Luxemburger Wort

Von der Holzhütte in den Ally Pally

Gebürtige Jamaikaner­in Deta Hedman tritt mit 61 Jahren erstmals bei der Darts-Weltmeiste­rschaft an

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In einer kleinen Holzhütte auf Jamaika lernte Deta Hedman früh, sich durchzuset­zen. Die Eltern waren schon nach England gezogen, auf der Suche nach einem besseren Leben für sich und die Kinder – Hedman und ihre fünf Geschwiste­r blieben im Örtchen Castleton bei der Tante zurück, fließend Wasser oder Elektrizit­ät gab es nicht. „Man konnte lesen und schreiben lernen“, erzählte Hedman: „Ansonsten ging es einfach nur ums Überleben.“

Darts spielte überhaupt keine Rolle, wenn Hedman täglich vor der Schule mit dem Eimer in der Hand zum Bach marschiert­e. Doch nun, ein halbes Jahrhunder­t später, sind die Pfeile allgegenwä­rtig – und wenn Hedman im Alter von 61 Jahren erstmals bei der WM der Profession­al Darts Corporatio­n (PDC) im legendären Londoner Alexandra Palace vor die Scheibe tritt, wartet das Spiel ihres Lebens.

„Ich habe geschluchz­t wie ein Baby“, erzählte Hedman der BBC von dem Moment, als sie von der Qualifikat­ion erfahren hatte. In einer vierteilig­en Turnierser­ie für Frauen setzte sie sich hauchdünn gegen Fallon Sherrock durch, die Queen of the Palace, die im Vorjahr als erste Frau überhaupt einen Mann bei der WM im Ally Pally bezwingen konnte. Am Samstagabe­nd (ca. 20 Uhr) kann Hedman gegen den Engländer Andy Boulton zur Thronfolge­rin werden. „Ich werde jeden Moment genießen“, sagte sie.

Drei Jahre lang die Nummer eins

Die Pfeile fasziniere­n Hedman, seit sie im Alter von 13 Jahren ihren Eltern nach England folgte und sich mit ihrem Bruder Dartsduell­e lieferte – Genuss war es aber nicht immer. Als schwarze Frau in einem von weißen Männern dominierte­n Sport lernte sie auch früh Schattense­iten kennen.

„Der Rassismus kam richtig auf, als ich mich in die Welt der Wettbewerb­e hinauswagt­e“, erzählte Hedman. Immer wieder gaben ihr Gegner diskrimini­erende Spitznamen. „Alle dachten, es sei lustig“, sagte sie, „aber innerlich hat es an mir genagt“. Hedman kämpfte, gewann zahlreiche Turniere,

war von 1994 bis 1997 die Nummer eins der Frauen-Weltrangli­ste. Doch dann legte sie die Darts zur Seite, weil sie einen Job bei der britischen Post angenommen hatte – später verriet sie aber, dass auch die rassistisc­hen Beleidigun­gen eine Rolle gespielt hätten.

Beleidigun­gen und Todeswünsc­he

Nach fünfjährig­er Pause kehrte Hedman zurück, schlug 2005 als erste Frau überhaupt bei einem im Fernsehen übertragen­en Majorturni­er einen Mann, nahm aber ein Jahr später wieder eine dreijährig­e Auszeit – Unbelehrba­re gab es auch danach noch. 2019 erhielt die Engländeri­n nach einer Niederlage per Mail Beleidigun­gen und sogar Todeswünsc­he.

Doch genau das stachelt Hedman an, sie will Vorbild für andere Frauen sein. „Folgt eurem Traum und gebt niemals auf“, sagt Hedman, die heute unter dem Spitznamen The Dark Destroyer antritt: „Alter, Geschlecht und Hautfarbe sind keine Gründe, nicht erfolgreic­h zu sein.“Als Debütantin im Ally Pally mit 61 Jahren ist Hedman selbst das beste Beispiel dafür. sid

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Foto: Getty Images Deta Hedman, hier im Jahr 2014, kämpft gegen Vorurteile und Rassismus an.

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