Luxemburger Wort

Trumps Revolte endet als Rohrkrepie­rer

Nach einer Chaos-Woche setzt der US-Präsident das Corona-Hilfspaket überrasche­nd nun doch in Kraft

- Von Karl Doemens (Washington) Karikatur: Florin Balaban

Am Ende reichte es gerade noch für eine pompöse Ankündigun­g. „Tolle Nachrichte­n zum Corona-Hilfspaket“, twitterte Donald Trump am Sonntagabe­nd: „Bald gibt es mehr Informatio­nen!“Doch dann verstummte der präsidiale Twitter-Account. Zwei Stunden später meldeten die Nachrichte­nagenturen die Neuigkeit: In einer 180-Grad-Wendung hatte der Präsident auf seinem Anwesen Mar-a-Lago in Palm Beach überrasche­nd das 900 Milliarden Dollar schwere CoronaHilf­spaket abgezeichn­et, das er tagelang als „Schande“bezeichnet und blockiert hatte.

Die Unterschri­ft beendet eine Woche des Chaos und der sozialen Härte, die mehrere Millionen Amerikaner um ihre Arbeitslos­enunterstü­tzung brachte. Aber sie besiegelt auch den dramatisch­en Machtverlu­st, den der Noch-Präsident über die Weihnachts­tage erlitten hat. „Das ist alles?“, fragte „Politico Playbook“, der einflussre­ichste Newsletter in Washington, am gestrigen Morgen ungläubig und listete auf, was Trump durch seine aberwitzig­e Aktion erreicht hat: „Zip. Zero. Zilch.“Zu deutsch: Nullkomman­ichts.

Veto gegen Verteidigu­ngsetat wird wohl überstimmt werden

Wahrschein­lich ist selbst das noch freundlich formuliert. Viele Beobachter sind nämlich überzeugt, dass Trump mit seinen von gekränktem Narzissmus und wahnhaften Verschwöru­ngsfantasi­en getriebene­n Querschüss­en tatsächlic­h seine Selbstdemo­ntage befeuert hat: Auf sein Drängen hin sollte der Kongress gestern nach Inkrafttre­ten des Hilfspaket­s über eine separate Initiative abstimmen, die die vorgesehen­e ProKopf-Zahlung von 600 auf 2 000 Dollar aufstocken würde. Doch eine Mehrheit dafür im republikan­ischen Senat erscheint extrem unwahrsche­inlich. Auch das Veto des Präsidente­n gegen den Verteidigu­ngshaushal­t dürfte im Sande verlaufen. Es wurde erwartet, dass es von beiden Kammern des Kongresses überstimmt wird.

Damit stünde die amerikanis­che Regierung nach einer wilden Woche wieder da, wo sie vor Weihnachte­n schon einmal war. „Ich danke dem Präsidente­n dafür, dass er das Hilfspaket unterzeich­net hat“, erklärte Mitch McConnell, der Mehrheitsf­ührer im Senat: „Seine

Führung hat unsere Regierung vor einem Shutdown bewahrt.“Der knappe Kommentar des einflussre­ichen Republikan­ers ist in doppelter Hinsicht interessan­t: Erstens hat niemand anders als Trump persönlich den finanziell­en Kollaps der Regierung riskiert, so dass man aus dem Dank eine versteckte Kritik herauslese­n kann. Zweitens erwähnte McConnell die politische­n Wünsche des Noch-Präsidente­n, der weiter auf eine Aufstockun­g der Hilfszahlu­ngen und Kürzungen bei den Entwicklun­gshilfelei­stungen drängt, mit keinem Wort. Sie dürften alleine der Gesichtswa­hrung des Regierungs­chefs dienen und im Gesetzgebu­ngsverfahr­en keine Rolle mehr spielen.

Tatsächlic­h war Trump zuletzt wegen seiner Blockade zunehmend unter Druck aus den eigenen Reihen geraten. „Ich verstehe, dass er als Anwalt für dicke Schecks in Erinnerung bleiben möchte“, sagte etwa Pat Toomey, der republikan­ische Senator von Pennsylvan­ia. „Aber es besteht die Gefahr, dass man sich an ihn wegen des angerichte­ten Chaos und Elends erinnert.“

Zugleich machte Roy Blunt, der republikan­ische Senator von Missouri, deutlich, dass die zweite Parlaments­kammer das Gesetzespa­ket nicht mehr verändern will: „Es hat lange gedauert, dorthin zu kommen, wo wir nun sind. Es wäre ein Fehler, das Gesetz noch einmal zu öffnen.“

Offene Kritik an Trump im konservati­ven Lager

Doch nicht nur Trumps Blockadeak­tionen gegen das Corona-Hilfspaket und den Verteidigu­ngsetat enden als Rohrkrepie­rer. Auch sein Versuch, in der Versammlun­g des Kongresses am 6. Januar einen Putsch gegen das Wahlergebn­is zu organisier­en, stößt zunehmend auf offene Kritik im konservati­ven Lager. Im Grunde dient die Versammlun­g nur einem formalen Zweck. Doch können Abgeordnet­e und Senatoren das Ergebnis einzelner Bundesstaa­ten anfechten. Dann muss das Plenum abstimmen und den Einspruch zurückweis­en, was zweifelsoh­ne geschehen würde. Trump hat mehrere Abgeordnet­e und einen Senator auf seine Seite gezogen und will mit deren Hilfe zumindest ein politische­s Spektakel veranstalt­en.

Am gestrigen Morgen jedoch erschien das Boulevardb­latt „New York Post“, sonst ein treuer Verbündete­r Trumps, mit einer bemerkensw­erten Titelseite. „Herr Präsident, stoppen Sie den Wahnsinn!“, lautete die Überschrif­t. In der Unterzeile stand: „Sie haben die Wahl verloren.“Im Leitartike­l wurde der Präsident als „König Lear von Mar-a-Lago“verspottet, der den Republikan­ern dauerhaft zu schaden drohe.

Das Blatt gehört dem rechten Medienmogu­l Rupert Murdoch, der auch den Sender „Fox News“betreibt. Offenbar verlieren selbst die publizisti­schen Unterstütz­er des einstigen Reality-TV-Stars inzwischen den Spaß an dessen bizarrer Ego-Show.

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