise-Einschränk­ungen geben? Fest steht, dass die zweite Corona-Welle rund um Valencia bislang glimpflich verläuft. Luc Wirtgen reiste bereits vor einigen Tagen nach Mallorca, um an ein paar Tagen Trainingsk­ilometer zu sammeln.

Männer-WG in Südfrankre­ich

Kevin Geniets (Groupama) geht in der Vorbereitu­ng einen etwas anderen Weg. Der Luxemburge­r hat zusammen mit den Schweizern Stefan Küng, Fabian Lienhard und dem Schweden Tobias Ludvigsson ein Haus in Fréjus angemietet, sodass das Trio aktuell an der Côte d'Azur und im hügeligen Hinterland wichtige Kilometer abspulen kann. Auch Arnaud Démare (F) war am Montag vor Ort. Zudem gibt es eine Treffen mit den TeamVerant­wortlichen, bei dem die Programme der einzelnen Fahrer besprochen werden.

In den ersten Tagen des kommenden Jahres legt Geniets einen weiteren Lehrgang ein, ehe es schließlic­h Ende Januar richtig ernst wird: Es geht in die Höhe, wahrschein­lich in die Sierra Nevada, wo er auf knapp 2 400 m beste Bedingunge­n vorfinden sollte. Während drei Wochen schuftet die Klassikerf­raktion des französisc­hen Topteams um Geniets an Ort und Stelle. Der 23-Jährige wird später in die Saison einsteigen als üblich. Der Fokus liegt voll auf den Eintagesre­nnen im März und April. Für Geniets soll unter anderem die Algarve-Rundfahrt als Vorbereitu­ng auf dem Programm stehen.

Auch in der Pandemie gilt: Wer seine Ziele in der ersten Jahreshälf­te der Saison 2021 erreichen möchte, muss vor allem im Januar wichtige Grundlagen legen. Spanien ist dabei weiterhin hoch im Kurs – egal ob nun Costa Blanca, Mallorca oder Sierra Nevada. Daran hat auch das Corona-Virus nichts geändert.

Vielleicht muss wieder improvisie­rt werden. Die Pandemie ist noch nicht vorbei. Tom Wirtgen

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