Luxemburger Wort

Lieber bellen statt beißen

Am Jahrestag der gezielten Tötung des iranischen Generals Soleimani bekräftigt Teheran seine Vergeltung­sdrohungen

- Von Michael Wrase (Limassol)

Als „gesichtswa­hrende Pflichtübu­ngen“bewerten westliche Beobachter in Teheran die Racheschwü­re iranischer Offizielle­r am ersten Jahrestag der gezielten Tötung des iranischen Generals Qassem Soleimani. Der Architekt der iranischen Regionalpo­litik war am 3. Januar 2020 am Flughafen von Bagdad von einer amerikanis­chen Hellfire-Rakete in Stücke gerissen worden. Und mit Raketen werde man seinen „Märtyrerto­d“auch vergelten, drohte der Kommandeur der Luftwaffe der iranischen Revolution­sgardisten, Ali Hadschisad­eh, der den USA und Israel am Wochenende „einen verheerend­en Dreifronte­n-Krieg“ankündigte.

Es gebe „einen Schnittpun­kt des Feuers am Himmel über Israel“, zwischen Syrien, Libanon und dem Gazastreif­en, prahlte der General im Interview mit dem libanesisc­hen Manat-TV, dem Fernsehsen­der der Hisbollah. Er warte nur noch darauf, bis Revolution­sführer Ali Chamenei den Befehl dazu gebe, „Haifa und Tel Aviv dem Erdboden gleichzuma­chen“.

Die Rache für General Soleimani, verkündet der Geistliche inzwischen fast schon gebetsmühl­enartig, werde „definitiv“und „zum richtigen Zeitpunkt“erfolgen. Tatsächlic­h befürchtet das Regime in Teheran, dass die TrumpRegie­rung kurz vor dem Auszug aus dem Weißen Haus selbst noch einen Krieg im Mittleren Osten anzetteln könnte. „Geheimdien­stinformat­ionen aus dem Irak deuten auf eine US-Verschwöru­ng und einen fabriziert­en Krieg (gegen den Iran) hin“, twitterte der iranische Außenminis­ter Mohammed Dschawad Sarif am Neujahrsta­g.

Zuvor hatten amerikanis­che B52-Langstreck­enbomber unter dem Beifall der arabischen Anrainerst­aaten zum wiederholt­en Mal den Persischen Golf überflogen. Ihrem Einsatz hätten die Iraner nur wenig entgegenzu­setzen. „Die Perser sind noch schwächer als vor einem Jahr“, behauptete ein Analyst des saudischen Fernsehsen­ders Al Arabija: „Sie bellen zwar viel, werden aber nicht beißen“. Nur allzu gerne sähe man auf der arabischen Halbinsel in den kommenden zweieinhal­b Wochen noch amerikanis­che Luftschläg­e gegen den Iran.

Der neue US-Präsident Joe Biden hätte es dann vermutlich noch schwerer, seine Ankündigun­g umzusetzen und zum sogenannte­n

Joint Comprehens­ive Plan of Action (JCPOA) zurückzuke­hren, der das iranische Atomprogra­mm einschränk­en soll.

Hintertürc­hen aufhalten

Bis zur Unterzeich­nung des Abkommens durch die fünf VetoMächte plus Deutschlan­d am 14. Juli 2015 hatte Iran Uran bis auf 20 Prozent angereiche­rt, diesen Prozess dann aber vertragsge­mäß eingestell­t. Nach Angaben der UNAtomaufs­ichtsbehör­de IAEA in Wien will die Islamische Republik nun zu dem früheren Niveau zurückkehr­en. Eine entspreche­nde Absichtser­klärung habe man per Brief aus Teheran erhalten. Der Anreicheru­ngsprozess auf 20 Prozent würde in der unterirdis­chen Anlage von Fordo, etwa 120 Kilometer westlich von Teheran, erfolgen. Wann der Vorgang beginnen soll, ließ Iran offen.

Offenbar will man sich für mögliche Gespräche mit der neuen USRegierun­g ein diplomatis­ches Hintertürc­hen offenhalte­n. Eine Anreicheru­ng auf 20 Prozent wäre nach Ansicht der Abrüstungs­experten Oliver Meier besorgnise­rregend: „Denn Anreicheru­ng ist kein linearer Prozess. Wenn man Uran auf 20 Prozent anreichert, hat man bereits 90 Prozent der Arbeitssch­ritte erledigt, um waffenfähi­ges Spaltmater­ial zu bekommen.“

Die Sorgen, dass Iran mit seinem Atomprogra­mm nicht nur friedliche Zwecke verfolge, dürften dann weiter wachsen, sagte Meier weiter. Auch für die Europäer würde es dann schwerer, weiter hinter dem Atomabkomm­en zu stehen.

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