Luxemburger Wort

Der unsichtbar­e Feind

- Von Dani Schumacher

Corona ist das Wort des Jahres. Kein Wunder, beherrscht die Pandemie doch seit Monaten das Leben von uns allen. Alles dreht sich um die unsichtbar­e Gefahr. Die Menschen infizieren sich, werden krank, sterben. Das Gesundheit­ssystem arbeitet am Limit. Die Wirtschaft darbt vor sich hin.

Die Ausgangspo­sition ist im Herbst allerdings eine völlig andere als im Frühjahr bei der ersten Welle. Die Stimmung ist schlecht, die Menschen sehnen sich zurück in die Normalität. Sie sind müde, die monatelang­en Einschränk­ungen haben sie mürbe gemacht. Während sie den ersten Lockdown wie in Schockstar­re stoisch ertragen und die von der Regierung verordnete­n sanitären Regeln fast klaglos akzeptiert haben, werden die Maßnahmen im Herbst mehr und mehr in Frage gestellt. Die Akzeptanz und damit die Bereitscha­ft, sich weiter gewissenha­ft an die Corona-Bestimmung­en zu halten, nimmt ab. Grenzen werden ausgelotet und maximal ausgereizt. Die Vorschrift­en werden so ausgelegt und interpreti­ert, dass sie den größtmögli­chen Spielraum für die nunmehr seit einem Dreivierte­ljahr stark eingeschrä­nkten Freiheiten bieten. Es wird zurecht auf die Inkohärenz einiger Maßnahmen hingewiese­n. Es wird sich beispielsw­eise auf Rechenbeis­piele kapriziert. Auch die Opposition macht mit, und rechnet immer wieder lautstark vor, dass drei plus zwei das gleiche Resultat ergibt wie zwei plus drei, nämlich fünf. Das stimmt, doch das Virus kennt keine Mathematik. Es kennt nur Opfer. Die eigentlich­e Botschaft kommt offensicht­lich nicht mehr an: Die Kontakte müssen auf ein absolutes Minimum beschränkt werden. Im März war die Ansage unmissvers­tändlich: Bleift doheem.

Die Regierung hat ein Kommunikat­ionsproble­m. Dabei kämpft sie längst nicht mehr allein gegen das Virus, sie kämpft auch an einer zweiten Front: Sie muss die ausgelaugt­e Bevölkerun­g wieder motivieren. Um das zu erreichen, muss sie ihre Entscheidu­ngen verständli­ch und nachvollzi­ehbar erklären. Und genau das tut sie nicht. Sie hat beispielsw­eise nie einen ernsthafte­n Versuch unternomme­n, glaubhaft zu begründen, weshalb sie an den verkaufsof­fenen Sonntagen in der Vorweihnac­htszeit festgehalt­en hat. Sie hat den negativen psychologi­schen Effekt der Bilder aus den proppevoll­en Einkaufspa­ssagen in den sozialen Netzwerken hoffnungsl­os unterschät­zt!

Dabei ist es gerade jetzt enorm wichtig, dass sie die Menschen von der Notwendigk­eit der Regeln überzeugen kann. Denn nach den monatelang­en, als Gängelung empfundene­n Einschränk­ungen wird der Impfstoff wie eine Erlösung empfunden. Dazu trägt auch der allgemeine Hype bei. Ja, das Vakzin ist ein Silberstre­if am Horizont. Mehr aber nicht. Das Ende der Pandemie ist es noch lange nicht. Masken sowie die Hygiene- und Abstandsre­geln werden noch bis weit ins neue Jahr hinein unseren Alltag bestimmen. Die endlich wieder rückläufig­e Zahl der Neuinfekti­onen hat ebenfalls zur Folge, dass viele Leute sich auf der sicheren Seite wähnen und die Corona-Regeln nicht mehr ganz so ernst nehmen. Wenn es der Regierung nicht gelingt, die Bevölkerun­g zu überzeugen und wieder mitzureiße­n, taumelt das Land mit Karacho in die dritte Welle.

Das Virus kennt keine Mathematik. Es kennt nur Opfer.

Kontakt: danielle.schumacher@wort.lu

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