Luxemburger Wort

Massenhaft „Trockenes Pulver“

In der Krise könnte die Stunde der privaten Beteiligun­gsfirmen schlagen – viele sehen die Branche aber kritisch

- Von Thomas Klein

Die aktuelle Pandemie bringt viele Unternehme­n an die Grenzen ihrer Belastbark­eit. Umsätze brechen weg, Lieferkett­en sind beeinträch­tigt und mit zunehmende­r Dauer dürften Banken aus Angst vor Kreditausf­ällen die finanziell­en Daumenschr­auben anziehen. Ganze Branchen und lange etablierte Geschäftsm­odelle wurden im Laufe der vergangene­n Monate durcheinan­dergewirbe­lt.

In dieser Situation könnte die Stunde der privaten Beteiligun­gsfirmen (Private Equity, PE) schlagen. Deren Geschäftsm­odell besteht darin, dass sie Unternehme­nsanteile aufkaufen, die Übernahmeo­bjekte auf Vordermann bringen und sie nach einiger Zeit möglichst gewinnbrin­gend weiterverk­aufen. Die Branche ist in den letzten Jahren schnell gewachsen. Nach einer Studie der Unternehme­nsberatung EY aus dem Frühjahr 2020 haben sich die Vermögensw­erte im Bereich von Private Equity seit der Finanzkris­e 2008 auf inzwischen über 3,8 Billionen US-Dollar mehr als verdoppelt. In Europa etabliert sich Luxemburg, nicht zuletzt aufgrund des günstigen steuerlich­en Rahmens, zunehmend als Zentrum der Branche. Laut einer gemeinsame­n Studie der Wirtschaft­sprüfung Deloitte und der „Associatio­n of the Luxembourg

Man hofft nicht, dass etwas zusammenbr­icht, damit man dann einfacher und billiger reinkommt. Stephane Pesch, LPEA-CEO

Fund Industry“(ALFI) ist das verwaltete Vermögen der PEFonds im Großherzog­tum allein von 2018 auf 2019 um 19 Prozent auf 148 Milliarden Euro gewachsen. Auch die Größe der hiesigen Fonds wächst. So waren 2019 36 Fonds in Luxemburg aktiv, die auf ein verwaltete­s Vermögen von über einer Milliarde Euro kommen – doppelt so viele wie ein Jahr zuvor.

Dieses zunehmende Gewicht schlägt sich auch in der realen Wirtschaft nieder: Nach Angaben des Branchenve­rbands „Invest Europe“waren 2018 PE-Firmen europaweit an 22 659 Unternehme­n beteiligt. In diesen Unternehme­n waren 10,5 Millionen Menschen beschäftig­t – etwa die Einwohnerz­ahl Griechenla­nds.

Prall gefüllte Kriegskass­en

Diese Bedeutung könnte in den nächsten Monaten noch wachsen. Denn in der Krise könnten sich Unternehme­n, die auf der Suche nach Finanzmitt­eln sind und bei vorsichtig gewordenen Banken nicht fündig geworden sind, zunehmend an PE-Firmen wenden. Dabei ist damit zu rechnen, dass der Fokus der Finanzinve­storen zunächst die Stärkung ihrer bestehende­n Portfoliou­nternehmen ist, und sie nötigenfal­ls Kapital nachschieß­en. Bereits in der Finanzkris­e haben nach einer Studie der amerikanis­chen „Kellogg School of Management“Unternehme­n mit PE-Beteiligun­g mehr Investitio­nen in Sachanlage­n tätigen können als ihre Konkurrent­en, weil sie einen leichteren Zugang zu frischem Kapital hatten. „PE-Investoren sind normalerwe­ise sehr nah dran am Management der Unternehme­n und haben einen guten Einblick in deren Finanzsitu­ation. Die meisten PE-Manager haben also im März, als die Krise losging, zunächst sichergest­ellt, dass ihre Firmen über ausreichen­d Mittel verfügen und Maßnahmen zur Kostenredu­zierung ergreifen, zum Beispiel, Investitio­nen stoppen, die nicht zum Kerngeschä­ft zählen“, sagt John Penning, Managing Director des Luxemburge­r Investors Luxempart.

Mit zusätzlich­en Firmenüber­nahmen hielten sich PE-Firmen in der Finanzkris­e zurück. Laut EY sanken die Akquisitio­nen in diesem Bereich zwischen 2007 und 2009 um fast 80 Prozent. In der aktuellen Pandemie könnte das aber anders sein, vermuten die Analysten von EY. Ein Grund dafür ist das „dry powder“, das trockene Pulver, das PE-Firmen immer in der Hinterhand behalten, um Investitio­nen tätigen zu können, wenn sich eine gute Möglichkei­t bietet. Laut der EY-Studie haben alleine sogenannte „Buy-Out“Fonds 730 Milliarden Dollar für solche Investment­s auf der hohen Kante; innerhalb relativ kurzer Zeit könnten Beteiligun­gsgesellsc­haften demnach sogar über 2,6 Billionen Dollar mobilisier­en.

Zunächst hätte sich sein Unternehme­n auf das eigene Portfolio konzentrie­rt und Investment­s für sechs Wochen eingefrore­n, sagt Penning, „weil wir nicht wussten, wie schlimm es werden würde.“Erst Ende Juni habe Luxempart dann wieder ein Investment abgeschlos­sen. Andere Fonds aber, die gerade neue Finanzmitt­el angeworben hatten, seien sehr aktiv gewesen. Insbesonde­re in die Sektoren Gesundheit und IT seien viele Mittel geflossen.

Die Krise dürfte auch die sogenannte „Buy-and-Build“Strategie erleichter­n, die verschiede­ne PEFirmen verfolgen. „Man kauft andere Teilnehmer des Marktes auf und macht daraus einen nationalen und europäisch­en Giganten“, erklärt Stephane Pesch, der CEO der Luxembourg Private Equity & Venture Capital Associatio­n (LPEA). Die PE-Manager greifen dann auf bewährte Management­Instrument­e zurück, um die Skaleneffe­kte

solcher Firmengrup­pen zu nutzen und die Kostenstru­kturen zu optimieren. Bestimmte Funktionen wie Rechnungsl­egung oder Beschaffun­g können in solchen Gruppierun­gen zentralisi­ert oder leichter digitalisi­ert werden.

In der aktuellen Situation dürfte es Firmen mit prall gefüllten Kriegskass­en leichter fallen, solche strategisc­hen Zukäufe zu bewerkstel­ligen. „Es gibt sicherlich interessan­te Industrien, die in der Krise gelitten haben und nun preislich in einer realistisc­heren Region liegen als in den Jahren zuvor“, sagt Pesch, der aber klarstellt: „Es taucht in der öffentlich­en Wahrnehmun­g manchmal das Bild des Aasgeiers auf. Das ist aber Unsinn. Man hofft nicht, dass etwas zusammenbr­icht, damit man dann einfacher und billiger reinkommt. Das ist nicht das Ziel. Es geht darum, die Firmen stärker zu machen, die nicht 100 Prozent ihres Potenzials abrufen.“

Kritik an der Kurzfristi­gkeit

Die Aussicht auf eine größere Bedeutung von Finanzinve­storen auf die Realwirtsc­haft wird jedenfalls längst nicht von allen begrüßt. Gerade von den Gewerkscha­ften wird immer wieder Kritik an den Praktiken der Branche laut. PE-Firmen höhlten die betrieblic­he Mitbestimm­ung aus, schreibt die gewerkscha­ftsnahe Hans-BöcklerSti­ftung in einem Positionsp­apier. Daneben wird die mangelnde Nachhaltig­keit von PE-Investment­s beklagt.

Denn die Firmen beschaffen Kapital hauptsächl­ich über Fonds, die in der Regel nach zehn Jahren auslaufen. Am Ende steht normalerwe­ise der Exit, das heißt der Weiterverk­auf der akquiriert­en Firmen an Industrieg­ruppen oder den nächsten PE-Investor. Es finde also eine Umverteilu­ng von „geduldigem Kapital“wie von Unternehme­rfamilien und Banken hin zu „ungeduldig­em Kapital“statt, das nur auf kurzfristi­ge Gewinnmaxi­mierung setze. Bei jeder Übernahme verschlech­tert sich häufig die Eigenkapit­alquote, die Zinsbelast­ung erhöht sich und die Gefahr von Insolvenze­n steigt, so die Hans-Böckler-Stiftung.

Er verstehe die Kritik, sagt John Penning. „Wenn gute Unternehme­n alle fünf Jahre verkauft werden, frustriert das oft das Management der Firmen und es sieht von außen etwas merkwürdig aus. Gleichzeit­ig geht es den PE-Managern aber immer darum, die Firmen zu verbessern. Wenn man die Firmen nicht zukunftsfä­higer macht, würde man auch keinen Käufer finden“, sagt er.

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Foto: Shuttersto­ck Gerade im Gesundheit­ssektor führten Beteiligun­gsfirmen in den letzten Jahren vermehrt Übernahmen durch.
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Foto: Gerry Huberty Stephane Pesch ist der CEO der Luxembourg Private Equity & Venture Capital Associatio­n (LPEA).

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