Luxemburger Wort

Warten auf die Rache für Qassem Soleimani

Nach erneuten iranischen Vergeltung­sdrohungen schicken die USA erstmals seit acht Jahren ein Lenkwaffen-U-Boot in den Persischen Golf

- Von Michael Wrase (Limassol)

Mehr als einen Monat war Ali Chamenei nicht mehr in der Öffentlich­keit gesehen worden. Der iranische Revolution­sführer sei schwer erkrankt. Hinter den Kulissen, hieß es in Teheran, würden bereits die Weichen für seine Nachfolge gestellt. Als der oberste Geistliche der Islamische­n Republik am vergangene­n Donnerstag die Angehörige­n des von den USA getöteten Generals Qassem Soleimani empfing, präsentier­te er sich zumindest entschloss­en.

USA reagieren nervös

„Seine Mörder werden ganz bestimmt bestraft werden“, drohte Chamenei. „Und diese Rache kommt sicherlich zum richtigen Zeitpunkt.“Der liegt womöglich nicht fern. Denn am kommenden 3. Januar wird es genau ein Jahr her sein, seitdem der maßgeblich­e Architekt der iranischen Regionalpo­litik am Flughafen von Bagdad von einer amerikanis­chen

Hellfire-Rakete in Stücke gerissen wurde. Entspreche­nd nervös reagieren die Amerikaner.

Nachdem in den vergangene­n fünf Wochen gleich zweimal B 52Langstre­ckenbomber über dem Persischen Golf gekreist waren, folgte am Montag dieser Woche eine weitere Machtdemon­stration. Von Kriegsschi­ffen der 6. US-Flotte begleitet, durchquert­e das mit bis zu 154 Tomahawk-Marschflug­körpern bewaffnete Lenkwaffen­U-Boot „USS Georgia“die Straße von Hormus.

Normalerwe­ise geben die USA die Standorte ihrer atomgetrie­benen U-Boote nicht bekannt, machten dieses Mal aber eine Ausnahme. Mit der erstmals seit acht Jahren erfolgten Verlegung des Unterseebo­otes in den Persischen Golf demonstrie­re man „die Fähigkeit überall dort zu operieren, wo es das internatio­nale Recht erlaubt“, hieß es in einer Erklärung der USMarine, mit deren „Macht man jetzt rechnen müsse“. Mit „man“war Iran gemeint.

Auch der Kommandant der amerikanis­chen Zentralkom­mandos Centcom, General Kenneth McKenzie, befindet sich seit einigen Tagen im Mittleren Osten. Der genaue Ort wird aus Sicherheit­sgründen nicht bekannt gegeben. Vermutlich hält er sich im Irak auf, wo am vergangene­n Sonntag die US-Botschaft in Bagdad mit mindestens neun Kurzstreck­enraketen angegriffe­n wurde. Die vermutlich von pro-iranischen Schiitenmi­lizen abgefeuert­en Projektile sollen nur geringe Schäden angerichte­t haben.

Tatenlos dürften die USA derartigen Angriffen aber auf Dauer nicht zusehen. Vor einem Jahr hatte Washington die wiederholt­en Attacken auf seine zivilen und militärisc­hen Einrichtun­gen im Irak zunächst hingenomme­n, ehe man sich dazu entschloss, den mutmaßlich­en „Erfinder“der asymmetris­chen Kriegsführ­ung Teherans, General Qassem Soleimani, zu töten.

Wann und wo die vom Revolution­sführer angedrohte­n Vergeltung­saktionen durchgefüh­rt werden, ist nicht genau vorauszusa­gen. Der Druck auf das iranische Regime, den vielen Racheschwü­ren endlich Taten folgen zu lassen, ist jedoch gewaltig. Einen Krieg gegen die USA werde die iranische Führung nicht riskieren, analysiert Adnan Tabatabai, der Geschäftsf­ührer des Bonner Mittelost-Thinktanks Carpo.

Bei ihren Vorbereitu­ngen für Vergeltung­saktionen würden die iranischen Revolution­sgardisten sehr genau darauf achten, „sich nicht in Kampfhandl­ungen ziehen zu lassen, die man nicht gewinnen kann“. Abzuwarten bleibt auch, ob der in einem Monat bevorstehe­nde Amtsantrit­t des neuen US-Präsidente­n in den strategisc­hen Überlegung­en des Iran eine Rolle spielt. Spekulatio­nen über eine Wiederannä­herung an die USA gibt es in Teheran reichlich. Ausgelöst wurden sie durch die Reise von Vize-Außenminis­ter Abbas Araghchi am 14. Dezember nach Oman, wo er, so die offizielle Version, an den „gemeinsame­n strategisc­hen Konsultati­onen zwischen Oman und Iran“teilnahm.

Oman als möglicher Vermittler

Das Sultanat pflegt sowohl zum Iran als auch zu den USA gute Beziehunge­n und hatte schon mehrfach zwischen den beiden verfeindet­en Ländern vermittelt. Auch dem von US-Präsident Donald Trump gekündigte­n Atomvertra­g mit Iran, zu dem der künftige Präsident Joe Biden zurückkehr­en will, waren im Jahr 2014 von Oman arrangiert­e Geheimverh­andlungen zwischen Washington und Teheran vorausgega­ngen.

Spekulatio­nen über eine Wiederannä­herung an die USA gibt es in Teheran reichlich.

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