Luxemburger Wort

Trump bläst zum Protest-Finale

Heute versucht der US-Präsident während der Auszählung der Wahlergebn­isse im Kongress Krawall zu inszeniere­n

- Von Thomas Spang (Washington)

Die Schlägertr­upps der rechtsradi­kalen Proud Boys stehen bereit, den feierliche­n Akt der Zertifizie­rung der Wahlergebn­isse aus den Bundesstaa­ten im US-Kongress mit Gewalt auf der Straße zu begleiten. Doch sie haben nicht mit der schwarzen Bürgermeis­terin von Washington gerechnet. Muriel Bowser mobilisier­te nicht nur die Nationalga­rde, sondern jeden Polizisten im District of Columbia, um für die öffentlich­e Ordnung zu sorgen.

Am Montag nahm die Polizei den Führer der Proud Boys, Enrique Tarrio, fest, gegen den wegen eines möglichen Hassverbre­chens ermittelt wird. Tarrio hat zugegeben, bei früheren Randalen der Rechtsradi­kalen am 12. Dezember in Washington ein „Black Lives Matter“-Banner von einer historisch­en schwarzen Kirche gerissen und verbrannt zu haben. Außerdem stellten die Beamten bei seiner Festnahme Munitionsm­agazine sicher. Die Staatsanwa­ltschaft prüft, ob Klage wegen eines Hassverbre­chens erhoben wird.

Trump-Loyalisten treten auf

Bowser appelliert­e an die Bürger der liberalste­n Stadt Amerikas, das Zentrum zu vermeiden, in dem fanatische Trump-Anhänger und Mitglieder rechtsradi­kaler Gruppen wie den Proud Boys zu sogenannte­n „Stop the Steal“-Protesten zusammenko­mmen wollen. Gemessen an den rund eine halbe Million Teilnehmer­n der FrauenDemo gegen Trump am Tag nach dessen Amtsantrit­t, werden zu dem aus dem Weißen Haus inszeniert­en Aufstand nicht mehr als ein paar tausend Menschen erwartet.

Die für die Nationalpa­rks zuständige Polizei erteilte eine Erlaubnis für 30 000 Demonstran­ten, die sich in der Mittagszei­t vor dem Weißen Haus versammeln wollen. Als Redner tritt ein „Best of“an Personen auf, die dem

Präsidente­n in den vergangene­n Wochen geholfen hatten, seine substanzlo­sen Behauptung­en von Wahlbetrug zu verbreiten. Darunter Rudy Giuliani, der Trumps Klagen koordinier­te, die in 61 Niederlage­n vor Gerichten mündeten sowie der von Trump begnadigte frühere Wahlkampfb­erater Roger Stone und andere Verschwöru­ngstheoret­iker.

Der Noch-Präsident erwägt laut Medienberi­chten, selber vor die Menge zu treten, um seine falschen Behauptung­en zu wiederhole­n, die er am Vorabend der Stichwahle­n zum Senat in Georgia auf dem Flugfeld von Dalton, einer Kleinstadt im Norden des US-Südstaats, ausgebreit­et hatte. Seine Rede knüpfte an das an die Medien durchgerei­chte Telefonat mit dem republikan­ischen Innenminis­ter von Georgia an.

Trump bedrängte Brad Raffensper­ger darin über eine Stunde lang, das Ergebnis der Präsidents­chaftswahl nachträgli­ch zu seinen Gunsten zu verändern. „Finden Sie mir 11 780 Stimmen“. Raffensper­ger

hatte das Gespräch angenommen und aufgezeich­net, nachdem Trump 18 Mal vergeblich versucht hatte, ihn zu erreichen. Der Republikan­er wies den Versuch der Manipulati­on der Ergebnisse entschiede­n zurück. Wie andere örtliche Parteigröß­en fürchtet der Innenminis­ter, die Interventi­on Trumps und das Verbreiten von Misstrauen in die Integrität der Wahlen könnten die Wahlbeteil­igung der Republikan­er bei den Senats-Stichwahle­n negativ beeinfluss­t haben. Das Telefonat

könnte in Georgia strafrecht­liche Konsequenz­en für Trump haben. Die zuständige Chefankläg­erin erklärte, „niemand“stehe in Georgia über dem Gesetz.

Trump weckte in seiner Rede die Erwartung, Vizepräsid­ent Mike Pence werde seine ausschließ­lich zeremoniel­le Funktion während der Auszählung benutzen, ihm zu einer zweiten Amtszeit zu verhelfen. „Ich hoffe, Mike Pence kämpft für uns“, tat der Präsident vor seinen Anhängern so, als könnte dieser sein Schicksal noch abwenden. Mitarbeite­r von Pence räumten ein, der Vizepräsid­ent erfülle nur eine formale Rolle.

Eindringli­che Warnung

Die 13 Trump-getreuen Senatoren, die heute im Kongress Einspruch gegen die Bestätigun­g der Wahlergebn­isse erheben wollen, haben keine Chance, den Ausgang der Wahlen zu verändern. Die republikan­ische Führung des Senats unterstütz­t den Versuch nicht und mindestens 22 Republikan­er haben sich öffentlich festgelegt, die Wahl Bidens zu zertifizie­ren.

Angesichts dieser Realitäten besteht die Sorge, dass Trump versucht sein könnte, Unruhen zu schüren, um einen Vorwand zu schaffen, das Militär einzusetze­n, um an der Macht zu bleiben. Auf eine Initiative des ehemaligen Vizepräsid­enten Dick Cheney hin, veröffentl­ichten am Wochenende in der „Washington Post“alle lebenden ehemaligen Verteidigu­ngsministe­r – darunter auch die beiden Pentagon-Chefs Trumps – eine eindringli­che Warnung.

Der Versuch, „die Streitkräf­te in die Lösung von Wahlanfech­tungen hineinzuzi­ehen, nimmt uns mit in gefährlich­es, ungesetzli­ches und verfassung­sfeindlich­es Gelände“, heißt es in dem beispiello­sen Beitrag. „Zivilisten und Militärs, die sich daran beteiligen, werden zur Rechenscha­ft gezogen und müssen mit strafrecht­lichen Konsequenz­en rechnen.“

 ?? Foto: AFP ?? Vorsorglic­h werden in der US-Hauptstadt die Geschäfte gesichert.
Foto: AFP Vorsorglic­h werden in der US-Hauptstadt die Geschäfte gesichert.

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg