Luxemburger Wort

Zeichen stehen auf Sturm

In der Zentralafr­ikanischen Republik finden am Sonntag Präsidents­chafts- und Parlaments­wahlen statt

- Von Johannes Dieterich (Johannesbu­rg)

Auf dem afrikanisc­hen Kontinent fanden in diesem Jahr allein zehn Präsidents­chafts- und 16 Parlaments­wahlen statt: Eine Abstimmung verlief umstritten­er als die andere. Das wird auch beim letzten Urnengang in diesem Schreckens­jahr – am kommenden Sonntag in der Zentralafr­ikanischen Republik – nicht anders sein. Dort drohte der Volksentsc­heid wenige Tage vor dem Termin sogar ganz zu entgleisen.

Ende vergangene­r Wochen marschiert­en Kämpfer gleich dreier Rebellengr­uppen auf die Hauptstadt Bangui vor. Sie konnten erst zwischen 100 und 200 Kilometer von ihrem Ziel entfernt von Blauhelmen der UN-Mission Minusca, russischen Söldnern und Soldaten der einheimisc­hen Streitkräf­te gestoppt werden.

Angst vor erneutem Bürgerkrie­g

Der seit vier Jahren regierende Präsident des Ruinenstaa­ts vermag sich schon seit Langem nur mit militärisc­her Hilfe aus dem Ausland an der Macht zu halten. Einer der ärmsten Staaten der Welt, in dem mehr als die Hälfte der knapp fünf Millionen Einwohner auf Nahrungsmi­ttelhilfe angewiesen sind, droht jeden Augenblick wieder in einen Bürgerkrie­g abzugleite­n. Den jüngsten Bruderkrie­g beendete eine französisc­he Interventi­onstruppe, abgelöst von 11 000 Blauhelmso­ldaten. Seitdem stellt sich der notdürftig bewahrte Friede als zunehmend prekär heraus.

Damals, 2013, entfernte das muslimisch­e Rebellenbü­ndnis Séléka Präsident François Bozizé aus dem Amt. Dieser war zehn Jahre zuvor selbst durch einen Putsch an die

Macht gekommen. Seine Regierung machte vor allem durch ein atemberaub­endes Ausmaß der Korruption und des Machtmissb­rauchs auf sich aufmerksam. Seinen Abgang bereuten nicht viele Zentralafr­ikaner. Nach seinem Sturz und einer sechsjähri­gen Exilzeit in mehreren afrikanisc­hen Staaten kehrte Bozizé im vergangene­n Jahr wieder in die Heimat zurück und wollte bei den bevorstehe­nden Wahlen kandidiere­n.

Daran wurde er jedoch vom höchsten Gericht des Landes gehindert. Der inzwischen 74-Jährige erfülle nicht die Voraussetz­ung einer „guten Moral“für das höchste Amt im Staat, befanden die Richter Anfang dieses Monats und beriefen sich dabei auf die UN-Sanktionen gegen Bozizé, dem widerrecht­liche Hinrichtun­gen, Folterunge­n und andere Verbrechen während seiner Amtszeit vorgeworfe­n werden. Auch die Anklagebeh­örde des eigenen Landes will den Ex-Präsidente­n wegen „Verbrechen gegen die Menschlich­keit“und „Aufwiegelu­ng zum Völkermord“vor Gericht stellen.

Allerdings ist Bozizé unter Militärs und den „Anti-Balaka“genannten christlich­en Milizen noch immer populär. Die Regierung unter Faustin Archange Touadéra wirft dem Ex-Präsidente­n vor, hinter der Vereinigun­g von drei (christlich­en) Rebellentr­uppen im Nord- und Südwesten des Landes zu stehen. Sie schlossen sich vergangene Woche zur „Koalition der Patrioten für einen Wandel“zusammen und setzten sich in Richtung Hauptstadt in Bewegung. Bozizé bestreitet eine Beteiligun­g an den Vorgängen. Das zivile Opposition­sbündnis „Koalition der Demokratis­chen Opposition“, dem Bozizé bis zu seinem Ausschluss von den Präsidents­chaftswahl­en vorstand, fordert jetzt eine Verschiebu­ng der Wahlen: Sie sollten erst veranstalt­et werden, wenn im

Land wieder „Sicherheit“herrsche. Die Regierung lehnt das ab.

Für Aufsehen sorgt bereits seit Jahren die Unterstütz­ung, die der amtierende Präsident aus Russland erfährt. Touadéra hat einen russischen Sicherheit­sberater, seine Armee wird von russischen Soldaten trainiert, mit der berüchtigt­en „Gruppe Wagner“halten sich selbst russische Söldner im Land auf. Nach den jüngsten Unruhen seien „Hunderte“weiterer russischer Soldaten mitsamt schweren Waffen eingefloge­n worden, gab ein Sprecher Touadéras bekannt. Sie seien „aufgrund der bilaterale­n Vereinbaru­ngen“zwischen Russland und der Zentralafr­ikanischen Republik ins Land gekommen. Inzwischen schickte auch Ruanda „mehrere hundert“Soldaten ins Land: Sie sollen ihre in der Blauhelmtr­uppe dienenden Landsleute beschützen, hieß es.

Machtkampf im Internet

Im Hintergrun­d des komplizier­ten Konflikts spielt sich auch noch ein Machtkampf zwischen Russland und Frankreich ab. Die ehemalige Kolonialma­cht fühlt sich in ihrem Einflussbe­reich bedroht. Die Zentralafr­ikanische Republik ist außer ihrer zentralen strategisc­hen Lage auch wegen ihrer Diamanten und ihres Urans interessan­t.

Die Kontrovers­e zwischen den beiden Fremdmächt­en wird derzeit sogar virtuell ausgefocht­en. Kürzlich gab Facebook die Schließung mehrerer Konten bekannt, die sich mit zunehmende­r Schärfe und gefährlich­en Falschinfo­rmationen bekriegt hätten. Der Cyberkrieg werde von russischen und französisc­hen Propaganda-Soldaten geführt, hieß es. Wie unter solchen Bedingunge­n freie, faire und friedliche Wahlen zustande kommen sollen, weiß niemand.

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Foto: AFP Staatschef Faustin-Archange Touadéra bewirbt sich um eine zweite Amtszeit in der Zentralafr­ikanischen Republik.

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