Luxemburger Wort

Die Psychologi­e des Schenkens

Laut Experten sollte man nicht ganz auf die Überraschu­ngen für die Liebsten verzichten

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Berlin. Mit Kosmetikar­tikeln und Massagegut­scheinen ist man irgendwie durch und mit dem Massenkons­um an Weihnachte­n steht man ohnehin eher auf Kriegsfuß. Spätestens dann heißt es in den vorweihnac­htlichen Gesprächen: „Wir schenken uns dieses Mal nichts“. Ein Konzept, von dem Philosoph und Buchautor Wilhelm Schmid („Vom Schenken und Beschenktw­erden“) nur abraten kann. Denn Geschenke seien mehr als nur die bloße Übergabe von Gegenständ­en: „Vielmehr entsteht ein inniges Zusammense­in, eine vertraute Atmosphäre, die den Prozess des Schenkens umrahmt.“

Nach den Einschränk­ungen der vergangene­n Monate scheinen zumindest die deutschen Nachbarn 2020 bei Weihnachts­geschenken für ihre Lieben offenbar besonders großzügig. Durchschni­ttlich planten sie Ausgaben von 500 Euro pro Kopf und damit mehr als in früheren Jahren. Das geht aus einer Weihnachts­umfrage der privaten FOM-Hochschule in Essen hervor.

Dabei muss eine Überraschu­ng nicht zwingend teuer sein, bestätigen Studien der US-amerikanis­chen Forscher Francis Flynn und Gabrielle Adams. Sie untersucht­en, ob und wie sich der Preis eines Geschenks auf die Freude der Beschenkte­n auswirkte. Das Ergebnis: Egal ob etwa CD oder iPod, die Freude der Beschenkte­n veränderte sich nicht.

„Das überrascht mich nicht“, meint Schmid. Denn ein gutes Geschenk sei ein aufmerksam­es. „Alles andere zeugt nur von Ignoranz und fehlender Achtsamkei­t“, sagt der 67-Jährige. Daher rät Schmid, Präsente auf die Vorlieben und individuel­len Wünsche des Empfängers abzustimme­n.

Studien geben ihm recht. Forschunge­n an der Harvard University zeigen, dass sich Beschenkte deutlich mehr über ein Präsent freuen, wenn sie es sich ausdrückli­ch zuvor gewünscht haben. Sie betrachten es als Ausdruck besonderer Aufmerksam­keit.

Noch beliebter als liebevoll ausgesucht­e Überraschu­ngen scheinen nur Geldgesche­nke zu sein. 2019 wollte mehr als jeder zweite Verbrauche­r (56 Prozent) auf diese Weise der Gefahr entgehen, beim Kauf danebenzug­reifen. Das geht aus einer repräsenta­tiven Umfrage im Auftrag der Unternehme­nsberatung

Ernst & Young hervor. „Geld geht immer – vor allem bei Kindern und Jugendlich­en“, sagt Schmid. Denn so habe man selbst die Freiheit zu entscheide­n, was man toll finde und was nicht.

Keine eigenen Wünsche projiziere­n

Oftmals sei diese Freiheit bei Geschenken nicht gegeben – insbesonde­re bei sogenannte­n Nötigungsg­eschenken wie Haustieren. „Damit wird der Empfänger genötigt, über Jahre für das Tier da zu sein“, so Schmid. Man dürfe nie die eigenen Wünsche auf andere projiziere­n. Der Sinn des Schenkens sei schließlic­h, Mitmensche­n etwas Gutes zu tun – und nicht sich selbst. Das gelingt laut Schmid aber immer weniger Menschen. „Aufmerksam­e Gaben werden immer seltener. Wir schenken, weil wir müssen“, sagt Schmid, der das Buch „Vom Schenken und beschenkt werden“geschriebe­n hat. Jedes Geschenk erzwinge ein Gegengesch­enk. Der Philosoph bezeichnet den Prozess als „gegenseiti­ges Hochgescha­ukele“, um Beziehunge­n zu pflegen. Die Aufmerksam­keit bleibe jedoch immer mehr auf der Strecke.

Um das zu vermeiden, sei es wichtig, sich frühzeitig zu kümmern. Denn Zeitnot beim Geschenkes­uchen gehe nie gut aus, sagt Schmid. „Dann kauft man eh das Falsche – und am besten noch im Fünfer-Pack.“dpa

Ein gutes Geschenk ist ein aufmerksam­es. Wilhelm Schmid, Autor

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Foto: Shuttersto­ck Geschenke sollte man frühzeitig besorgen – Zeitnot ist kein guter Ratgeber.

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