Mittelpunkt und Herz der Gemeinde
Seit über 100 Jahren ist das Ettelbrücker Stadthaus schon Zeuge vieler politischer und gesellschaftlicher Ereignisse
Ettelbrück. Das Ettelbrücker Stadthaus ist ganz ohne Zweifel ein Prachtbau. Seit über 100 Jahren prägt das architektonisch wertvolle Gebäude, das eng mit der Vergabe des Stadttitels verbunden ist, das Ortsbild. Ganz aus Naturstein gebaut, mit geschichtsträchtigen, mehrfarbigen Kunstfenstern im Sitzungssaal, einem wunderschönen Rundbogenfenster und einer gewölbten Decke im großen Festsaal, herrlichen Skulptur- und Holzarbeiten und einer breiten, einladenden Freitreppe wurde es im Laufe der Zeit Zeuge vieler politischer und gesellschaftlicher Ereignisse – und hat auch selber Geschichte geschrieben.
Die Geschichte des Stadthauses beginnt vor nunmehr 115 Jahren, als die damaligen Gemeinderäte um Bürgermeister Gustav de Marie in ihrer Sitzung vom 12. April 1905 den Bau eines neuen Stadthauses samt Anbau für die Post beschlossen. Dies in Erwartung der Stadterhebung, und weil das bisherige Gemeindehaus völlig baufällig geworden war. Das neue Gebäude sollte an gleicher Stelle wie das alte errichtet werden, das seit den 1850er-Jahren in der alten Pfarrkirche untergebracht war.
Im Haushaltsplan wurden für das Projekt 120 000 Franken (rund 3 000 Euro) eingetragen und Architekt Sosthène Weis mit der Ausarbeitung der Pläne betraut. Nachdem das Abbruchmaterial des alten Rathauses im Frühjahr 1906 öffentlich versteigert und die zahlreichen gefundenen Knochenüberreste vom alten Friedhof auf den neuen Friedhof überführt worden waren, konnten die Bauarbeiten beginnen.
Prachtvolles Geschenk zum Erhalt des Stadttitels
Das neue Stadt- und Postgebäude wuchs blitzschnell empor und versprach großartig zu werden. Der Bildhauer und Modelleur François Walther aus Luxemburg wurde mit den Skulpturarbeiten am Portal und an den verschiedenen Giebeln, die auch heute noch zu sehen sind, befasst und das Wappen wurde von belgischen Bildhauern in die Fassade eingearbeitet. Am 21. August 1907 feierte Ettelbrück die Stadternennung und die offizielle Einweihung des neuen Rathauses.
In den kommenden Jahrzehnten wurden hier nun zahllose Entscheidungen getroffen, Feste gefeiert und Brautpaare verheiratet. Seine dunkelste Zeit erlebte das Stadthaus während des Zweiten Weltkriegs. Nachdem die deutschen Besatzer die öffentlichen Gemeindeangelegenheiten übernahmen, wurde 1941 aus dem besetzten Stadthaus ein Rathaus mit
Sitz der Amtsbürgermeister. Am Tag des Generalstreiks, im August 1942, wurde das Gebäude dann Zeuge, wie etwa 30 von der SA und SS verhaftete Bürger verhört und verprügelt wurden und 13 von ihnen von hier aus ins Grund-Gefängnis beziehungsweise ins KZ Hinzert verschleppt wurden.
Wie durch ein Wunder hat das eindrucksvolle imposante Gebäude beide Weltkriege relativ unbeschadet überstanden. Im Laufe der Zeit wurden aber relevante Umänderungen vorgenommen, die das Bild nachhaltig verändert haben, wobei aber das Kerngebäude nahezu unberührt blieb. Bis auf die mehrfarbigen Kunstfenster von Gust Zanter, die 1980 im Rahmen der Feierlichkeiten zum 200. Jahrestag der Bewilligung von zwölf Monatsmärkten durch Kaiserin Maria-Theresia im Sitzungssaal eingesetzt wurden. Sie sind ohne Zweifel eine Bereicherung für das Gebäude und erzählen in leuchtenden Farben die Geschichte der Ortschaft in den letzten drei Jahrhunderten.
So erinnern die drei hohen, schmalen Fenster an die Brandkatastrophe von 1778, die Ettelbrück letztlich zum Aufschwung verhalf, an das Scharmützel der Aufständischen von 1794, an die kurze Geschichte
der Schifffahrt und den Bau der Eisenbahn, an die Uraufführung der Nationalhymne von 1864, an den Erhalt der Stadtrechte 1907 sowie an die beiden Weltkriege.
Durch das fortwährende Aufstreben der Stadt kam es in dem mittlerweile kommunal geschützten Stadthaus jedoch auch immer wieder zu Raumnot, die auf die eine oder andere Weise behoben wurde. So integrierte man den ursprünglichen Postanbau, nachdem er seit 1937 lange Zeit als Polizeikommissariat fungiert hatte, 1981 in das Stadthaus. Und auch das angrenzende, 1726 erbaute ehemalige Pfarrhaus, das im März 1957 zum historischen Monument erklärt wurde, wird seit 1963 als Verwaltungshaus der Gemeinde genutzt.
Vorbereitung auf die Zukunft läuft längst
Um einen noch effektiveren Dienst am Bürger zu bieten, wurde 2011 schließlich ein verglastes Verbindungsgebäude mit Fahrstuhl zwischen dem ehemaligen Pfarrhaus und dem Stadthaus realisiert. Hier wurden eine zentrale Empfangsstelle und das Bürgeramt eingerichtet. Zurzeit wird der Sitzungssaal zudem den technischen Anforderungen an eine moderne Gemeinde angepasst, derweil auch die Sanierung des Festsaales mittelfristig ansteht. Somit dürfte das Ettelbrücker Stadthaus auch für die Zukunft gerüstet sein.