Neue Auswege für Hassredner
Das Programm „Dialog statt Hass“will Verfassern von Hasskommentaren andere Perspektiven aufzeigen
Beleidigungen, Diskriminierungen oder persönliche Anfeindungen: Wer im Netz unterwegs ist, stößt leider immer häufiger auf Nutzer, die ihrem Hass freien Lauf lassen. Ob Rassismus, Sexismus oder Anfeindungen gegenüber Politikern oder Andersdenkenden, auch in Luxemburg ist der sogenannte Hate-Speech, also die Aufstachelung zum Hass, keine Ausnahme und weiter auf dem Vormarsch. Dabei sind solche Kommentare weit mehr als nur Kavaliersdelikte, können diese verachtenden Wörter doch großen Schaden hinterlassen, sowohl bei den Opfern selbst als auch in der gesamten Gesellschaft.
Das 2017 ins Leben gerufene Zentrum gegen die Radikalisierung „respect.lu“möchte den Verfassern von solchen Hasskommentaren im Zuge ihres neuen Projektes „Dialog statt Hass“nun neue Auswege aufzeigen. Nach einer ersten Testphase wurde das Projekt am vergangenen Donnerstag offiziell vorgestellt. Ziel ist es, in Zusammenarbeit mit der Justiz, alternative Modelle zu den gängigen und eher auf Repression ausgerichteten strafrechtlichen Sanktionen wie beispielsweise Bußgeldern anzubieten und den Autoren solcher Hassbotschaften somit die Möglichkeit zu geben, ihr eigenes Verhalten selbstreflektierend aufarbeiten zu können.
Im Mittelpunkt eines solchen diversionellen Ansatzes stehen also primär erzieherische und pädagogische Maßnahmen, wie es auch die zur Onlinepräsentation zugeschaltete Justizministerin Sam
Tanson (Déi Gréng) betonte. Vor allem Jugendlichen, die vermehrt als Verfasser von Hasskommentaren auffällig werden, kann somit eine Korrektur des Fehlverhaltens ermöglicht werden, ohne dabei die eigene Zukunft durch einen Eintrag im Strafregister zu gefährden.
Das im Rahmen von „Dialog statt Hass“angebotene Programm umfasst insgesamt sechs Module, in denen die Täter sowohl in Einzelals auch in Gruppengesprächen ihre Tat analysieren und aufarbeiten können. So sollen sich die Verantwortlichen unter anderem in die Perspektive ihrer Opfer versetzen, um so aus der eigenen Filterblase austreten und eine stärkere Empathie gegenüber Andersdenkenden entwickeln zu können. Auch sollen die Grenzen der freien Meinungsäußerung klar aufgezeigt und ein spezifisches Modul zum Erlernen von Medienkompetenzen angeboten werden. Übergreifendes Ziel der Maßnahmen ist demnach ein besseres Verständnis der eigenen Tat sowie deren Ursachen und Folgen und somit das Vermeiden eines erneuten Rückfalls.
Zunahme von Hasskommentaren Orientiert haben sich die Verantwortlichen von „Dialog statt Hass“dabei am gleichnamigen österreichischen Programm des Vereins „Neustart“, das zunächst in den Großstädten testweise angeboten wurde und nun in ganz Österreich verfügbar ist und bereits vielversprechende Erfolge erzielen konnte. Die Dringlichkeit solcher Angebote wird beim Blick in die aktuellen Zahlen deutlich. Das Internetportal BeeSecure, das Internetnutzern über die sogenannte Stopline die Möglichkeit gibt, Hasskommentare zu melden, verzeichnete im Zeitraum zwischen 2016 und 2020 einen rasanten Anstieg solcher Beiträge, wie die zuständige Leiterin Barbara Gorges-Wagner darlegte. Waren es vor vier Jahren
beispielsweise 46 als illegal eingestufte rassistische Kommentare, wurden in diesem Jahr bereits 226 fremdenfeindliche Beiträge gezählt, die den Rahmen der Legalität überschritten. Vor allem während den Monaten des ersten Lockdowns im Frühjahr stiegen die Zahlen deutlich an. Auf juristischer Ebene wurden in diesem Jahr bereits 77 Akten verfolgt, in insgesamt 15 Fällen kam es auch zu entsprechenden Gerichtsprozessen.
Unterstützung erhält das Projekt auch vom Ministerium für Familie, Integration und die Großregion. Die zuständige Ministerin Corinne Cahen (DP), die während der Präsentation per Video zugeschaltet war, unterstrich die gesamtgesellschaftliche Problematik, die von solchen Hassreden ausgeht. „Meinungsfreiheit ist ein Grundrecht, die Grenzen dieser Freiheit werden aber durch Hassreden überschritten. Dies kann nicht toleriert werden“, so die DPPolitikerin. GlS
Fehlverhalten Jugendlicher kann so ohne Eintrag ins Strafregister korrigiert werden. Sam Tanson, Déi Gréng