Massenhaft „Trockenes Pulver“
In der Krise könnte die Stunde der privaten Beteiligungsfirmen schlagen – viele sehen die Branche aber kritisch
Die aktuelle Pandemie bringt viele Unternehmen an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Umsätze brechen weg, Lieferketten sind beeinträchtigt und mit zunehmender Dauer dürften Banken aus Angst vor Kreditausfällen die finanziellen Daumenschrauben anziehen. Ganze Branchen und lange etablierte Geschäftsmodelle wurden im Laufe der vergangenen Monate durcheinandergewirbelt.
In dieser Situation könnte die Stunde der privaten Beteiligungsfirmen (Private Equity, PE) schlagen. Deren Geschäftsmodell besteht darin, dass sie Unternehmensanteile aufkaufen, die Übernahmeobjekte auf Vordermann bringen und sie nach einiger Zeit möglichst gewinnbringend weiterverkaufen. Die Branche ist in den letzten Jahren schnell gewachsen. Nach einer Studie der Unternehmensberatung EY aus dem Frühjahr 2020 haben sich die Vermögenswerte im Bereich von Private Equity seit der Finanzkrise 2008 auf inzwischen über 3,8 Billionen US-Dollar mehr als verdoppelt. In Europa etabliert sich Luxemburg, nicht zuletzt aufgrund des günstigen steuerlichen Rahmens, zunehmend als Zentrum der Branche. Laut einer gemeinsamen Studie der Wirtschaftsprüfung Deloitte und der „Association of the Luxembourg
Man hofft nicht, dass etwas zusammenbricht, damit man dann einfacher und billiger reinkommt. Stephane Pesch, LPEA-CEO
Fund Industry“(ALFI) ist das verwaltete Vermögen der PEFonds im Großherzogtum allein von 2018 auf 2019 um 19 Prozent auf 148 Milliarden Euro gewachsen. Auch die Größe der hiesigen Fonds wächst. So waren 2019 36 Fonds in Luxemburg aktiv, die auf ein verwaltetes Vermögen von über einer Milliarde Euro kommen – doppelt so viele wie ein Jahr zuvor.
Dieses zunehmende Gewicht schlägt sich auch in der realen Wirtschaft nieder: Nach Angaben des Branchenverbands „Invest Europe“waren 2018 PE-Firmen europaweit an 22 659 Unternehmen beteiligt. In diesen Unternehmen waren 10,5 Millionen Menschen beschäftigt – etwa die Einwohnerzahl Griechenlands.
Prall gefüllte Kriegskassen
Diese Bedeutung könnte in den nächsten Monaten noch wachsen. Denn in der Krise könnten sich Unternehmen, die auf der Suche nach Finanzmitteln sind und bei vorsichtig gewordenen Banken nicht fündig geworden sind, zunehmend an PE-Firmen wenden. Dabei ist damit zu rechnen, dass der Fokus der Finanzinvestoren zunächst die Stärkung ihrer bestehenden Portfoliounternehmen ist, und sie nötigenfalls Kapital nachschießen. Bereits in der Finanzkrise haben nach einer Studie der amerikanischen „Kellogg School of Management“Unternehmen mit PE-Beteiligung mehr Investitionen in Sachanlagen tätigen können als ihre Konkurrenten, weil sie einen leichteren Zugang zu frischem Kapital hatten. „PE-Investoren sind normalerweise sehr nah dran am Management der Unternehmen und haben einen guten Einblick in deren Finanzsituation. Die meisten PE-Manager haben also im März, als die Krise losging, zunächst sichergestellt, dass ihre Firmen über ausreichend Mittel verfügen und Maßnahmen zur Kostenreduzierung ergreifen, zum Beispiel, Investitionen stoppen, die nicht zum Kerngeschäft zählen“, sagt John Penning, Managing Director des Luxemburger Investors Luxempart.
Mit zusätzlichen Firmenübernahmen hielten sich PE-Firmen in der Finanzkrise zurück. Laut EY sanken die Akquisitionen in diesem Bereich zwischen 2007 und 2009 um fast 80 Prozent. In der aktuellen Pandemie könnte das aber anders sein, vermuten die Analysten von EY. Ein Grund dafür ist das „dry powder“, das trockene Pulver, das PE-Firmen immer in der Hinterhand behalten, um Investitionen tätigen zu können, wenn sich eine gute Möglichkeit bietet. Laut der EY-Studie haben alleine sogenannte „Buy-Out“Fonds 730 Milliarden Dollar für solche Investments auf der hohen Kante; innerhalb relativ kurzer Zeit könnten Beteiligungsgesellschaften demnach sogar über 2,6 Billionen Dollar mobilisieren.
Zunächst hätte sich sein Unternehmen auf das eigene Portfolio konzentriert und Investments für sechs Wochen eingefroren, sagt Penning, „weil wir nicht wussten, wie schlimm es werden würde.“Erst Ende Juni habe Luxempart dann wieder ein Investment abgeschlossen. Andere Fonds aber, die gerade neue Finanzmittel angeworben hatten, seien sehr aktiv gewesen. Insbesondere in die Sektoren Gesundheit und IT seien viele Mittel geflossen.
Die Krise dürfte auch die sogenannte „Buy-and-Build“Strategie erleichtern, die verschiedene PEFirmen verfolgen. „Man kauft andere Teilnehmer des Marktes auf und macht daraus einen nationalen und europäischen Giganten“, erklärt Stephane Pesch, der CEO der Luxembourg Private Equity & Venture Capital Association (LPEA). Die PE-Manager greifen dann auf bewährte ManagementInstrumente zurück, um die Skaleneffekte
solcher Firmengruppen zu nutzen und die Kostenstrukturen zu optimieren. Bestimmte Funktionen wie Rechnungslegung oder Beschaffung können in solchen Gruppierungen zentralisiert oder leichter digitalisiert werden.
In der aktuellen Situation dürfte es Firmen mit prall gefüllten Kriegskassen leichter fallen, solche strategischen Zukäufe zu bewerkstelligen. „Es gibt sicherlich interessante Industrien, die in der Krise gelitten haben und nun preislich in einer realistischeren Region liegen als in den Jahren zuvor“, sagt Pesch, der aber klarstellt: „Es taucht in der öffentlichen Wahrnehmung manchmal das Bild des Aasgeiers auf. Das ist aber Unsinn. Man hofft nicht, dass etwas zusammenbricht, damit man dann einfacher und billiger reinkommt. Das ist nicht das Ziel. Es geht darum, die Firmen stärker zu machen, die nicht 100 Prozent ihres Potenzials abrufen.“
Kritik an der Kurzfristigkeit
Die Aussicht auf eine größere Bedeutung von Finanzinvestoren auf die Realwirtschaft wird jedenfalls längst nicht von allen begrüßt. Gerade von den Gewerkschaften wird immer wieder Kritik an den Praktiken der Branche laut. PE-Firmen höhlten die betriebliche Mitbestimmung aus, schreibt die gewerkschaftsnahe Hans-BöcklerStiftung in einem Positionspapier. Daneben wird die mangelnde Nachhaltigkeit von PE-Investments beklagt.
Denn die Firmen beschaffen Kapital hauptsächlich über Fonds, die in der Regel nach zehn Jahren auslaufen. Am Ende steht normalerweise der Exit, das heißt der Weiterverkauf der akquirierten Firmen an Industriegruppen oder den nächsten PE-Investor. Es finde also eine Umverteilung von „geduldigem Kapital“wie von Unternehmerfamilien und Banken hin zu „ungeduldigem Kapital“statt, das nur auf kurzfristige Gewinnmaximierung setze. Bei jeder Übernahme verschlechtert sich häufig die Eigenkapitalquote, die Zinsbelastung erhöht sich und die Gefahr von Insolvenzen steigt, so die Hans-Böckler-Stiftung.
Er verstehe die Kritik, sagt John Penning. „Wenn gute Unternehmen alle fünf Jahre verkauft werden, frustriert das oft das Management der Firmen und es sieht von außen etwas merkwürdig aus. Gleichzeitig geht es den PE-Managern aber immer darum, die Firmen zu verbessern. Wenn man die Firmen nicht zukunftsfähiger macht, würde man auch keinen Käufer finden“, sagt er.