Luxemburger Wort

„Den Kapitalism­us abschaffen“

Auch 100 Jahre nach ihrer Gründung bleibt die Kommunisti­sche Partei Luxemburgs ihrem marxistisc­hen Weltbild treu

- Interview: Marc Hoscheid

Am 2. Januar 1921 wurde in Niederkorn die Kommuniste­sch Partei Lëtzebuerg (KPL) gegründet. Rund 100 Jahre später spricht ihr Präsident Ali Ruckert (66) im „Wort“-Interview unter anderem über den Zustand der Partei, die Rolle des Kommunismu­s in der Welt und die Bewältigun­g der Corona-Krise durch die luxemburgi­sche Regierung.

Ali Ruckert, die KPL konnte vorgestern ihren 100. Geburtstag begehen. Über welches Geschenk haben Sie sich denn am meisten gefreut?

Wir haben uns selbst ein Geschenk gemacht. Dort, wo die Partei gegründet wurde, in der Rue de Longwy in Niederkorn, wurde Ende Dezember ein Denkmal mitsamt Plakette errichtet. Das war damals ein wichtiges Ereignis in der Geschichte der Arbeiterbe­wegung und es ist wichtig, dass man daran erinnert.

Es erscheint schon merkwürdig, dass sich eine kommunisti­sche Partei ausgerechn­et im turbokapit­alistische­n Luxemburg 100 Jahre gehalten hat. Kommen Sie sich in diesem Umfeld nicht manchmal wie ein Prediger in der Wüste vor?

Nein, absolut nicht. Die Grundbedin­gungen haben sich nicht geändert. Es ist zwar so, dass die Arbeiterbe­wegung und die Gewerkscha­ften im Laufe der Jahrzehnte viele soziale Verbesseru­ngen durchgeset­zt haben, aber die Gesellscha­ft ist im Grunde noch dieselbe. Die großen Konzerne entscheide­n alles und machen Profite, indem sie die Arbeitskra­ft der Menschen ausbeuten. Das wollen wir grundsätzl­ich ändern, die großen Betriebe sollen den Menschen gehören, die in ihnen arbeiten und keiner kleinen Minderheit von Aktionären, die sich bereichern wollen.

In einem „Wort“-Interview zum 90. Geburtstag der KPL sagten

Sie, dass die Partei rund 400 Mitglieder habe, wie sieht es heute aus?

Wir sind noch in etwa auf demselben Niveau wie vor zehn Jahren.

Damals freuten Sie sich darüber, dass die Partei nach längerer Zeit mal wieder eine Jugendorga­nisation hatte. Existiert die noch?

Ja, die existiert noch. Es ist in der Corona-Zeit aber vor allem für kleine Parteien schwer, sich bemerkbar zu machen. Große Veranstalt­ungen sind ja derzeit verboten. Die Sichtbarke­it einer Partei hängt zudem davon ab, ob sie im Parlament vertreten ist. Wenn man nicht in der Chamber ist, wird man weniger zur Kenntnis genommen. Wir haben zudem auch keine Parteifunk­tionäre, was die Kommunikat­ion zusätzlich erschwert.

Trotzdem hat die KPL eher das Image einer Altherrenp­artei, dabei sagt man im allgemeine­n doch gerade der Jugend nach, eher links und idealistis­ch zu sein. Warum erreichen Sie diese Zielgruppe nicht besser?

Die kann man nur erreichen, wenn man über die nötigen finanziell­en und propagandi­stischen Mittel verfügt. Außer unseren Mitgliedsb­eiträgen und der ein oder anderen kleineren Spende verfügen wir über keine Finanzen.

Bei den Chamberwah­len 2018 erreichte Ihre Partei 1,27 Prozent, ein Minus von 0,33 Prozent im Vergleich zum Jahr 2013. Sie verfügen noch über zwei Gemeindera­tsmandate, eines in Differding­en und eines in Rümelingen, wo die KPL einen Schöffen stellt. Damit sind Sie aber wohl kaum zufrieden, was sind die Ziele für die Kommunal- und Chamberwah­len 2023?

Uns geht es im Moment in erster Linie darum, unsere Alternativ­en mit unseren Mitteln sichtbar zu machen. Es ist natürlich unser Anspruch bei Wahlen Mandate zu erringen, beispielsw­eise in einer großen Gemeinde wie Esch/Alzette, wo wir lange Jahre im Gemeindeun­d sogar im Schöffenra­t vertreten waren. Wir haben bei den vergangene­n Kommunalwa­hlen festgestel­lt, dass wir dort, wo wir im Gemeindera­t vertreten sind, Erfolge erzielen und unsere Resultate verbessern konnten.

Wie sieht es mit einer möglichen Zusammenar­beit oder gar Fusion mit Déi Lénk aus?

Im Moment ist das ausgeschlo­ssen. Wir sind eine marxistisc­he Partei und wollen den Kapitalism­us abschaffen. Die Linken haben sich schon ein Stück weit in das System integriert. Wir sind aber zu punktuelle­r Zusammenar­beit

mit den Linken, den Grünen oder der LSAP bereit, weil es einige Gemeinsamk­eiten bei sozialen und ökologisch­en Punkten gibt.

Sie sind bereits seit 1999 Parteipräs­ident. Klammern Sie sich an Ihren Stuhl oder gibt es einfach keinen geeigneten Nachfolger?

Ich klammere mich nicht an meinen Stuhl. Ich habe mich immer für eine Mandatsbeg­renzung ausgesproc­hen, das hat das Zentralkom­itee aber anders gesehen. Seit dem letzten Kongress haben wir mit Alain Herman und Marceline Waringo zwei Vizepräsid­enten, die sich gut entwickeln und von denen einer zum gegeben Zeitpunkt die Leitung der Partei übernehmen wird.

Wie bewerten Sie eigentlich die weltweite Situation des Kommunismu­s? Gibt es Staaten, die für Luxemburg als Vorbilder dienen könnten?

Wir haben als kommunisti­sche Partei kein Vorbild. Einige Staaten wie China, Kuba und Vietnam befinden sich auf einem sozialisti­schen Entwicklun­gsweg, aber es gibt momentan kein kommunisti­sches Land auf der Welt. Wir inspiriere­n uns an den Entscheidu­ngen, die in den genannten Ländern getroffen werden, aber wir haben auch unseren eigenen luxemburgi­schen Weg. Veränderun­gen müssen auf Traditione­n und dem hiesigen Modell fußen.

Sie haben China, Kuba und Vietnam genannt. Wie bewerten Sie den Umgang mit der Opposition in diesen Ländern, der entspricht nicht gerade demokratis­chen Gepflogenh­eiten, oder?

Es gibt viele demokratis­che Staaten, in denen die kommunisti­sche Partei verboten oder nur teilweise legal ist. Wir haben als KPL auch die Erfahrung gemacht, dass unsere Veranstalt­ungen verboten oder massiv von Polizei und Geheimdien­st gestört wurden. Ich wäre vorsichtig, da von demokratis­chen Verhältnis­sen zu sprechen. Wir treten für politische Meinungs- und Religionsf­reiheit ein. Veränderun­gen können nur Erfolg haben, wenn sie auf einer demokratis­chen Grundlage erkämpft wurden.

Wenn der Kommunismu­s eine derart erstrebens­werte Gesellscha­ftsform ist, warum hat er sich dann nicht schon längst gegen den Kapitalism­us durchgeset­zt?

Der Kommunismu­s hat sich nicht durchgeset­zt, aber einer Reihe kommunisti­scher Parteien ist es durch Revolution­en oder friedliche Prozesse gelingen, an die Macht zu kommen. Der erste große Erfolg war die Oktoberrev­olution in Russland. Es sind jedoch sofort 15 kapitalist­ische Länder in die Sowjetunio­n einmarschi­ert und wollten die Revolution ersticken. Der Blick in die Geschichte zeigt, dass der Kapitalism­us

stets versucht, jede fortschrit­tliche Bewegung zu zerstören. Ein Beispiel stellt das seit Jahrzehnte­n bestehende kriminelle Embargo der USA gegen Kuba. Neben dem Einfluss des Kapitalism­us sind aber auch auf der anderen Seite Fehler gemacht worden, weswegen der erste sozialisti­sche Anlauf gescheiter­t ist. Wir sind aber fest davon überzeugt, dass der Kapitalism­us nicht das Ende der Geschichte ist und es zu einem zweiten Anlauf kommen wird. Es darf nicht sein, dass es auf der Welt immer mehr Arme und Unterdrück­ung gibt und das in kapitalist­ischen Ländern. Es muss Veränderun­gen hin zu mehr Gerechtigk­eit und Frieden geben.

Es gibt momentan kein kommunisti­sches Land auf der Welt.

Die Krise kann nur mit Solidaritä­t überwunden werden.

Fühlen Sie sich durch die Auswirkung­en der Corona-Krise in Ihrer Globalisie­rungskriti­k bestätigt?

Absolut! Die Krise zeigt die Probleme auf, die es bereits zuvor gegeben hat. Bereits ein Jahr vor Ausbruch der Pandemie hat der Konjunktur­abschwung mit mehr Arbeitslos­en eingesetzt. Das ist eine der zyklischen Krisen, ohne die der Kapitalism­us nicht existieren kann. In diesen Zeiten wird massiv Geld zerstört, damit danach wieder aufgebaut werden kann.

Wie hat die luxemburgi­sche Regierung die sanitäre Krise bislang bewältigt?

Einerseits unterstütz­en wir viele der sanitären Maßnahmen. Wir hoffen, dass sich ein Großteil der Menschen so schnell wie möglich impfen lässt. Die Krise kann nur durch Solidaritä­t in der Bevölkerun­g überwunden werden. Anderersei­ts ist diese Regierung mit verantwort­lich für den Abbau, der in den vergangene­n Jahren im Gesundheit­sbereich betrieben wurde. Es ist auch gut, dass einem großen Teil der Betriebe staatlich finanziert­e Kurzarbeit zugestande­n wird. Wir sind aber nicht damit einverstan­den, dass die Betroffene­n nur 80 statt 100 Prozent ihres Lohns erhalten. Die Situation der Geschäftsl­eute ist unter anderem so schwierig, weil die Regierung durch das Ausstellen von Baugenehmi­gungen für große Einkaufsze­ntren die Innenstädt­e hat ausbluten lassen. Wir fordern deswegen ein dreijährig­es Moratorium.

Unabhängig von Corona, wie bewerten Sie die Arbeit der Regierung generell?

Die Regierung setzt nicht die richtigen Prioritäte­n. Die absolute Priorität müsste die Schaffung von sozialem Wohnungsba­u darstellen. Auch im Gesundheit­s- und Pflegewese­n müsste massiv investiert werden. Das Personal sollte um zehn Prozent aufgestock­t und mehr dezentrale Strukturen geschaffen werden.

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Foto: Guy Jallay KPL-Präsident Ali Ruckert plädiert für eine Reduzierun­g der Militäraus­gaben. Das Geld solle lieber in Bildung und soziale Verbesseru­ngen investiert werden.

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