Zwischen Frust und Verständnis
Nach der Ankündigung der neuen Corona-Maßnahmen: Geschäfte, Friseursalons und Co. bereiten sich auf die Schließung vor
Viele Geschäfte müssen schließen, die Regelung für die nächtliche Ausgangssperre wird strenger und Anfang Januar dürfen sich alle Schulen auf Homeschooling einstellen – was in vielen Ländern Europas schon seit vielen Wochen Alltag ist, kommt nun auch auf Luxemburg zu: Am 26. Dezember fängt im Großherzogtum der in diesem Jahr bereits zweite „harte“Lockdown an. Gestattet ist bis zum 10. Januar lediglich der Verkauf von sogenannten „lebensnotwendigen“Waren (siehe Kasten).
„Wir haben solche Maßnahmen schon erwartet“, sagt Nicolas Henckes, Direktor der „Confédération luxembourgeoise du commerce“(clc). In den vergangenen Tagen habe der Luxemburger Handelsverband den Kontakt mit der Regierung gesucht und eine Verschärfung der bereits bestehenden Corona-Maßnahmen vorgeschlagen. „Alles, um die Schließung zu vermeiden“, erklärt Henckes. „Die Regierung hat nicht auf uns gehört.“Nun befürchtet der Direktor des Handelsverbandes schwerwiegende Folgen für viele Betriebe. „Dieser zweite Lockdown wird – trotz Corona-Hilfen – viel Schaden anrichten“, warnt er. Schon mehrmals hat Henckes in den vergangenen Monaten darauf hingewiesen, dass ein zweiter Lockdown für viele Geschäfte das Aus bedeuten würde. Mittlerweile seien die Reserven aufgebraucht, viele Geschäfte stehen mit dem Rücken zur Wand.
„Gesundheit geht vor“
Unter den Geschäftsleuten macht sich derweil eine gewisse Resignation breit. „Wie beim ersten Lockdown werden wir versuchen, die Situation so gut es geht zu überstehen“, sagt Nadine Berend. Sie ist Inhaberin des Modegeschäfts „Boutique Richy“in LuxemburgStadt. „Es nützt nichts, sich aufzuregen“, erklärt sie. „Wir haben die bisherigen Corona-Beschränkungen überlebt, wir werden auch den zweiten Lockdown überleben. Ich bin fest davon überzeugt, das wir das schaffen.“Natürlich „sind wir nicht froh darüber, dass die Regierung zu strengeren Maßnahmen greifen muss“, so auch die Geschäftsleitung von Chaussea in Foetz. „Aber wie schon seit Beginn der Krise haben wir Verständnis dafür, dass solche Beschränkungen zum Schutz der Gesundheit getroffen werden“, heißt es beim Schuhgeschäft. „Wir hätten das Jahr 2021 gerne im Normalzustand angefangen, nicht im Schreckensszenario 2020, aber daran lässt sich nichts ändern. Gesundheit geht vor – auch beim zweiten Lockdown.“
Besonders hart für die kleinen Geschäfte ist die Tatsache, dass sie gerade im Zeitraum nach Weihnachten ihre Türen schließen müssen. „Das sind besonders umsatzkräftige Wochen“, erklärt Nicolas Henckes. In diese Zeit fallen ja unter normalen Umständen die „Solden“– aktuell wird auf Regierungsebene überprüft, wann der Schlussverkauf stattfinden soll. „Das Weihnachtsgeschäft und die anschließenden ,Solden‘ machen einen großen Teil des Jahresumsatzes aus.“
Dieser zweite Lockdown wird viel Schaden anrichten. Nicolas Henckes, clc
Schnelle Umsetzung
Um die kommenden schwierigen Wochen zu überwinden, steigen viele Geschäfte wieder auf den Verkauf im Internet um. Beispiel Boutique Richy: Wie im Frühjahr plant Nadine Berend, ihre Waren über digitale Kanäle anzubieten. Die Erfahrung zeigt: „Das hat gut funktioniert. Wir haben viel Solidarität unter den Menschen gespürt. Unsere Stammkunden sind uns in diesen schwierigen Zeiten treu geblieben und wir haben viele neue Kunden gewonnen.“Die Geschäftsfrau geht davon aus, dass sich die Menschen auch beim zweiten Lockdown solidarisch zeigen werden. Natürlich müsse man mit weniger Umsatz rechnen, aber es dürfte reichen, um finanziell über die Runden zu kommen.
Darüber hinaus ist die Situation für kleinere Geschäfte dieses Mal „fairer“, wie es einstimmig heißt. Der Grund: Anders als beim ersten Lockdown müssen sich nämlich auch Großsupermärkte auf den Verkauf der „lebensnotwendigen“Waren beschränken. „Wir hoffen, dass das dann auch so sein wird. Das wäre gegenüber den kleinen Geschäften zumindest etwas gerechter“, sagt Nadine Berend. Seit Ankündigung der strengeren Corona-Maßnahmen wird deshalb bei Cactus an der Umsetzung der neuen Regelungen gearbeitet. Gestern fand ein Treffen der Vertreter der großen Supermarktketten statt, wie der Geschäftsführer Laurent Schonckert erklärt. „Es wurde geklärt, welche Produkte noch verkauft werden dürfen und welche nicht.“Alle wollen sich an „eine sehr strenge Auslegung“der von der Regierung vorgelegten Produktliste halten, so Schonckert.
Von den Beschränkungen sind besonders die Standorte von Cactus in Niederkerschen und Bartringen betroffen. Für die Umsetzung der Maßnahmen bleibt nicht viel Zeit: An den Weihnachtstagen sind die Supermärkte geschlossen. „Es ist relativ einfach, die betroffenen Zonen abzusperren“, erklärt der Cactus-Geschäftsführer die Strategie. Konkret soll der Zugang zu Fahrrädern, Fernsehgeräten und Co. durch Plastikfolien gesperrt werden.
Arbeit unter Hochdruck
Neben den Geschäften sind allerdings auch andere Stellen, die Kunden auf täglicher Basis empfangen, von der Verschärfung der Corona-Beschränkungen betroffen. Die Automobil-Branche bereitet sich beispielsweise auf die Schließung der Showrooms vor, wie eine gestern veröffentlichte Mitteilung der „Fédération de la distribution automobile et da la mobilité“(Fedamo) zeigt. Der Luxemburger Händlerverband weist unter anderem darauf hin, dass anders als die Ausstellungsräume die Werkstätten nach Weihnachten offen bleiben und die Lieferung von Autoteilen weiterhin möglich ist.
Auch Friseursalons müssen sich mit der aktuellen Situation abfinden. „Ich verstehe nicht, warum wir ein weiteres Mal die Türen schließen müssen“, erklärt Luc Olinger, Inhaber des Friseursalons Tendrelle in Esch/Alzette. Es gebe keinerlei Belege dafür, dass das Ansteckungsrisiko in Friseursalons besonders hoch sei. „Was dagegen auf der Hand liegt: Viele
Menschen sind in den vergangenen Wochen in den großen Einkaufszentren unterwegs gewesen und haben sich dort nicht an die Abstandsregeln gehalten. Und wir müssen jetzt die Folgen davon ausbaden.“
Für seine Branche sei der Zeitpunkt der Schließung allerdings nicht dramatisch. „Das Weihnachtsgeschäft läuft sowieso nicht gut, Silvester fällt aus – es finden keine Events statt.“Aktuell würden die Friseure unter Druck stehen, weil sich jeder noch schnell die Haare schneiden lassen will. „Das ist keine Situation, die uns entgegenkommt, da wir immer noch auf die Zahl der Kunden und die Hygiene- und Abstandsregeln aufpassen müssen“, erklärt er. Die Folge: Der Arbeitsplan musste kurzfristig erneut angepasst werden. „Wir haben zwar mehr Zeit als nach der Ankündigung des ersten Lockdowns, aber es sind trotzdem nur drei Tage, das ist nicht viel.“Mit Spannung erwartet Olinger die Zeit nach dem Lockdown. „Wir hoffen, dass die Maßnahmen nach dem 10. Januar endgültig aufgehoben werden.“
Während des ersten Lockdowns haben wir viel Solidarität unter den Menschen gespürt. Nadine Berend, Boutique Richy