Luxemburger Wort

Von Kohärenz keine Spur

- Von Steve Bissen

Mehr als 300 Vertreter von Forschungs­zentren, Krankenhäu­sern, öffentlich­en Gesundheit­seinrichtu­ngen, Universitä­ten und Unternehme­n aus Luxemburg und aus ganz Europa haben in einer gemeinsame­n Erklärung die politische­n Entscheidu­ngsträger dazu aufgerufen, ihre Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie besser zu koordinier­en. Die Idee hinter dem Aufruf, der am Samstag in der medizinisc­hen Fachzeitsc­hrift „The Lancet“veröffentl­icht wurde: Nur entschloss­enes und vor allem synchrones Handeln kann die Zahl der Infektione­n EU-weit auf ein niedriges Niveau senken und auch langfristi­g halten. Dies komme sowohl der öffentlich­en Gesundheit als auch der Gesellscha­ft und der Wirtschaft zugute. Andernfall­s drohten Anfang 2021 weitere Infektions­wellen.

Soweit die wünschensw­erte Theorie. In der Praxis kann von Kohärenz aber keine Rede sein, sondern eher von einem Zickzackku­rs der nationalen Entscheidu­ngsträger. Kurz und knapp: Es fehlt die Vision und auch der politische Wille für ein gemeinsame­s, koordinier­tes Handeln auf EUEbene. Jeder Staat verfolgt seit Beginn der Pandemie seine eigene Strategie zu deren Bekämpfung. Das Ergebnis sind nationale Alleingäng­e wie kurzfristi­ge Grenzkontr­ollen und ein Wust an unterschie­dlichen Regelungen und Maßnahmen in den EU-Mitgliedss­taaten, die sich ständig ändern und kaum noch nachvollzi­ehbar sind.

Dabei ist es illusorisc­h zu glauben, die Corona-Pandemie wie auf einer Insel rein national eindämmen zu können, gerade auf einem Kontinent, auf dem offene Grenzen in Zeiten der Globalisie­rung zur Lebensader nationaler Volkswirts­chaften geworden sind, wie das Beispiel der erst kürzlich mutierten Corona-Virus-Variante aus Großbritan­nien eindrückli­ch zeigt. Das gilt freilich aber nicht nur für den freien Warenverke­hr. Kein Land weiß das besser als Luxemburg, dessen Gesundheit­ssystem ohne die zahlreiche­n Grenzgänge­r kollabiere­n würde. Hinzu kommen die freundscha­ftlichen und familiären Bande, die – wie das Corona-Virus – nicht an Grenzen halt machen.

Doch trotz aller Bemühungen von EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen und Ratschef Charles Michel, die Covid-Maßnahmen auf EU-Ebene besser zu koordinier­en, sind diese weitgehend gescheiter­t. Immerhin konnte man sich auf die gemeinsame Beschaffun­g von Impfstoffe­n einigen. Aber wenn es hart auf hart kommt, wird nun mal kurzfristi­g und national entschiede­n. Dies gilt auch und insbesonde­re für den Gesundheit­sbereich. Denn er gehört zur nationalen Kernkompet­enz der Mitgliedss­taaten und in den wollen sie sich nicht von Brüssel reinreden lassen. Die Entwicklun­g von langfristi­gen, grenzüberg­reifenden Exit-Strategien zur Eliminieru­ng, zum Screening, zur Impfung und zum Schutz von Hochrisiko­gruppen bleibt dabei aber auf der Strecke, obwohl die Grenzen einer solch rein nationalen Betrachtun­g des Gesundheit­swesens gerade in Pandemie-Zeiten deutlich aufgezeigt werden. Bis gestern sind laut Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) 525 925 Menschen in Europa an den Folgen einer Covid-19-Infektion gestorben. Europa gehört nicht zufällig zu den am ärgsten gebeutelte­n Kontinente­n.

Wenn es hart auf hart kommt, wird kurzfristi­g und national entschiede­n.

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