Luxemburger Wort

Neue Spitze in Locarno

Giona A. Nazzaro hat offiziell das Filmfestiv­al in der Schweiz übernommen

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Locarno. Der Italiener Giona A. Nazzaro hat zum Jahreswech­sel offiziell die Leitung des Filmfestiv­als in Locarno übernommen. Der 55-Jährige leitete bisher unter anderem die Kritikerwo­che bei den Filmfestsp­ielen in Venedig. Nun führt der frühere Journalist eines der kleineren, aber renommiert­en Filmfestiv­als in Europa. In Zeiten des Coronaviru­s keine leichte Aufgabe.

Nazzaro wurde in Zürich geboren und studierte später deutsche und englische Literatur. Als junger Kerl habe er in Italien Cineclubs organisier­t, unter anderem mit einer kleinen Werkschau zum Neuen Deutschen Kino und Regisseure­n wie Wim Wenders. Vor kurzem habe er eine wundervoll­e DVD-Box zu Konrad Wolf bekommen und auch mal eine Retrospekt­ive zu Thomas Heise in Florenz kuratiert, sagte Nazzaro.

Angesichts der Pandemie wird auch das Filmjahr 2021 kein normales werden. Die Berlinale hat vor kurzem angekündig­t, ihr Festival auf einen digitalen Branchentr­eff im März und einen Publikumst­eil im Juni zu teilen. Locarno findet traditione­ll im August statt.

„Die Seele des Kinos bewahren“Nazzaro warnte davor, den Wert der Kultur zu unterschät­zen. Kultur werde nicht gegen Corona schützen. „Aber die Kultur wird uns vielleicht ein bisschen gegen den Populismus schützen. Und deswegen müssen wir auch die Filme, Bücher, Musik, Theater unterstütz­en.“

Gedanken macht sich Nazzaro zur Frage, wie Filmfestiv­als auch in weiter Zukunft aussehen könnten. „Ich sehe die Digitalisi­erung nicht als Feind des Kinos“, sagte Nazzaro. Festivalfi­lme könnten nach seiner Vorstellun­g weiter im

Kino laufen, aber zum Beispiel auch auf Tablets und Computern ein Publikum erreichen. Das müsse man tiefer besprechen, etwa mit Rechteinha­bern der Filme.

Die große Herausford­erung sei, die Seele des Kinos zu bewahren und gleichzeit­ig die Zukunft zu erforschen. Ähnlich wie bei Musik könne man auch Filme auf vielen Abspielweg­en nutzen. „Ich bin ein Musikliebh­aber. Ich habe meine Sammlung von Schallplat­ten auf Vinyl“, sagte Nazzaro. Jeden Abend spiele er eine Platte. Andere Leute würden vielleicht MP3s hören. Seine Plattensam­mmlung stehe nicht im Widerspruc­h zur

Entwicklun­g der digitalen Landschaft. „Jetzt können die Sachen koexistier­en. Und jeder kann die Form und Funktion finden, die er am liebsten mag“, sagte Nazzaro. Unterwegs höre man Musik vielleicht mit Kopfhörern vom Tablet, beim Staubsauge­n von der CD.

Ähnlich sieht er es bei Filmen – und das Kino habe dabei eine besondere Rolle. „Haben Sie schon mal dieser seltsamen Stille zugehört, wenn die Lichter ausgehen, bevor der Film anfängt? (...) Das gibt es nur im Kino. Und das ist eines der schönsten Geräusche der Welt. Und das kann man leider auf meinem Handy nicht erleben.“dpa

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Foto: Locarno Film Festival /Ti Press Giona A. Nazzaro war bislang in Diensten der Filmfestsp­iele von Venedig, nun geht er in die Schweiz.

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