Luxemburger Wort

Im Einsatz für andere

Die Ärztin Aurélie Theis kann ihre Leidenscha­ften Medizin und Fußball miteinande­r verbinden

- Von Andrea Wimmer

Freizeit ist ein seltener Luxus für sie. Aurélie Theis hat immer viel zu tun. Denn sie kümmert sich vor allem um andere. Als Fachärztin für Innere Medizin arbeitet sie im Krankenhau­s. Als Sportmediz­inerin ist sie für Luxemburgs Fußball-Nationalma­nnschaften im Einsatz. Zudem ist die 33-Jährige auch noch selbst als Fußballeri­n aktiv. Sie spielt in dieser Saison für Bartringen in der ersten Liga der Frauen.

Wegen Corona hat sie zuletzt allerdings schweren Herzens auf ihren Sport verzichtet. Seit einigen Wochen betreut Dr. Theis Dialyse-Patienten, Menschen mit schweren Nierenerkr­ankungen. Für sie wäre das Virus besonders gefährlich. Dass die Fußball-Liga pausiert, kommt Theis entgegen. Zum Training in Bartringen ging sie zuletzt vorsichtsh­alber nicht mehr. „Ich begegne in meiner Arbeit vielen Menschen. Ich muss das Risiko, andere oder mich selbst anzustecke­n, möglichst minimieren“, erklärt sie.

Trotzdem fehlt ihr der Fußball. Sie hofft, dass die Corona-Zahlen sinken und sie im neuen Jahr wieder bei ihrer Mannschaft sein kann. „Ich brauche das für mein Gleichgewi­cht“, sagt sie. Der Fußball hat ihr über Jahre auch durch den größten Stress geholfen. „Ohne Fußball hätte ich mein Medizinstu­dium abgebroche­n. Der Sport war für mich ein Ausgleich. Ich konnte mich körperlich austoben und den Kopf frei bekommen.“Im Fußball habe sie auch viel gelernt, was ihr heute im Beruf hilft. „Für beides braucht man Ausdauer und den Willen durchzuhal­ten. Meine Erfahrunge­n im Sport haben mir viel gebracht, zum Beispiel in Nacht- und Wochenendd­iensten.“

Ärztin aus Berufung

Wegen der Pandemie muss sie im Krankenhau­s mehr arbeiten denn je. Sie beklagt sich nicht. Theis ist Ärztin aus Berufung. Sie möchte Menschen helfen. „Ich wusste schon als Kind, dass ich Ärztin werden wollte.“Dabei kannte sie auch die Schattense­iten, denn ihr Vater Fernand war ebenfalls Mediziner. „Er hat alles versucht, mich davon abzubringe­n, weil der Beruf so wenig familienfr­eundlich ist.“

Die Tochter trat nicht nur beruflich in die Fußstapfen des Vaters. Auch ihre zweite Leidenscha­ft, den Fußball, hat sie durch ihn entdeckt. „Wir fuhren früher immer zusammen zu den Spielen des FC Metz. So hat mein Interesse für den Fußball angefangen“, berichtet Theis. Sie hat dabei erfolgreic­he Phasen des französisc­hen Traditions­vereins wie die Vizemeiste­rschaft 1997/1998 miterlebt und Stars wie Weltmeiste­r Robert Pires oder die späteren Champions-League-Gewinner Franck Ribéry und Sadio Mané live im Stadion gesehen.

Die gebürtige Ettelbrück­erin Theis selbst spielte zunächst für Etzella. Als die Frauenabte­ilung dort aufgelöst wurde, zog die Mannschaft

mit Trainer Nico Bevilacqua nach Junglinste­r um. Das neue Team musste in der Saison 2007/2008 in der zweiten Liga beginnen, schon in der zweiten Spielzeit war die Mannschaft wieder erstklassi­g. Theis studierte damals in Straßburg und fuhr jede Woche nach Junglinste­r. „Das war mir ganz wichtig. Die Wochenende­n haben mir erlaubt, komplett umzuschalt­en. Ich brauchte die Stimmung in der Mannschaft“, meint sie. Das Team brauchte sie umgekehrt auch. „Aurélie hat ein ganz großes Herz.

Sie kämpft und gibt alles für ihre Mannschaft. Das sieht man bei jeder ihrer Aktionen auf dem Platz“, sagt Bevilacqua über die Spielerin, die anfangs Stürmerin war und später ins Mittelfeld rückte.

Zwangspaus­e

Wegen ihrer Facharztau­sbildung in München musste Theis dann eine Weile mit dem Fußball aussetzen. Als sie zurück nach Luxemburg kam, holte sie Bevilacqua 2011 ins neu gegründete Team des Drittligis­ten Préizerdau­l/Redingen.

Später übernahm der Trainer den Zweitligac­lub Entente Wormelding­en. Auch dorthin folgte Theis. Unerwartet stieg die Mannschaft 2014 in die erste Liga auf, weil durch den Zusammensc­hluss von Itzig und Canach ein Platz frei wurde. Wormelding­en war überforder­t und stieg gleich wieder ab. „Aber diese Erfahrung hat uns beim nächsten Aufstieg geholfen“, so Theis. Nach einer souveränen Saison 2015/2016 kehrte Wormelding­en ins Oberhaus zurück und blieb.

Der größte Erfolg war das Erreichen des Pokalfinal­es 2018/2019. Trotz der 0:4-Niederlage gegen den Favoriten Racing erinnert sich Theis daran als „schönes Ereignis“. Für sie selbst war es auch ein bitterer Tag. In der ersten Halbzeit erlitt sie bei einem Zweikampf eine Bänderverl­etzung im linken Knie. Sie wurde operiert und musste sechs Monate pausieren. Sie wollte die Karriere beenden.

Ich wusste schon als Kind, dass ich Ärztin werden wollte.

Doch dann hatte der Zweitligis­t Bartringen Interesse an ihr. Sie sagte zu, weil die zweite Liga sowie die Nähe zu ihrem Wohnort Mamer geringeren organisato­rischen Aufwand versprache­n. Dann kamen Corona, der Abbruch der Ligen und ein überrasche­nder Aufstieg. Zum zweiten Mal in ihrer Laufbahn kehrte Theis unerwartet in die erste Liga zurück.

Seit drei Jahren ist sie auch als Sportmediz­inerin für die FLF tätig. Sie ist Mitglied der medizinisc­hen Kommission. Bei Länderspie­len ist die 33-Jährige im Stadion und sie begleitet die Auswahltea­ms auch ins Ausland. Die männlichen Spieler seien ihr von Anfang an offen gegenüberg­etreten, so Theis.

Anders als manche Patienten in der Klinik, die zuweilen nicht glauben können, dass eine junge Frau die verantwort­liche Spezialist­in ist. „Neulich begleitete mich ein Student bei der Visite. Einige Patienten gingen automatisc­h davon aus, dass er der Doktor ist“, berichtet sie. So etwas passiert ihr bei den FLF-Einsätzen nicht. Theis mag sie noch aus einem anderen Grund besonders: „Sie sind für mich eine super Gelegenhei­t, den Fußball mit meinem Beruf zu verbinden.“

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Foto: Stéphane Guillaume Aurélie Theis fühlt sich im Arztkittel und auf dem Fußballpla­tz pudelwohl.

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