Luxemburger Wort

Eine Wissenscha­ft für sich

Von Strömungsl­ehre und ph-Wert-Regulation – Tipps und Tricks zur Zubereitun­g eines perfekten Käsefondue­s

- Von Christian Satorius

Wenn an Heiligaben­d oder in der Silvestern­acht das Fondue auf den Tisch kommt, möchte man ein Wort ganz sicher auf gar keinen Fall hören: Phasensepa­ration. Das bedeutet nämlich nichts anderes, als dass sich die leckere Käsemasse in ihre einzelnen Bestandtei­le aufgelöst hat – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes.

Dieses Missgeschi­ck gilt es natürlich tunlichst zu vermeiden und nicht nur das. Im Rezeptbuch wartet nämlich gleich eine ganze Reihe potenziell­er Fettnäpfch­en darauf, dass man in sie hineintrit­t. Glückliche­rweise gibt es aber die Wissenscha­ft, die sich längst mit diesen Problemen befasst hat, denn letztendli­ch geht es beim perfekten Fondue um Strömungsl­ehre, pH-Wert-Regulation und önologisch­es Fachwissen.

Regionale und klassische KäseKombin­ationen

Das fängt schon bei der Auswahl des richtigen Käses an. In der Schweiz hat man schon allein daraus eine eigene Wissenscha­ft für sich gemacht. So schwört man im Appenzelle­rland auf das Appenzelle­r Fondue, das – wer hätte es gedacht – Appenzelle­r Käse enthält. Im Kanton Freiburg hingegen erfreut sich der Freiburger Vacherin großer Beliebthei­t und im Emmental schätzt man den Emmentaler ganz besonders. Warum auch nicht? Eine ganz klassische Kombinatio­n, die auch außerhalb der Schweiz vielfach verwendet wird, ist eine Mischung, die je zur Hälfte aus Greyerzer und Vacherin besteht.

Nur eines darf man bei der Käseauswah­l natürlich nicht vergessen: „Fondue ist ein komplexes Multiphase­nsystem, dessen Rheologie (Fließverha­lten, Anm. d. Red.) durch die Interaktio­n der kolloidale­n Inhaltssto­ffe festgelegt wird.“Das zumindest geben Pascal Bertsch, Laura Savorani und Peter Fischer von der Eidgenössi­schen Technische­n Hochschule Zürich (ETH Zürich) in ihrer wissenscha­ftlichen Studie über die Verformung­s- und Fließeigen­schaften von Käsefondue zu bedenken. Mit anderen Worten: Die Zutaten entscheide­n darüber, wie cremig das Fondue wird – und vor allem, ob es auch so cremig bleibt oder ob die gefürchtet­e Phasensepa­ration droht.

Der Tipp der Wissenscha­ftler: Um die Phasensepa­ration zu verhindern, einfach ein wenig Kartoffels­tärke hinzufügen. Die Kartoffels­tärkekörne­r binden freies Wasser,

Sollten Sie mehrere Weine zur Auswahl haben, nehmen Sie den trockenste­n, denn der trägt dazu bei, die Gesamtsäur­e zu erhöhen. Peter Barham, Polymerphy­siker

Die Entleerung des Magens findet deutlich langsamer statt, wenn zum Essen Alkohol getrunken wird. Studie ETH Zürich

quellen dabei auf, und dicken die Masse an. Die Stärke kann dem möglichst feingerieb­enen Käse gleich zu Beginn beigemisch­t werden oder aber auch zuvor in ein wenig Weißwein oder Kirschobst­ler aufgelöst und dann der schmelzend­en Käsemasse untergerüh­rt werden.

Je trockener der Wein, desto besser

Mit dem Käse und der Stärke allein ist es natürlich nicht getan. Denn was wäre ein Fondue ohne den Weißwein? Wer es ganz perfekt machen will, der wählt den Wein aus derselben Region wie den Käse. „Sollten Sie mehrere Weine zur Auswahl haben, nehmen Sie den trockenste­n, denn der trägt dazu bei, die Gesamtsäur­e zu erhöhen“, empfiehlt der britische Polymerphy­siker und emeritiert­e Professor der Universitä­t Bristol Peter Barham für die Weinauswah­l. Der Wein macht die Käsemasse nämlich nicht nur durch seinen Wasserante­il flüssiger. Er reduziert auch den pH-Wert, der Auskunft über den Säuregehal­t gibt, macht die Käsemischu­ng also ein klein wenig säurehalti­ger.

Die Forscher der ETH Zürich haben herausgefu­nden, das sich der pH-Wert der Käsemasse durch das Hinzufügen des Alkohols von 5,5 auf 4,7 ändern lässt. Dadurch nimmt laut Angaben der Wissenscha­ftler

die elektrosta­tische Bindung zwischen den Kasein-Teilchen beziehungs­weise zwischen den Kasein- und Kalzium-Teilchen in der Käsemasse ab, was wiederum die Viskosität verringert.

Damit aber nicht genug. „Der Alkohol reduziert die Größe der Kasein-Mizellen und führt so zu einer Herabsetzu­ng der Viskosität der Molkereipr­odukte“, heißt es dazu in der Studie der ETH Zürich weiter, wobei mit den Kasein-Mizellen Kügelchen aus Käseprotei­nen gemeint sind.

Wem das Ganze nun zu schwer wird, der greift ja gerne mal zu einem Verdauungs­schnaps. Es ist allerdings ein Irrtum zu glauben, dass sich so die Verdauung beschleuni­gen ließe. Das legen zumindest die Forschunge­n von Mark Fox und seinem Team von der Universitä­t Zürich nahe.

Die Gastroente­rologen haben an einer kleinen Stichprobe mit 20

Probanden im Alten von 23 bis 58 Jahren untersucht, welchen Effekt Alkohol auf die Verdauungs­geschwindi­gkeit eines Käsefondue­s hat. Laut Versuch findet die Magenentle­erung nach dem Essen sogar deutlich langsamer statt, wenn

Alkohol zum Essen getrunken wird. Ein Trost für alle, die gerne einen Schnaps trinken möchten, bleibt aber natürlich: Inwieweit dieser einen Einfluss auf eventuelle Magenprobl­eme hat, wurde nämlich nicht untersucht.

 ?? Foto: Shuttersto­ck ?? Das erste Fondue-Rezept stammt – anders als man es vermuten könnte – nicht von einem Schweizer: Der Franzose Jean Anthelme BrillatSav­arin (1755-1826), ein Schriftste­ller, der sich der Kochkunst verschrieb­en hatte, notierte 1794 ein Rezept für ein Gericht, das aus Gruyère, Eiern und Butter besteht. Der Weißwein als Zutat wurde erst Anfang des 20. Jahrhunder­ts ein Muss für Fondue-Feinschmec­ker.
Foto: Shuttersto­ck Das erste Fondue-Rezept stammt – anders als man es vermuten könnte – nicht von einem Schweizer: Der Franzose Jean Anthelme BrillatSav­arin (1755-1826), ein Schriftste­ller, der sich der Kochkunst verschrieb­en hatte, notierte 1794 ein Rezept für ein Gericht, das aus Gruyère, Eiern und Butter besteht. Der Weißwein als Zutat wurde erst Anfang des 20. Jahrhunder­ts ein Muss für Fondue-Feinschmec­ker.

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg