842 Uhren, Raub und Mord
Im Januar wird vor Luxemburger Gerichten über spannende Fälle verhandelt
Luxemburg. Zum Jahresbeginn werden mindestens sechs außerordentliche Fälle vor Luxemburger Gerichten verhandelt werden – wenn denn die Pandemie den Richtern keinen Strich durch die Rechnung macht. Es geht dabei um Unterschlagung, Raub, Mord und sexuellen Missbrauch.
Mit großer Spannung wird beispielsweise vom 12. Januar an der Prozess zur sogenannten Uhrenaffäre erwartet. Beschuldigter in diesem Fall ist der bekannte Luxemburger Unternehmer Flavio Becca. Dem 58-Jährigen wird vorgeworfen, als Verwalter oder Geschäftsführer von 18 Luxemburger Unternehmen Firmenvermögen für Privatzwecke und zum Nachteil der Unternehmen genutzt zu haben.
Alleine für diesen Tatvorwurf ist im Falle einer Verurteilung eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren möglich. Darüber hinaus wird Flavio Becca Geldwäsche vorgeworfen – ein Vorwurf, der in diesem Fall die Nutzung von Gegenständen betrifft, die durch eine strafbare Handlung erlangt wurden.
Uhren im Wert von 17,9 Millionen Euro
Konkret geht es um den Kauf von 842 Luxusuhren mit einem Gesamtwert von mehr als 17,9 Millionen Euro zwischen August 2004 und Dezember 2011. Das Gericht wird sich neben der eigentlichen Schuldfrage vor allem aber mit zwei anderen Kernfragen beschäftigen müssen: Sind die Taten nicht bereits verjährt? Und: Können Gesetzesartikel, die erst während oder nach der Begehung der mutmaßlichen Straftaten in Kraft getreten sind, angewendet werden?
Die Argumentation von Staatsanwaltschaft und Verteidigung dürfte in diesem Fall weit auseinandergehen. Interessant dürften aber auch die Hintergründe des Falls und die Einblicke in die Geschäftswelt sein, die der Prozess zu gewähren verspricht.
Die Verteidigung von Flavio Becca übernimmt LW-Informationen zufolge eine der bekanntesten Anwaltskanzleien aus Paris. Me Maurice Lantourne, der als Anwalt des französischen Politikers und Unternehmers Bernard Tapie regelmäßig in der Öffentlichkeit stand, soll dem vermögenden Luxemburger Unternehmer im Prozess als Rechtsbeistand zur Seite stehen. Die Pariser Anwaltskanzlei ließ eine diesbezügliche Anfrage des „Luxemburger Wort“jedoch bislang unbeantwortet.
Einbrecher bringen Bewohner in ihre Gewalt
Ebenfalls am 12. Januar wird vor der Kriminalkammer der Prozess gegen zwei Männer aus Paris beginnen. Ihren wird vorgeworfen, als Teil einer kriminellen Organisation im Jahr 2017 drei brutale Raubüberfälle – teils mit Freiheitsberaubung – auf Privatpersonen in deren Wohnhäusern begangen zu haben. Beschuldigt werden sie auch dreier Einbrüche sowie eines Einbruchsversuchs in Strassen und Bettingen/Mess.
So sollen sie am 28. Januar 2017 eine Frau und deren drei- und fünfjährige Kinder in Hesperingen in ihre Gewalt gebracht haben. Die Mutter wurde vor den Kindern geschlagen und die Kinder mit Tränengas und Messer bedroht.
Am Nachmittag des 25. November 2017 drangen die Männer der Anklage zufolge in eine Wohnung in Belair ein, warfen einen 87-jährigen Mann und eine 85-jährige Frau zu Boden, schlugen sie und verletzten sie mit Tränengas.
Besonders tragisch an diesem Fall ist, dass das Ehepaar bereits ein Jahr zuvor auf äußerst brutale Art und Weise in Senningen überfallen worden war – und wegen der traumatischen Erlebnisse ihr Wohnhaus in Senningen für die Wohnung in Belair verlassen hatte, um dort einen Neuanfang zu wagen. Dieser Fall stand erst im Dezember vor der Kriminalkammer auf der Tagesordnung.
Tödliche Messerstiche 2017 in Dalheim
Den Männern aus Paris wird aber auch ein weiterer Raubüberfall am 17. Dezember 2017 in einem Wohnhaus in Strassen vorgeworfen, bei dem sie eine Frau gefangen hielten, diese schlugen und ihr drohten, sie zu zerstückeln.
Vom 2. Februar an wird sich die Kriminalkammer mit einem Mord am 22. Dezember 2017 in Dalheim befassen. An jenem Freitagnachmittag soll ein heute 26-jähriger Mann der Anklage zufolge seinen 39-jährigen Stiefvater mit zwei Messerstichen getötet haben. Da es sich um den Ehemann der Mutter handelte, dieser den Sohn aber nie adoptiert hat, ist der erschwerende Tatbestand des Vatermordes nicht erfüllt. Weitere Einzelheiten zur Tat sind nicht bekannt.
In zweiter Instanz: Folgeprozess zu Novembermorden
Auch in zweiter Instanz verspricht der Jahresanfang spannend zu werden. Während ein für heute vorgesehener Berufungsprozess um eine Betrugsaffäre zum Nachteil der Arbeitsagentur Adem voraussichtlich vertagt wird, wird vom 13. Januar an der wegen der Morde an einem Drogendealer und einer Prostituierten im November 2016 in zweiter Instanz zu lebenslanger Haft verurteilte Lee K. seine Berufung gegen eine Verurteilung in anderer Angelegenheit geltend machen.
Ihm war getrennt von der Mordaffäre ein Prozess wegen illegalen
Waffenbesitzes gemacht worden, der Ende Juli in erster Instanz mit einer Verurteilung zu einer Haftstrafe von 18 Monaten auf Bewährung endete.
Die Staatsanwaltschaft hatte Lee K. den Besitz eines Springmessers mit verbotener Arretierung, mehrerer Raketenwerfer ohne dazugehörige Geschosse, Pulver und 14 Rohrbomben vorgeworfen. Außerdem war er wegen eines Verstoßes gegen Commodo-Vorschriften angeklagt worden, weil er ohne die erforderliche Genehmigung mehr als die erlaubte Menge von 10 000 Schuss Munition lagerte.
Die Verurteilung wegen der Morde ist indes noch nicht rechtskräftig. Die Frist für einen Kassationsantrag läuft heute aus.
Missbrauch von 14 minderjährigen Jungen
Am 12. Januar wird sich die Berufungskammer zudem mit dem wegen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen verurteilten damaligen Direktionsbeauftragten des Bonneweger Lyzeums beschäftigen.
Christian R. war im Juli 2020 wegen sexueller Beziehungen mit 14 minderjährigen Jungen in erster Instanz zu acht Jahren Haft mit integralem Strafaufschub verurteilt worden. Keines der Opfer war Schüler in dem Lyzeum, in dem der Angeklagte zu dem Zeitpunkt als Lehrer arbeitete.
Giftmörder erneut auf der Anklagebank
Viel Spannung verspricht auch ein Appellationsprozess, der am 25. Januar beginnt. Im Mittelpunkt steht ein Polizist, der im Herbst 2016 seine eigene Schwester und deren Ehemann vorsätzlich vergiftet und getötet haben soll.
Gilles L. war in erster Instanz nach wochenlangem Prozess zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden. Er hatte im Prozess zwar zugegeben, die beiden Opfer vorsätzlich vergiftet zu haben. Er bestritt aber die Tötungsabsicht und plädierte auf fahrlässige Tötung.