Trump bläst zum Protest-Finale
Heute versucht der US-Präsident während der Auszählung der Wahlergebnisse im Kongress Krawall zu inszenieren
Die Schlägertrupps der rechtsradikalen Proud Boys stehen bereit, den feierlichen Akt der Zertifizierung der Wahlergebnisse aus den Bundesstaaten im US-Kongress mit Gewalt auf der Straße zu begleiten. Doch sie haben nicht mit der schwarzen Bürgermeisterin von Washington gerechnet. Muriel Bowser mobilisierte nicht nur die Nationalgarde, sondern jeden Polizisten im District of Columbia, um für die öffentliche Ordnung zu sorgen.
Am Montag nahm die Polizei den Führer der Proud Boys, Enrique Tarrio, fest, gegen den wegen eines möglichen Hassverbrechens ermittelt wird. Tarrio hat zugegeben, bei früheren Randalen der Rechtsradikalen am 12. Dezember in Washington ein „Black Lives Matter“-Banner von einer historischen schwarzen Kirche gerissen und verbrannt zu haben. Außerdem stellten die Beamten bei seiner Festnahme Munitionsmagazine sicher. Die Staatsanwaltschaft prüft, ob Klage wegen eines Hassverbrechens erhoben wird.
Trump-Loyalisten treten auf
Bowser appellierte an die Bürger der liberalsten Stadt Amerikas, das Zentrum zu vermeiden, in dem fanatische Trump-Anhänger und Mitglieder rechtsradikaler Gruppen wie den Proud Boys zu sogenannten „Stop the Steal“-Protesten zusammenkommen wollen. Gemessen an den rund eine halbe Million Teilnehmern der FrauenDemo gegen Trump am Tag nach dessen Amtsantritt, werden zu dem aus dem Weißen Haus inszenierten Aufstand nicht mehr als ein paar tausend Menschen erwartet.
Die für die Nationalparks zuständige Polizei erteilte eine Erlaubnis für 30 000 Demonstranten, die sich in der Mittagszeit vor dem Weißen Haus versammeln wollen. Als Redner tritt ein „Best of“an Personen auf, die dem
Präsidenten in den vergangenen Wochen geholfen hatten, seine substanzlosen Behauptungen von Wahlbetrug zu verbreiten. Darunter Rudy Giuliani, der Trumps Klagen koordinierte, die in 61 Niederlagen vor Gerichten mündeten sowie der von Trump begnadigte frühere Wahlkampfberater Roger Stone und andere Verschwörungstheoretiker.
Der Noch-Präsident erwägt laut Medienberichten, selber vor die Menge zu treten, um seine falschen Behauptungen zu wiederholen, die er am Vorabend der Stichwahlen zum Senat in Georgia auf dem Flugfeld von Dalton, einer Kleinstadt im Norden des US-Südstaats, ausgebreitet hatte. Seine Rede knüpfte an das an die Medien durchgereichte Telefonat mit dem republikanischen Innenminister von Georgia an.
Trump bedrängte Brad Raffensperger darin über eine Stunde lang, das Ergebnis der Präsidentschaftswahl nachträglich zu seinen Gunsten zu verändern. „Finden Sie mir 11 780 Stimmen“. Raffensperger
hatte das Gespräch angenommen und aufgezeichnet, nachdem Trump 18 Mal vergeblich versucht hatte, ihn zu erreichen. Der Republikaner wies den Versuch der Manipulation der Ergebnisse entschieden zurück. Wie andere örtliche Parteigrößen fürchtet der Innenminister, die Intervention Trumps und das Verbreiten von Misstrauen in die Integrität der Wahlen könnten die Wahlbeteiligung der Republikaner bei den Senats-Stichwahlen negativ beeinflusst haben. Das Telefonat
könnte in Georgia strafrechtliche Konsequenzen für Trump haben. Die zuständige Chefanklägerin erklärte, „niemand“stehe in Georgia über dem Gesetz.
Trump weckte in seiner Rede die Erwartung, Vizepräsident Mike Pence werde seine ausschließlich zeremonielle Funktion während der Auszählung benutzen, ihm zu einer zweiten Amtszeit zu verhelfen. „Ich hoffe, Mike Pence kämpft für uns“, tat der Präsident vor seinen Anhängern so, als könnte dieser sein Schicksal noch abwenden. Mitarbeiter von Pence räumten ein, der Vizepräsident erfülle nur eine formale Rolle.
Eindringliche Warnung
Die 13 Trump-getreuen Senatoren, die heute im Kongress Einspruch gegen die Bestätigung der Wahlergebnisse erheben wollen, haben keine Chance, den Ausgang der Wahlen zu verändern. Die republikanische Führung des Senats unterstützt den Versuch nicht und mindestens 22 Republikaner haben sich öffentlich festgelegt, die Wahl Bidens zu zertifizieren.
Angesichts dieser Realitäten besteht die Sorge, dass Trump versucht sein könnte, Unruhen zu schüren, um einen Vorwand zu schaffen, das Militär einzusetzen, um an der Macht zu bleiben. Auf eine Initiative des ehemaligen Vizepräsidenten Dick Cheney hin, veröffentlichten am Wochenende in der „Washington Post“alle lebenden ehemaligen Verteidigungsminister – darunter auch die beiden Pentagon-Chefs Trumps – eine eindringliche Warnung.
Der Versuch, „die Streitkräfte in die Lösung von Wahlanfechtungen hineinzuziehen, nimmt uns mit in gefährliches, ungesetzliches und verfassungsfeindliches Gelände“, heißt es in dem beispiellosen Beitrag. „Zivilisten und Militärs, die sich daran beteiligen, werden zur Rechenschaft gezogen und müssen mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen.“