Luxemburger Wort

„Wir haben viele Leben gerettet“

Mobilitäts­minister François Bausch zieht in Sachen Verkehrssi­cherheit Bilanz

- Interview: Maximilian Richard

Die Unfallstat­istiken entwickeln sich für Mobilitäts­minister François Bausch zwar in die richtige Richtung, allerdings sind noch viele Anstrengun­gen notwendig. Dafür sollten auch Lehren aus der Pandemie gezogen werden. Es brauche eine größere Bereitscha­ft und Akzeptanz für Verkehrssi­cherheitsm­aßnahmen – ähnlich wie es auch bei der Pandemie der Fall ist. Denn es gehe schließlic­h darum, Leben zu retten.

Mit 22 Opfern sank 2019 die Zahl der Verkehrsto­ten auf ein Rekordtief. Im vergangene­n Jahr sind die Zahlen wieder leicht gestiegen.

Laut den aktuellen Bruttozahl­en (siehe Kasten) liegen wir für 2020 bei 26 Verkehrsto­ten. Trotzdem zählt das Jahr zu den bislang positivste­n in Sachen Verkehrssi­cherheit. 2019 lagen wir bei 22,

Für Mobilitäts­minister François Bausch haben Verkehrsko­ntrollen einen wichtigen psychologi­schen Effekt.

2018 bei 36, 2017 bei 25. Im Durchschni­tt liegen die Zahlen unter 30, der langjährig­e Trend ist demnach sinkend. Zum Vergleich: Im Jahr 2013 lag die Zahl der Verkehrsto­ten noch bei 45. Positiv ist die Entwicklun­g aber auch bei den Unfällen mit Schwerverl­etzten. Man muss aber stets berücksich­tigen, dass in Luxemburg mit kleinen Ziffern hantiert wird. Ein schwerer Unfall mit mehreren Todesopfer­n wie etwa im vergangene­n Juli im Gousselerb­iergTunnel hat sofort größere Auswirkung­en auf die Gesamtbila­nz.

Man hätte aber vielleicht annehmen können, dass der Lockdown Anfang des Jahres einen positiven Einfluss auf die Unfallstat­istiken haben könnte.

Das Verkehrsau­fkommen ist eigentlich nur während einer relativ kurzen Phase drastisch zurückgega­ngen, nämlich von Ende März bis Ende April. In der Regel ist dies jedoch eine Periode, in der sowieso verhältnis­mäßig weniger Unfälle geschehen. Dies ist eher im Sommer oder im Herbst der Fall. Dann ereignen sich die meisten schweren Unfälle. Zum einen tendieren Verkehrste­ilnehmer bei guten Wetterverh­ältnissen mehr dazu, auf das Gaspedal zu drücken. Zum anderen führen die schlechter­en Sichtverhä­ltnisse gegen Ende des Jahres ebenfalls zu mehr Unfällen. Der Lockdown hatte eigentlich überhaupt keinen Impakt auf die Statistike­n.

Für den Präsidente­n der Associatio­n des victimes de la route, Raymond Schintgen, war 2020 ein verlorenes Jahr in Sachen Verkehrssi­cherheit. Unter anderem, weil weniger über das Thema gesprochen wurde. Wie ist Ihre Einschätzu­ng?

Herr Schintgen hat natürlich nicht ganz unrecht. Die sanitäre Krise war so dominant, dass alle anderen Themen in den Hintergrun­d gerückt wurden. Allerdings lassen sich aus der Pandemie auch Schlüsse für die Verkehrssi­cherheit ziehen. Wenn man sieht, welche gewaltigen Anstrengun­gen derzeit unternomme­n werden, um Leben zu retten, und dies mit den Opferzahle­n im Straßenver­kehr vergleicht, dann müssen wir uns einige Fragen stellen. Die Pandemie hat natürlich schlimme Auswirkung­en, die Krise wird aber wohl nach einem oder anderthalb Jahren ausgestand­en sein. Bei den Verkehrsto­ten sind die Zahlen aber seit Jahren hoch. In Europa sterben jährlich etwa 26 000 Menschen auf den Straßen, weltweit sind es 1,4 Millionen Menschen. Die Pandemie hat zum Vergleich bislang etwa 1,8 Millionen Leben gefordert. Das sind weltweit zwar ähnliche Verhältnis­se, bei den angestrebt­en Maßnahmen und auch beim Verständni­s für diese gibt es allerdings eine riesige Diskrepanz. Hier würde ich mir ganz klar ein Umdenken und mehr Bereitscha­ft zum Handeln wünschen.

Wie soll ein solches Umdenken denn erreicht werden?

Das geht nur, wenn Politiker den Mut haben, Maßnahmen zu treffen und sich der Diskussion zu stellen. Das habe ich in den vergangene­n sieben Jahren auch versucht. Die Zahlen zeigen, dass Maßnahmen wie die Einführung der Radargerät­e wirken, auch wenn ich anfangs dafür stark kritisiert wurde. Wir haben viele Leben gerettet und viel Leid verhindert. Das alles reicht aber nicht, jeder Tote und jeder Verletzte ist für mich einer zu viel. Was wir brauchen, ist, dass die Gesellscha­ft sich allgemein mehr mit ihrem Mobilitäts­verhalten auseinande­rsetzt. Verkehrssi­cherheit hat deshalb auch mit Mobilitäts­politik zu tun und welchen Stellenwer­t man dem Menschen in der Gesellscha­ft gegenüber verschiede­nen Gefährten gibt. Der Mensch gehört wieder in den Mittelpunk­t.

Im vergangene­n Jahr wurde der erste Streckenra­dar des Landes entlang der N 11 zwischen Waldhof und Gonderinge­n scharf gestellt. Zeigt das Gerät eine Wirkung?

Ja, durch den neuen Blitzer halten deutlich mehr Verkehrste­ilnehmer sich an die Geschwindi­gkeitsbesc­hränkungen, weil sie wissen, dass auf dem ganzen Streckenab­schnitt gemessen wird. Das Gerät löst zwar noch regelmäßig aus, bei Weitem aber nicht so viel wie fixe Blitzer. Wir wollen solche Sektorrada­re nun an weiteren gefährlich­en Streckenab­schnitten anbringen. Bis Ende des Jahres soll nun als Nächstes ein Sektorrada­r im Tunnel Markusberg folgen. Das Ziel ist es aber, alle größeren Tunnel des Landes mit einem solchen Gerät auszustatt­en.

Schon länger ist die Rede davon, dass Unterführu­ngen mit Sektorrada­ren ausgestatt­et werden sollen. Warum nimmt die Umsetzung so viel Zeit in Anspruch?

Die Installati­on solcher Geräte ist sehr technisch und aufwendig. Sie müssen homologier­t, getestet und kalibriert werden. Auch müssen verschiede­ne Prozeduren beachtet werden, und erst einmal entschiede­n werden, wo das Gerät hinkommen soll. Das nimmt alles Zeit in Anspruch. Vor allem, wenn es sich um das erste Gerät seiner Art handelt, kann das sehr aufwendig sein. Dann ist nämlich auch eine öffentlich­e Ausschreib­ung notwendig. Dies war nun ja auch zuletzt beim Ampelradar der Fall.

Am Ende ist es einfach ein Bewusstsei­nsproblem.

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