Luxemburger Wort

Trumps Prediger fallen vom Glauben ab

Nach Falschinfo­rmationen über Wahlmanipu­lationen konfrontie­ren rechte US-Medien ihre Zuschauer mit den Fakten

- Von Karl Doemens (Washington)

Mit einem eigenen Fernsehkan­al und täglich rund einer Million Zuschauern gehört Pat Robertson zweifelsoh­ne zu den einflussre­ichsten Vertretern der christlich­en Rechten in den USA. In seiner Talkshow „The 700 Club“wettert der 90-jährige Prediger gegen den Sozialismu­s, den Islam, die Homosexual­ität und was aus seiner Sicht sonst noch des Teufels ist. „Trump wird die Wahl gewinnen“, verkündete er Ende Oktober: „Das ist sicher.“Allerdings werde kurz darauf ein Asteroid die Erde treffen.

Nun ist es etwas anders gekommen, und das Schlachtro­ss der amerikanis­chen Fundamenta­listen legt eine spektakulä­re Kehrtwende hin. Während sich Donald Trump immer tiefer in seinen Verschwöru­ngswahn hineinstei­gert, schockiert­e Robertson seine Anhänger am Montag mit einem hellsichti­gen Bekenntnis: „Ich habe gebetet und gehofft, dass es eine bessere Lösung gibt“, sagte er: „Aber ich glaube, es ist vorbei.“Joe Biden sei der künftige Präsident, Trump lebe in einer „alternativ­en“Wirklichke­it: „Er hatte seine

Chance. Nun ist es Zeit weiterzuzi­ehen.“

Die Abkehr des prominente­n TV-Hirten muss für die evangelika­len Trump-Wähler ein Schock sein. Viele von ihnen glauben immer noch an ihr Idol und flüchten sich in wilde Fieberträu­me, um die schmerzhaf­te Niederlage zu verdrängen. Trump und seine verblieben­en Apologeten befeuern den Wahn mit täglich neuen Räuberpist­olen vom angebliche­n Wahlbetrug, in deren Zentrum vor allem die Maschinen stehen, die Stimmen scannen und auswerten. Mal sollen sie von Venezuela, mal von China und mal von Hillary Clinton so programmie­rt worden sein, dass sie Trump-Stimmen heimlich für Biden zählten.

Doch auch hier erleben die Anhänger des Präsidente­n gerade einen Realitätss­chock. Mitten in ihren Lieblingss­hows der ultrarecht­en Fox-Moderatore­n Lou Dobbs, Maria Bartiromo und Jeanine Pirro wurden am Wochenende Videoclips mit einem Faktenchec­k ausgestrah­lt, die den Fälschungs­vorwürfen ausdrückli­ch widersprac­hen. „Haben Sie Beweise dafür, dass Software verwendet wurde, um in dieser Wahl Stimmen

auszutausc­hen?“, wurde da ein Experte befragt. „Nein, dafür habe ich keine Beweise“, lautete die Antwort. Stück für Stück wurden die Verschwöru­ngserzählu­ngen, die die Moderatore­n teilweise selbst verbreitet hatten, widerlegt.

Nun steht der Sender Fox News bei Trumps Hardcore-Fans inzwischen ohnehin im Verdacht des Verrats. Viele sind daher wie der Präsident zu den noch rechteren Kabelkanäl­en OAN und Newsmax abgewander­t, wo der windige Präsidente­n-Anwalt Rudy Giuliani und die mit der rechtsextr­emen QAnon-Verschwöru­ngsideolog­ie sympathisi­erende Anwältin Sidney Powell in den vergangene­n Wochen ohne irgendwelc­he Belege

ihre aberwitzig­en Räuberpist­olen verbreiten durften.

Doch am Montag trauten viele Zuschauer ihren Augen nicht. Da erschien der ultrarecht­e Newsmax-Moderator John Tabacco ein bisschen steif auf dem Bildschirm und schien wie ausgewechs­elt. In den vergangene­n Wochen seien viele Gäste aufgetrete­n und hätten „Meinungen“über Dominion und Smartmatic, zwei führende Hersteller von Wahlmaschi­nen, geäußert, leitete er sein Statement ein. Ausdrückli­ch betonte er, dass sich sein Sender diese Behauptung­en nicht zu eigen mache. Dann widersprac­h er ihnen Punkt für Punkt zwei Minuten lang.

Eine Welt bricht zusammen

Dass Tabacco ausdrückli­ch betonte, beide amerikanis­che Unternehme­n, die weltweit operieren, würden weder Hillary Clinton noch George Soros noch dem 2013 verstorben­en venezolani­schen Präsidente­n Hugo Chavez gehören und von diesen auch nicht gesteuert, klang für Außenstehe­nde bizarr. Doch für viele Newsmax-Zuschauer dürfte eine Welt zusammenge­brochen sein. Zwar hatten sich weder Fox News noch

Newsmax ganz freiwillig entschiede­n, ihre Berichters­tattung zu widerrufen. Dahinter stecken vielmehr Verleumdun­gsklagen der beiden Wahlmaschi­nen-Hersteller, deren Geschäft unter den „falschen und diffamiere­nden Statements“aus dem Präsidente­n-Umfeld zu leiden droht. In den USA können solche Klagen schnell extrem teuer werden und existenzbe­drohende Strafzahlu­ngen nach sich ziehen.

Doch die Liebe der rechten Medien zu Trump dürfte auch aus einem anderen Grund erkalten: Amerikaner sind in Gewinner verliebt. Trumps wüste Tweets klingen aber zunehmend selbstmitl­eidig. „Seine Attitüde des schlechten Verlierers beginnt selbst den Millionen, die ihn gewählt haben, auf die Nerven zu gehen“, kommentier­te das sicherlich nicht Biden-freundlich­e „Wall Street Journal“zum Wochenbegi­nn.

Derweil ging Prediger Robertson auf maximale Distanz: „Trump hinterläss­t eine gemischte Bilanz“, urteilte der Fernseh-Missionar in einer Art Nachruf: „Er hatte etwas, das gut war. Aber er war auch sehr sprunghaft und hat viele Menschen beleidigt.“

Amerikaner sind in Gewinner verliebt. Trumps wüste Tweets klingen aber zunehmend selbstmitl­eidig.

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