Lieber bellen statt beißen
Am Jahrestag der gezielten Tötung des iranischen Generals Soleimani bekräftigt Teheran seine Vergeltungsdrohungen
Als „gesichtswahrende Pflichtübungen“bewerten westliche Beobachter in Teheran die Racheschwüre iranischer Offizieller am ersten Jahrestag der gezielten Tötung des iranischen Generals Qassem Soleimani. Der Architekt der iranischen Regionalpolitik war am 3. Januar 2020 am Flughafen von Bagdad von einer amerikanischen Hellfire-Rakete in Stücke gerissen worden. Und mit Raketen werde man seinen „Märtyrertod“auch vergelten, drohte der Kommandeur der Luftwaffe der iranischen Revolutionsgardisten, Ali Hadschisadeh, der den USA und Israel am Wochenende „einen verheerenden Dreifronten-Krieg“ankündigte.
Es gebe „einen Schnittpunkt des Feuers am Himmel über Israel“, zwischen Syrien, Libanon und dem Gazastreifen, prahlte der General im Interview mit dem libanesischen Manat-TV, dem Fernsehsender der Hisbollah. Er warte nur noch darauf, bis Revolutionsführer Ali Chamenei den Befehl dazu gebe, „Haifa und Tel Aviv dem Erdboden gleichzumachen“.
Die Rache für General Soleimani, verkündet der Geistliche inzwischen fast schon gebetsmühlenartig, werde „definitiv“und „zum richtigen Zeitpunkt“erfolgen. Tatsächlich befürchtet das Regime in Teheran, dass die TrumpRegierung kurz vor dem Auszug aus dem Weißen Haus selbst noch einen Krieg im Mittleren Osten anzetteln könnte. „Geheimdienstinformationen aus dem Irak deuten auf eine US-Verschwörung und einen fabrizierten Krieg (gegen den Iran) hin“, twitterte der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif am Neujahrstag.
Zuvor hatten amerikanische B52-Langstreckenbomber unter dem Beifall der arabischen Anrainerstaaten zum wiederholten Mal den Persischen Golf überflogen. Ihrem Einsatz hätten die Iraner nur wenig entgegenzusetzen. „Die Perser sind noch schwächer als vor einem Jahr“, behauptete ein Analyst des saudischen Fernsehsenders Al Arabija: „Sie bellen zwar viel, werden aber nicht beißen“. Nur allzu gerne sähe man auf der arabischen Halbinsel in den kommenden zweieinhalb Wochen noch amerikanische Luftschläge gegen den Iran.
Der neue US-Präsident Joe Biden hätte es dann vermutlich noch schwerer, seine Ankündigung umzusetzen und zum sogenannten
Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) zurückzukehren, der das iranische Atomprogramm einschränken soll.
Hintertürchen aufhalten
Bis zur Unterzeichnung des Abkommens durch die fünf VetoMächte plus Deutschland am 14. Juli 2015 hatte Iran Uran bis auf 20 Prozent angereichert, diesen Prozess dann aber vertragsgemäß eingestellt. Nach Angaben der UNAtomaufsichtsbehörde IAEA in Wien will die Islamische Republik nun zu dem früheren Niveau zurückkehren. Eine entsprechende Absichtserklärung habe man per Brief aus Teheran erhalten. Der Anreicherungsprozess auf 20 Prozent würde in der unterirdischen Anlage von Fordo, etwa 120 Kilometer westlich von Teheran, erfolgen. Wann der Vorgang beginnen soll, ließ Iran offen.
Offenbar will man sich für mögliche Gespräche mit der neuen USRegierung ein diplomatisches Hintertürchen offenhalten. Eine Anreicherung auf 20 Prozent wäre nach Ansicht der Abrüstungsexperten Oliver Meier besorgniserregend: „Denn Anreicherung ist kein linearer Prozess. Wenn man Uran auf 20 Prozent anreichert, hat man bereits 90 Prozent der Arbeitsschritte erledigt, um waffenfähiges Spaltmaterial zu bekommen.“
Die Sorgen, dass Iran mit seinem Atomprogramm nicht nur friedliche Zwecke verfolge, dürften dann weiter wachsen, sagte Meier weiter. Auch für die Europäer würde es dann schwerer, weiter hinter dem Atomabkommen zu stehen.