In historischer Mission
Nach jahrzehntelangem, diplomatischem Stillstand: Amerikanisch-israelische Delegation besucht Marokko
Mit der Integration Israels im Mittleren Osten geht es vorwärts. Am Dienstag diskutierten Vertreter Marokkos und Israels ein Luftfahrtabkommen sowie konsularische Fragen. Damit wird die Normalisierung zwischen den beiden Ländern konkreter, die unter der Vermittlung der USA zu Stande gekommen ist. Seit August haben bereits die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain und der Sudan ihre Beziehungen zu Israel normalisiert, ebenfalls unter Vermittlung der USA. An den Gesprächen in Marokko waren Jared Kushner, in Personalunion Berater und Schwiegersohn des amtierenden US-Präsidenten Donald Trump, sowie Meir Ben-Schabat, der Sicherheitsberater von Premier Benjamin Netanjahu, beteiligt. Sie waren an Bord einer El-Al-Maschine nach Rabat geflogen. Auf dem Programm stand auch ein Besuch bei Marokkos König Mohammed VI.
International ist der Deal umstritten, weil US-Präsident Donald Trump Rabat entgegenkommt und Marokkos Souveränität über die Westsahara anerkennt. Der frühere US-Sicherheitsberater John Bolton hofft deshalb, dass Joe Biden diesen Schritt korrigieren wird. Um diplomatische Beziehungen zwischen Israel und Marokko zu erleichtern, habe Trump das sahrauische Volk vor den Bus geworfen, so Boltons Vorwurf.
Doch Rabat lässt sich durch diese Kritik nicht vom eingeschlagenen Kurs abbringen. Als ob der König seine Verbundenheit mit dem jüdischen Staat beweisen wollte, sollen die Schulen des nordafrikanischen Staates demnächst als neues Fach „Jüdische Kultur und Geschichte“in den Lehrplan aufnehmen. Zudem hat der Herrscher ein Museum zur Erinnerung an die einstige Koexistenz und zur Bewahrung jüdischer Kulturgüter eröffnet. Bereits vor neun Jahren war in der neuen Verfassung Marokkos festgehaltenworden, dass die jüdische Kultur nicht nur ein wichtiges Element des multikulturellen Erbes sei, sondern auch zur Identität des Landes gehöre.
Historische Verbundenheit
Die beiden Länder verbinden Jahrhunderte alte Traditionen. Vor der Gründung Israels war Marokko mit rund 300 000 Menschen die größte jüdische Gemeinde im Mittleren Osten. Nach 1948 wanderten die meisten Juden nach Frankreich oder nach Israel aus. Etwa eine Million Israeli haben familiäre Wurzeln in Marokko. Sie bilden nach den Einwandern aus der ehemaligen UdSSR die zweitgrößte Gemeinschaft in Israel. In Marokko leben heute zwar nur noch rund 3 000 Juden. Aber sie verstehen sich als Brücke nach Israel, heißt es in der Tageszeitung „Haaretz“.
Bereits in den 1990er Jahren hatte es zwischen Israel und Marokko diplomatische Beziehungen gegeben, wenn auch auf niedrigem Niveau. Aber die marokkanischen Diplomaten verließen wegen der Zweiten Intifada bereits nach sechs Jahren ihren Posten in Tel Aviv.
Als „eng“wird indes die sicherheitspolitische Kooperation bezeichnet. So habe Israel Marokko für den Sieg im Sechs-Tage-Krieg zu danken, verriet neulich der ehemalige Chef des militärischen Geheimdienstes, Shlomo Gazit, in einem Interview mit der „Times of Israel“. König Hassan II. übermittelte Aufzeichnungen von arabischen Staatsmännern, aus denen hervorging, dass die Araber schlecht gerüstet und unter sich zerstritten waren.
Aufgrund dieser Information lancierte Israel im Juni 1967 einen Präventivschlag und zerstörte dabei fast die ganze ägyptische Luftwaffe. Wenig später ging Rabat den Mossad um Hilfe an: Der Auslandsgeheimdienst solle den Regimegegner
Mehdi Ben Barka aufspüren. Der Mossad lockte Ben Barka nach Paris, wo ihn marokkanische Agenten ermordeten. Auch im Friedensprozess war Marokko aktiv und half 1977 zum Beispiel, die Aussöhnung zwischen Israel und Ägypten in die Wege zu leiten.
Die bilateralen Beziehungen waren allerdings nicht immer freundschaftlich. Zionismus wurde 1959 zum „Verbrechen“erklärt. Unter König Mohammed V. war Juden die Ausreise nach Israel mit der Begründung verboten, dass dies die „zionistische Armee“stärken würde. Während fünf Jahren setzte der Mossad seine Agenten ein, um Juden die illegale Ausreise zu ermöglichen. Als König Hassan II. 1961 den Thron bestieg, zahlte Israel für jeden Juden, der nach Israel auswanderte, eine Steuer, die als „Kompensation“für die Investitionen in die jüdische Gemeinschaft bezeichnet wurde. Für fast 50 Millionen US-Dollar konnten rund 60 000 Juden freigekauft werden.