Luxemburger Wort

Ein Phantom in der Pandemie

Streetart-Künstler Banksy hat 2020 einen klaren Schwerpunk­t gesetzt: Corona mit seinen Helden und Opfern

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London. Banksys sozialkrit­ische Bilder wirken oft wie eine Mahnung. Der Streetart-Künstler konzentrie­rte sich 2020 in seinen Werken vor allem auf die Corona-Krise. Worauf wird er sich im nächsten Jahr stürzen?

Plötzlich sind sie wie von Geisterhan­d da, auf einer alten Mauer eines Friseurlad­ens oder in der UBahn. Der geheimnisu­mwitterte britische Streetart-Künstler Banksy platziert seine Bilder an ungewöhnli­chen Orten. In diesem Jahr hat er bei seinen Werken einen klaren Schwerpunk­t gesetzt: die Corona-Pandemie mit ihren Helden und Opfern. In keinem anderen Land in Europa sind so viele Menschen an dem Virus gestorben wie im Vereinigte­n Königreich.

Humor in Bristol

Banksys Identität ist ein Geheimnis. Er soll aus Bristol im Südwesten Englands stammen und Ende der 90er Jahre nach London gekommen sein. Einen Namen machte er sich mit gesellscha­ftskritisc­hen Motiven, etwa Obdachlosi­gkeit und Konsumverh­alten. Beim ernsten Thema Pandemie zeigt der Künstler durchaus eine gehörige Portion Humor.

Dazu zählen britische Medien auch sein jüngstes Werk, das im Dezember auf einer Hauswand in

Bristol auftauchte. Es zeigt eine alte Frau, die beim starken Niesen ihr Gebiss verliert. Weil das Haus an der wohl steilsten Straße Englands liegt, sieht es so aus, als hätte das Niesen der Frau die benachbart­en Häuser zum Kippen gebracht.

Für das Tragen von CoronaMask­en warb Banksy mit RattenBild­ern in einer Londoner U-Bahn. Eines der gesprühten Nagetiere segelte mit einem Mundschutz als Fallschirm herab, ein anderes – ohne Maske – nieste viel Farbe an ein Fenster. Pech: Reinigungs­kräfte ahnten nicht, welcher Künstler am Werke war, und wischten die Bilder einfach weg. Ihr Wert betrug Kunstexper­ten zufolge mehrere Millionen Pfund.

Auf einem auf Instagram verbreitet­en Video soll Banksy mit weißem Schutzanzu­g und Maske sogar selbst bei der Sprühaktio­n zu sehen sein. Er schrieb: „Wenn du keine Maske trägst, kapierst du es nicht.“

Im Herbst tauchte plötzlich ein Banksy-Bild auf einer Außenmauer eines Friseurlad­ens in Nottingham auf. Auf dem schwarz-weißen Kunstwerk ist ein Mädchen zu sehen, das mit einem Fahrradrei­fen als Hula-Hoop-Ring spielt. Davor platzierte Banksy ein demolierte­s Fahrrad mit nur einem Reifen,

angeschlos­sen an einem Laternenma­st. „Jeder ist sehr aufgeregt und viele, viele kommen, um das Bild zu sehen“, sagte die Inhaberin des Friseurges­chäfts. Nachbarn sahen in dem Werk eine Aufmunteru­ng in der Corona-Krise: Nottingham gehört zu den am schlimmste­n von der Pandemie betroffene­n britischen Städten.

Danke für alles

In einer Klinik im südenglisc­hen Southampto­n hinterließ Banksy ein Gemälde für die Helden der

Banksy hat sich auf seine Weise bei den „Helden der Corona-Krise“mit diesem Werk im General Hospital in Southampto­n bedankt.

Corona-Krise und schrieb auf einen Zettel: „Danke für alles, was Sie tun. Ich hoffe, dies erhellt den Ort ein wenig.“Auf dem Bild lässt ein Junge eine Krankensch­westerPupp­e mit Umhang wie Superman mit seiner Hand durch die Luft schweben.

Während der Corona-Krise veröffentl­ichte Banksy auf Instagram sogar ein Werk aus dem Home Office. Mit seiner typischen Schablonen­technik hatte er in seinem Badezimmer mehrere Ratten an die Wand gesprüht. Gegenständ­e waren so arrangiert, dass es so aussah, als hätten die Nager die Unordnung verursacht. Der humorvolle Künstler kommentier­te: „Meine Frau hasst es, wenn ich von zu Hause aus arbeite.“

Aber wer könnte hinter Banksy stecken, dessen Werke früher wie aus dem Nichts unautorisi­ert im Louvre in Paris oder der Tate Modern in London hingen? Viele Spuren führen zu dem Straßenkün­stler Robin Gunningham aus Bristol.

Diesen Schluss zog die „Daily Mail“schon 2008 nach aufwendige­n Recherchen. Jahre später kamen Forscher der Queen-MaryUniver­sität in London mit Methoden aus der Kriminolog­ie zum selben Ergebnis. Sie glichen Banksys Werke und Gunningham­s Aufenthalt­sorte

ab und fanden viele Übereinsti­mmungen.

Andere halten den aus Bristol stammenden Sänger Robert Del Naja von der britischen Band Massive Attack für Banksy. Unter anderem soll es eine Verbindung zwischen den Tournee-Daten der Band und der Sichtung neuer Bilder in mehreren Ländern geben. Der Sänger streitet das ab, räumt aber ein, ein Freund des Künstlers zu sein.

Eine von vielen weiteren Vermutunge­n besagt, Banksy sei eine Frau, die ein Künstler-Kollektiv leite. Wer immer tatsächlic­h dahinter steckt: Bansky muss einen verschwieg­enen Kreis von Helfern haben.

Sollte sich die Corona-Pandemie im kommenden Jahr dem Ende zuneigen, dürfte sich Banksy wohl wieder verstärkt anderen Themen widmen – vielleicht den Flüchtling­en? Banksy unterstütz­t ein unter deutscher Flagge fahrendes Schiff zur Rettung von Migranten im Mittelmeer. Der Künstler finanziert­e die nach einer französisc­hen Anarchisti­n benannte „MV Louise Michel“und hinterließ in diesem Jahr als Markenzeic­hen auf einer Schiffswan­d ein Werk: Es zeigt ein Mädchen mit Schwimmwes­te und einem herzförmig­en Rettungsri­ng. dpa

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