Im Schneckentempo voran
Mehrere EU-Ländern kritisieren angeblich langsamen Impfstart – EU-Kommission: Nicht alles auf eine Karte gesetzt
Rom/Paris/Den Haag. In mehreren EU-Ländern laufen die Impfungen gegen das Corona-Virus nur schleppend an. Eine Woche nach dem symbolischen Auftakt der Corona-Impfungen hat Italien bis Sonntagmorgen offiziell erst etwa 80 000 Dosen an Menschen gespritzt. Nach Behördenangaben verfügt das Mittelmeerland, das bisher rund 75 000 Covid-Opfer registrierte, seit Jahresende über knapp 470 000 Dosen des Impfstoffs der Unternehmen Pfizer und Biontech. Nach dem Auftakt der Immunisierungskampagne vom Sonntag vor einer Woche laufen seit dem 31. Dezember Massenimpfungen. Mehrere Zeitungen berichteten jedoch am Wochenende über Schwierigkeiten zum Start.
Wie „La Repubblica“am Samstag schrieb, fehlte es um den Jahreswechsel an Impfärzten und Mitarbeitern in Krankenhäusern. Auffällig ist, dass es große Unterschiede bei den Impf-Quoten zwischen den Regionen gibt: Die reiche Lombardei im Norden des Landes, in der die Corona-Pandemie besonders stark zugeschlagen hat, liegt dabei deutlich unter dem Gesamtdurchschnitt. Dort waren rund 80 000 Dosen eingetroffen. Bis Sonntag gegen 9 Uhr waren nach der Statistik aber nur rund 2 400 (drei Prozent) davon gespritzt worden.
Der Vatikan will voraussichtlich in der zweiten Januarhälfte mit den Schutzimpfungen seiner knapp 1 000 Bewohner gegen Corona beginnen.
In Frankreich gibt es bisher keine genauen Angaben dazu, wie viele Menschen geimpft wurden. Medien sprechen teils von wenigen Hunderten und berufen sich unter anderem auf eine Website, die von einem Datenwissenschaftler auf Basis der Angaben von Gesundheitsbehörden betrieben wird. CovidTracker zufolge wurden mit Stand Samstagabend etwa 430 Menschen geimpft. Nach Kritik am langsamen Anlaufen der Impfkampagne versprach ein Regierungssprecher in Paris mehr Tempo.
Die Niederlande haben mit den Impfungen noch gar nicht begonnen. In einer Lagerhalle in Oss im Osten des Landes liegen seit Tagen ungenutzt rund 175 000 Dosen des Impfstoffs von Biontech und Pfizer. Ursprünglich wollte das Land erst am 8. Januar mit den Impfungen beginnen. Nach starkem Druck von Medizinern und Öffentlichkeit wollen die Niederlande den Impfstart nun doch vorziehen. Zunächst sollen 30 000 Mitarbeiter in Krankenhäusern gegen das Virus geimpft werden, teilte das Gesundheitsministerium am Samstag in Den Haag mit. Die Niederlande sind das einzige Land der EU, das noch nicht impft.
EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides hat die Beschaffung von Corona-Impfstoff in der Europäischen Union verteidigt. „Das Nadelöhr ist derzeit nicht die Zahl der Bestellungen, sondern der weltweite Engpass an Produktionskapazitäten“, sagte Kyriakides am Samstag in Brüssel. Zugleich versprach sie schrittweise Verbesserungen bei der Impfstoff-Versorgung.
Israel auf Platz eins
„Wir waren uns in der EU einig, dass wir nicht alles auf eine Karte setzen dürfen“, betonte die Kommissarin. Sonst hätten die EU-Staaten womöglich ohne wirksamen Impfstoff dagestanden. „Die Situation wird sich Schritt für Schritt bessern“, versprach Kyriakides. Die Kommission verhandele über zusätzlichen Impfstoff von Biontech und Pfizer und sei bereit, die Ausweitung der Produktionskapazitäten zu unterstützen. Weitere Impfstoffe stünden vor der EU-Zulassung.
In Deutschland waren mit Stand Sonntagmorgen laut dem RobertKoch-Institut rund 240 000 Menschen geimpft. In Israel haben bereits mehr als eine Million Menschen eine Impfung erhalten. Der Oxford-Website „Our World in Data“zufolge sind das 12,59 Geimpfte pro 100 Einwohner (Stand 2. Januar). Das Land ist damit einsame Spitze. dpa