Zeiten ohne Drehbuch
Hinter der Gemeinde Ettelbrück liegt ein Jahr voller Unwägbarkeiten, und vor ihr vermutlich ebenfalls
Ettelbrück. Die gesunde Finanzlage der Gemeinde nutzen, um – mithilfe einer tragbaren Neuverschuldung – in allen Bereichen in die wesentlichen Prioritäten zu investieren und so die Attraktivität und die Lebensqualität vor Ort weiter zu festigen: So lautet die Strategie des CSV/LSAP-Schöffenrats in Ettelbrück im Hinblick auf das kommende Jahr.
Ein Jahr, das wohl noch auf absehbare Zeit von der Corona-Pandemie und ihren Folgen geprägt bleiben wird, wie Bürgermeister Jean-Paul Schaaf (CSV) dieser Tage im Zuge der Budgetdebatten meinte. Finanziell gesehen dürfte es gar bis 2023 dauern, bis die eingebrochenen staatlichen Zuwendungen an die Kommunen wieder das Niveau von 2019 erreichten.
Trotz der zu verkraftenden Mindereinnahmen stehe Ettelbrück aber weiterhin gut da, so Schaaf. Immerhin könne man im Budgetentwurf für 2021 dank intensiver Bemühungen und einem zwei Millionen Euro umfassenden Griffs in die Reserven mit einem Überschuss von knapp neun Millionen Euro im ordentlichen Haushalt rechnen, der die laufenden Einnahmen und Ausgaben verzeichnet und so gemeinhin als Rückgrat der Gemeindefinanzen gilt.
Bau eines Grundschulkomplexes in Warken winkt am Horizont
Dennoch komme man wohl nicht daran vorbei, nach acht Millionen Euro in 2020, auch im kommenden Jahr nochmals eine Anleihe zu tätigen, um die laufenden, und teils durch die Corona-Krise verschleppten Vorhaben fertigzustellen und neue Projekte anzugehen, so Finanzschöffe Bob Steichen (LSAP).
Selbst bei der mehr als unwahrscheinlichen Ziehung der gesamten im Budget eingetragenen Anleihesumme von 11,5 Millionen Euro würde die Gemeinde aber weiter handlungsfähig bleiben, so Steichen, der nichtsdestotrotz zur Weitsicht mahnte. Mit der Schaffung eines zusätzlichen Grundschulstandorts in Warken winkt immerhin ein echtes Mammutprojekt am Horizont. Während es hier 2021 vorerst noch bei Studien und Planungsarbeit bleibt, werden die Ärmel andernorts aber schon hochgekrempelt.
So etwa im Bereich der Place Marie Adelaïde (Maartplaz), wo ab Jahresbeginn zunächst die Fußgängerbrücke hinüber zum Deichgelände komplett erneuert wird, ehe man sich nach der Sommersaison der Neugestaltung des Platzes selbst widmen will, wo unter anderem ein Spielplatz und ein Pavillon entstehen sollen. Gleich nebenan soll derweil bis zum März das neue Parkhaus im Deich in Betrieb gehen, das in der Folge – und unter Einbeziehung von Schülern aus dem örtlichen Lycée technique – auch mit einer Fotovoltaikanlage ausgestattet wird.
Hohe Investitionen stehen zudem noch mit Blick auf mehrere Gebäude an, die die Gemeinde in der jüngeren Vergangenheit zur Umsetzung diverser Vorhaben erworben hatte. Darunter allen voran das ehemalige Hôtel Central an der Rue de Bastogne, wo neben sozialem Wohnraum auch ein Restaurant im Erdgeschoss eingerichtet werden soll.
Der Erhalt einer Dorfkneipe als gesellschaftliche Begegnungsstätte ist gleichfalls das Ziel bei der Beteiligung am Umbau des ehemaligen Café Kaell in Warken zur Wohnstruktur. Und auch mit dem Kauf mehrerer Gebäude in der Grand-Rue will die Gemeinde attraktive Geschäftsflächen zur weiteren Stärkung des Einzelhandelsund Nahversorgungsangebots im Stadtkern schaffen.
In Sachen Straßenbau richten sich die Blicke indes weiter auf die Neugestaltung des Bahnhofsviertels sowie auf die Rue Tony Schmit und die Rue J. A. Zinnen, die beide ebenfalls komplett saniert werden.
Opposition vermisst Transparenz und klare Gesamtkonzepte
Zu den weiteren Prioritäten im Budget zählen daneben auch noch die Erarbeitung neuer Besucherkonzepte für die alte Synagoge und das Pattonmuseum, die Fertigstellung des neuen Scoutschalets, der Bau eines Hangars in der Industriezone für die Zwecke der lokalen Beschäftigungsinitiative Projet Arcade oder auch die Umsetzung weiterer Stadtverschönerungmaßnahmen mit dem Ettelbruck City Tourist Office (ECTO).
Während die Räte Mireille Reuter-Schmit (CSV) und Jairo Delgado (LSAP) ihrem Schöffenrat erwartungsgemäß eine vorbildliche Führungsarbeit bescheinigten, warfen die Räte Jean-Pierre Gutenkauf (DP) und Christof Theis (Déi Gréng) einen weitaus kritischeren Blick auf die Politik der Mehrheit. Beide monierten dabei vor allem einen Mangel an Transparenz sowie einer klaren Linie hinter mancherlei Projekten.
Weder sei klar, welche Vorstellungen der Schöffenrat für die Zukunft des Campings Kalkesdelt hege, noch wie die Rollenaufteilung zwischen der Gemeinde und dem Tourist Office künftig aussehen soll. Dabei sei eine gute Kommunikation unerlässlich, um bei wichtigen Vorhaben – wie etwa den Fusionsbestrebungen auf Nordstad-Ebene – auf Vertrauen bei den Bürgern zu stoßen, so Rat Jean-Pierre Gutenkauf.
Den Vorwurf fehlender Gesamtkonzepte suchte Rat Christof Theis derweil am Beispiel kommunaler Investitionen im Horesca-Sektor zu verdeutlichen. Einerseits wolle man dem Gastgewerbe der Stadt attraktive Rahmenbedingungen verschaffen, andererseits laufe man mit Vorhaben wie im Hotel Central oder im Café Kaell Gefahr, gerade diesen selbst Konkurrenz zu machen. Des Weiteren kritisierten sowohl DP als auch Déi
Gréng die immer noch ausstehende Umsetzung eines kohärenten Radwegekonzepts sowie allzu überschaubare Ambitionen in Sachen Klimaschutz.
Bürgermeister Jean-Paul Schaaf wies indes darauf hin, dass die Verwirklichung eines sinnvollen und sicheren Radwegenetzes vielerorts an die Entlastung der innerörtlichen Verkehrsachsen, allen voran durch den sehnlichst erwarteten Bau einer Umgehungsstraße in Richtung Feulen, gebunden sei. Dennoch werde die Neugestaltung des Bahnhofsviertels in dieser Hinsicht schon Fortschritte ermöglichen. Zudem setze man weiterhin wichtige Einzelverbindungen um, wie etwa die Verbindung zwischen der Rue Pierre Wiser und der Avenue Salentiny.
Budgetvorlage mit Stimmen der Mehrheit bewilligt
Mit Blick auf den Campingplatz hätten sich die ursprünglichen Konzeptpläne durch das Auftreten eines potenziellen Investors mittlerweile verändert. Anfang nächsten Jahres hoffe man aber mehr zur künftigen Ausrichtung sagen zu können, so Schaaf, der mit dem Verweis auf die Bemühungen um den Biotopschutz und die Einsetzung des Umweltbeauftragten zudem auf die durchaus vorhandenen Bestrebungen der Gemeinde in Sachen Klimaschutz hinwies. Der Haushaltsentwurf für 2021 wurde abschließend bei den Gegenstimmen von DP und Déi Gréng mehrheitlich bewilligt.