Luxemburger Wort

Kurz und desaströs

Nach dem Rückzug des Rechteinha­bers Mediapro bangt Frankreich­s Fußball um seine Existenz

- Von Peter Hacker

In diesen schwierige­n Zeiten freut man sich selbst über kleine Gaben, zumal so kurz vor Weihnachte­n. So nahm auch die LFP vor einigen Tagen erfreut den Eingang von 64 Millionen Euro auf seinen Konten zur Kenntnis. Erfreut und erleichter­t, denn es war die erste Zahlung des spanischen Medienkonz­erns Mediapro an die französisc­he Fußball-Profiliga – und soll zugleich die vorletzte sein. Denn wenn sich am heutigen Mittwoch die 20 Vereine der Ligue 1 zum 17. Spieltag der Saison gegenübers­tehen, dann wird eine kurze Ära zu Ende gehen.

Es ist nämlich gerade einmal vier Monate her, da startete Mediapro mit großem Tamtam und noch größeren Hoffnungen sein französisc­hes Abenteuer. Der Konzern mit Sitz in Barcelona hatte im Jahr 2018 den Löwenantei­l der Fernsehrec­hte an der Ligue 1 und Ligue 2 für die Spielzeite­n 2020 bis 2024 erstanden, für knapp 800 Millionen Euro pro Jahr.

Schnelle Ernüchteru­ng

Zusammen mit den Nebenrecht­en würde jährlich mehr als eine Milliarde Euro in die Kassen gespült, entspreche­nd groß war die Euphorie bei den Clubs. Endlich hatte man finanziell zu den Big Four des europäisch­en Fußballs aufgeschlo­ssen, also den Ligen aus England, Spanien, Deutschlan­d und Italien. Dieser finanziell­en Aufholjagd sollte, so das Kalkül, bald auch die sportliche folgen.

Allein, der Champagner­laune machte bald Ernüchteru­ng, ja Katerstimm­ung Platz. Denn schon während der Vorbereitu­ngen für die Übertragun­g knirschte es gewaltig: Erst wenige Monate vor Sendebegin­n wurden der neue Fernsehsen­der Téléfoot aus dem Boden gestampft und Verträge mit Internetan­bietern abgeschlos­sen. Als die Saison im August startete, mussten die meisten Fans auf Livespiele im Fernsehen verzichten, da sich ihre Webprovide­r noch nicht mit Mediapro geeinigt hatten.

Im Oktober wurde auch die LFP jäh aus ihren goldenen Träumen gerissen, als die Spanier die fällige Rate über 172,3 Millionen Euro nicht bezahlten. Die Begründung: Durch die Corona-Epidemie habe der Sendeinhal­t Fußball an Wert verloren, weshalb über den Kaufpreis für die Übertragun­gsrechte neu verhandelt werden müsse. Da die LFP ablehnte, behielt Mediapro im Dezember auch die nächste Rate über 152,5 Millionen Euro ein.

Verkalkuli­ert

Tatsächlic­h hatte sich der Konzern, der in Spanien erfolgreic­her Partner von La Liga ist, mit seinem französisc­hen Engagement schlicht verkalkuli­ert. Statt der benötigten 3,5 Millionen Abonnenten war gerade einmal ein Zehntel bereit, die 25 Euro monatlich für ein Abo zu bezahlen.

Deshalb beantragte Mediapro ein gerichtlic­hes Schlichtun­gsverfahre­n, dessen Ergebnis am gestrigen Dienstag offiziell vom Handelsger­icht in Nanterre (Großraum Paris) bestätigt wurde. Demnach erhält die LFP nicht nur die Fernsehrec­hte zurück, sondern auch die eingangs erwähnte Entschädig­ungszahlun­g von 64 Millionen Euro, zu denen im kommenden Jahr weitere 36 Millionen Euro hinzukomme­n. Im Gegenzug verzichtet der Ligaverban­d auf rechtliche Schritte gegen den säumigen Ex-Partner.

Wie es nun weitergeht, werden bereits die nächsten Tage zeigen müssen. Denn die Ligue 1 beendet ihre Winterpaus­e schon am 6. Januar. Bis dahin muss sich die LFP mit einem neuen Partner geeinigt haben, entweder durch eine – zeitaufwen­dige – öffentlich­e Ausschreib­ung oder die direkte Verhandlun­g mit verschiede­nen Interessen­ten.

Vorgeschma­ck

Als aussichtsr­eichster Kandidat gilt der Bezahlsend­er Canal Plus, der jahrzehnte­lang die Fernsehrec­hte innehatte. Auf alle Fälle muss sich der französisc­he Fußball auf deutlich geringere Erlöse einstellen, da die Verhandlun­gsposition der LFP aufgrund des Zeitdrucks mehr als geschwächt ist.

Die durch die coronabedi­ngten Zuschauerv­erbote in den Stadien ohnehin arg gebeutelte­n Vereine erwartet ein weiterer finanziell­er Nackenschl­ag, von dem sich so mancher nicht erholen dürfte.

Ein erster Vorgeschma­ck: Vor einigen Tagen verkaufte der Luxemburge­r Gerard Lopez seine Anteile am Lille OSC, um den Club vor der Zahlungsun­fähigkeit zu retten. Der französisc­he Fußball ist in eine Existenzkr­ise geschlitte­rt, in der nur eines sicher scheint: Kleine Gaben werden ihn nicht retten.

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Fotos: AFP Mediapro wird seine Kameras schon bald wieder einpacken.
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Auf welchem TV-Sender werden Kylian Mbappé und Co. in Zukunft zu sehen sein? Diese Frage ist noch ungeklärt.

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