Warten auf die Rache für Qassem Soleimani
Nach erneuten iranischen Vergeltungsdrohungen schicken die USA erstmals seit acht Jahren ein Lenkwaffen-U-Boot in den Persischen Golf
Mehr als einen Monat war Ali Chamenei nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen worden. Der iranische Revolutionsführer sei schwer erkrankt. Hinter den Kulissen, hieß es in Teheran, würden bereits die Weichen für seine Nachfolge gestellt. Als der oberste Geistliche der Islamischen Republik am vergangenen Donnerstag die Angehörigen des von den USA getöteten Generals Qassem Soleimani empfing, präsentierte er sich zumindest entschlossen.
USA reagieren nervös
„Seine Mörder werden ganz bestimmt bestraft werden“, drohte Chamenei. „Und diese Rache kommt sicherlich zum richtigen Zeitpunkt.“Der liegt womöglich nicht fern. Denn am kommenden 3. Januar wird es genau ein Jahr her sein, seitdem der maßgebliche Architekt der iranischen Regionalpolitik am Flughafen von Bagdad von einer amerikanischen
Hellfire-Rakete in Stücke gerissen wurde. Entsprechend nervös reagieren die Amerikaner.
Nachdem in den vergangenen fünf Wochen gleich zweimal B 52Langstreckenbomber über dem Persischen Golf gekreist waren, folgte am Montag dieser Woche eine weitere Machtdemonstration. Von Kriegsschiffen der 6. US-Flotte begleitet, durchquerte das mit bis zu 154 Tomahawk-Marschflugkörpern bewaffnete LenkwaffenU-Boot „USS Georgia“die Straße von Hormus.
Normalerweise geben die USA die Standorte ihrer atomgetriebenen U-Boote nicht bekannt, machten dieses Mal aber eine Ausnahme. Mit der erstmals seit acht Jahren erfolgten Verlegung des Unterseebootes in den Persischen Golf demonstriere man „die Fähigkeit überall dort zu operieren, wo es das internationale Recht erlaubt“, hieß es in einer Erklärung der USMarine, mit deren „Macht man jetzt rechnen müsse“. Mit „man“war Iran gemeint.
Auch der Kommandant der amerikanischen Zentralkommandos Centcom, General Kenneth McKenzie, befindet sich seit einigen Tagen im Mittleren Osten. Der genaue Ort wird aus Sicherheitsgründen nicht bekannt gegeben. Vermutlich hält er sich im Irak auf, wo am vergangenen Sonntag die US-Botschaft in Bagdad mit mindestens neun Kurzstreckenraketen angegriffen wurde. Die vermutlich von pro-iranischen Schiitenmilizen abgefeuerten Projektile sollen nur geringe Schäden angerichtet haben.
Tatenlos dürften die USA derartigen Angriffen aber auf Dauer nicht zusehen. Vor einem Jahr hatte Washington die wiederholten Attacken auf seine zivilen und militärischen Einrichtungen im Irak zunächst hingenommen, ehe man sich dazu entschloss, den mutmaßlichen „Erfinder“der asymmetrischen Kriegsführung Teherans, General Qassem Soleimani, zu töten.
Wann und wo die vom Revolutionsführer angedrohten Vergeltungsaktionen durchgeführt werden, ist nicht genau vorauszusagen. Der Druck auf das iranische Regime, den vielen Racheschwüren endlich Taten folgen zu lassen, ist jedoch gewaltig. Einen Krieg gegen die USA werde die iranische Führung nicht riskieren, analysiert Adnan Tabatabai, der Geschäftsführer des Bonner Mittelost-Thinktanks Carpo.
Bei ihren Vorbereitungen für Vergeltungsaktionen würden die iranischen Revolutionsgardisten sehr genau darauf achten, „sich nicht in Kampfhandlungen ziehen zu lassen, die man nicht gewinnen kann“. Abzuwarten bleibt auch, ob der in einem Monat bevorstehende Amtsantritt des neuen US-Präsidenten in den strategischen Überlegungen des Iran eine Rolle spielt. Spekulationen über eine Wiederannäherung an die USA gibt es in Teheran reichlich. Ausgelöst wurden sie durch die Reise von Vize-Außenminister Abbas Araghchi am 14. Dezember nach Oman, wo er, so die offizielle Version, an den „gemeinsamen strategischen Konsultationen zwischen Oman und Iran“teilnahm.
Oman als möglicher Vermittler
Das Sultanat pflegt sowohl zum Iran als auch zu den USA gute Beziehungen und hatte schon mehrfach zwischen den beiden verfeindeten Ländern vermittelt. Auch dem von US-Präsident Donald Trump gekündigten Atomvertrag mit Iran, zu dem der künftige Präsident Joe Biden zurückkehren will, waren im Jahr 2014 von Oman arrangierte Geheimverhandlungen zwischen Washington und Teheran vorausgegangen.
Spekulationen über eine Wiederannäherung an die USA gibt es in Teheran reichlich.