Im Auge des Sturms
Die britische Regierung versucht, die Überforderung der Kliniken durch eine neue Impfstrategie in den Griff zu bekommen
Die zweite Corona-Welle hat Großbritannien mit aller Wucht getroffen. Fast täglich werden bei den Infektionszahlen neue Höchstwerte verzeichnet, viele Krankenhäuser haben Alarm geschlagen, weil sie überfüllt sind. Am Samstag meldeten die Behörden mehr als 57 000 Covid-Neuinfektionen innerhalb von 24 Stunden, der bisherige Höchstwert. Fast 24 000 Patienten liegen im Krankenhaus – auch das ist ein Rekord.
„Sehr gefährliche neue Phase“Die Lage könnte laut Gesundheitsmitarbeitern bald eskalieren. Ärzte und Pfleger warnen, dass der Gesundheitsdienst NHS schon in den kommenden Tagen überfordert werden könnte. Der Vorsitzende des NHS in England, Simon Stevens, sagte, seine Mitarbeiter seien „erneut im Auge des Sturms“. Ein medizinischer Berater der Regierung warnte, dass Großbritannien „eine sehr gefährliche neue Phase der Pandemie betritt“.
Verantwortlich für das Ausmaß der Krise ist die neue Mutation des Corona-Virus, die deutlich ansteckender ist als die frühere. „Es gibt einen riesigen Unterschied in Bezug auf die Geschwindigkeit, mit der sich die neue Virus-Variante ausbreitet“, sagte Professor Axel Gandy vom Imperial College in London. Eine neue Studie seiner Universität hat ergeben, dass sich die Übertragung dieser Variante selbst während des Lockdowns im November verdreifachte.
Besonders schwer getroffen von der zweiten Welle ist der Südosten Englands, darunter London sowie die Grafschaften Essex und Kent. Mehrere Krankenhäuser in dieser Region haben ihre Kapazität bereits überschritten – es fehlt an genügend Pflegern. Ein Notfallmediziner in London berichtete gegenüber der Presse, dass die Ambulanzen vor vielen Krankenhäusern Warteschlangen bilden: „Die Patienten müssen oft stundenlang darauf warten, eingeliefert zu werden, weil es schlichtweg keinen Platz für sie gibt“. Die Regierung hat auf die dramatische Lage zunächst einmal reagiert, indem sie die Impfstrategie geändert hat. Ursprünglich sollten die zwei Dosen der zwei Vakzine, die bereits zugelassen sind, in einem Abstand von drei bis vier Wochen verabreicht werden. Die Wirksamkeit wurde gemäß dieser Verabreichungsmethode eruiert.
Aber kurz vor dem Jahreswechsel kündigten die Behörden an, den Patienten die zweite Dosis der Vakzine erst nach rund drei Monaten zu spritzen. Die medizinischen Chefbeamten Großbritanniens argumentieren, dass bereits die erste Dosis der Vakzine einen „erheblichen Schutz“bereitstelle. Weil sich das Virus so schnell ausbreite, müsse die zweite Dosis mit Verzögerung verabreicht werden, damit genügend Leuten die erste Spritze erhalten können.
Virologen sind gespalten bezüglich des Strategiewechsels: Manche sehen darin einen pragmatischen Schritt, andere hingegen befürchten, dass die Wirksamkeit der Vakzine beeinträchtigt werden kann. Der Pharmariese Pfizer, der zusammen mit dem deutschen Unternehmen Biontech den ersten zugelassenen Impfstoff entwickelt hat, sagte, dass sich die „Sicherheit und Wirksamkeit“ihrer Arznei auf die Verabreichung im Abstand von drei Wochen beziehe.
Aber auch jenseits der Kontroverse um das Impfprogramm steht die Regierung in der Kritik, weil sie zu zögerlich gegen die Ausbreitung des Virus vorgehe. Zwar führte Johnson kurz vor den Weihnachtsferien schärfere Regeln ein, aber offensichtlich reichen sie nicht, um die zweite Welle einzudämmen. Viele Politiker fordern einen landesweiten Shutdown.
Angesprochen auf die drohende Eskalation der Pandemie sagte Premierminister Boris Johnson am Sonntagmorgen, dass schärfere Einschränkungen schon bald zu erwarten sind. „Es wird holprig werden“, meinte er.
Auf der Insel laufen heute die Impfungen mit dem heimischen Präparat der Universität Oxford und des Pharmakonzerns Astrazeneca an. Anders als der Pfizer/Biontech-Impfstoff kann das britische Vakzin bei Kühlschranktemperaturen gelagert werden, was Transport und Lagerung erleichtert.
eine gute Nachricht. Der Investiturblock wird gestärkt, er wird die ganze Legislaturperiode überstehen und Staatsleitung sein.“Die spanische Opposition verstand die Sätze sofort. Und zwar so: Ab jetzt regiert in Spanien Bildu mit. Die Konservativen, und nicht nur die, begannen zu zittern.
Bildu – mit vollständigem Namen Euskal Herria Bildu – ist ein linkes baskisches Wahlbündnis, dem auch Überreste von Batasuna angehören, dem politischen Arm der ETA. Bildu-Chef Arnaldo Otegi ist ein Ex-Terrorist, der es noch nicht übers Herz gebracht hat, öffentlich für seine terroristische Vergangenheit um Entschuldigung zu bitten. Das ist vielen baskischen Wählern egal: Bildu ist die zweitstärkste politische Kraft im
Jenseits von symbolischen Siegen fehlt es den Separatisten an der Macht, ihrem wesentlichen Ziel näherzukommen: der Aufspaltung Spaniens.
Baskenland (bei den Regionalwahlen 2019 erhielt sie knapp ein Viertel der Stimmen) und auch mit fünf Abgeordneten im spanischen Parlament vertreten. Und die unterstützen neuerdings die linke Koalitionsregierung von Premierminister Pedro Sánchez und seines Stellvertreters Iglesias.
Referendum mit der Brechstange Eine weitere Stütze für ihre Regierung haben Sánchez und Iglesias in Esquerra Republicana de Catalunya (ERC) gefunden, die sich keiner terroristischen Vergangenheit schämen muss, aber mit Bildu das Ziel der Abspaltung von Spanien teilt – in ihrem Fall die Abspaltung Kataloniens. Wenn sich die 13 ERC-Abgeordneten im spanischen Parlament mit ihren Bildu-Kollegen unterhalten, tun sie das wahrscheinlich auf Spanisch, denn das ist die gemeinsame Sprache aller Spanier, seit Jahrhunderten. In Katalonien wird daneben auch Katalanisch gesprochen und im Baskenland auch Baskisch.
Die Separatisten möchten diese Sprachen (mindestens auf längere Sicht) zur jeweils einzigen Sprache
Ob in Katalonien (oben) oder im Baskenland (unten), die Separatisten in Spanien haben Blut geleckt und werden ihr Ziel der Abspaltung weiter verfolgen.
in ihrer Region machen. So haben sie der Sánchez-IglesiasRegierung gerade das Zugeständnis abgerungen, aus dem spanischen Schulgesetz die Definition des Spanischen als „Verkehrssprache“aller Spanier zu streichen. Solche Dinge lassen die Opposition zittern, wenn sie an den Einfluss von ERC und Bildu auf die spanische Politik denken.
Doch jenseits von symbolischen Siegen fehlt es den Separatisten an der Macht, ihrem wesentlichen Ziel näherzukommen: der Aufspaltung Spaniens. Im Baskenland sind die Separatisten eine bedeutende Minderheit, in Katalonien stellen sie die Regierung. Aber hier wie dort stehen ihnen als entscheidende Hürden die spanische Verfassung und das Völkerrecht entgegen – das zwar die Abspaltung
von Landesteilen erlaubt, aber im Normalfall nur im Einverständnis mit dem Rest des Landes. Und von diesem Einverständnis ist Spanien weit entfernt.
Der Großteil der Spanier will nicht einsehen, dass ihnen Katalonien oder das Baskenland genommen werden sollen. Die einzigen (außer den Separatisten), die mindestens für eine Volksabstimmung über die Unabhängigkeit Kataloniens und vielleicht eines Tages auch des Baskenlandes plädieren, sind Podemos und ihr Umfeld. Aus Sicht der meisten Spanier ist das eine ihrer entscheidenden Schwächen.
Vor gut drei Jahren versuchten führende katalanische Separatisten, ein Referendum mit der Brechstange durchzusetzen, was neun von ihnen lange Gefängnisstrafen wegen „Aufruhrs“einbrachte; andere, wie der damalige Ministerpräsident Carles Puigdemont, entzogen sich einem ähnlichen Schicksal durch Flucht nach Belgien oder in andere Länder. Ihre Bereitschaft, mit dem spanischen Rechtsstaat zu brechen, nannte der katalanische Schriftsteller Javier Cercas kürzlich wieder einen „postmodernen Staatsstreich“und verglich sie mit Donalds Trumps Weigerung, die US-Wahlergebnisse anzuerkennen.
Trumpsche Sturheit
Mit dem US-Präsidenten haben die katalanischen Separatisten ihre Sturheit gemein. „Ho tornarem a fer“, betitelt Jordi Cuixart, einer der Verurteilten, sein Buch über den katalanischen Herbst 2017: „Wir werden es wieder tun“. Diese Haltung erschwert pragmatische Lösungen mindestens für die Häftlinge: Wenn sie „es“– also den Verfassungsbruch – erneut wagen wollen, können sie kaum mit dem Entgegenkommen von Justiz oder Politik rechnen. Die Sánchez-Iglesias-Regierung würde die neun gern in Freiheit sehen, ihr scheinen drei Jahre Strafe schon mehr als genug. Doch die Stimmung in Spanien entspricht dem gerade nicht.
Enttäuschend aus Sicht der Separatisten ist die fehlende Solidarität aus dem europäischen Ausland, da hätten sie mehr erwartet. Als die spanische Polizei am 1. Oktober 2017 einige Teilnehmer am damaligen Referendum blutig schlug, war die Sympathie auf Seiten der Separatisten, aber bald fanden die EU-Partner, dass sich ein Rechtsstaat gegen Rechtsbrecher wehren darf – das nächste Mal allerdings bitte etwas feinfühliger. Gut möglich, dass es ein nächstes Mal geben wird. „Es gibt einen nicht mehrheitlichen, aber großen Teil der katalanischen Gesellschaft,“sagt der spanische Historiker und Nationalismus-Experte José Álvarez Junco, „der dazu bereit ist“: zum erneuten Aufstand gegen Spanien.
Enttäuschend aus Sicht der Separatisten ist die fehlende Solidarität aus dem europäischen Ausland.