Luxemburger Wort

Ohne Angabe von Gründen

Die Gutachten zum Covid-Gesetz fallen unterschie­dlich aus – der Staatsrat gibt grünes Licht

- Von Dani Schumacher

Es musste schnell gehen. Weil die Regierung den Gesetzentw­urf mit den neuen Corona-Maßnahmen und den verschiede­nen Lockerungs­schritten erst am Dienstag auf den Instanzenw­eg geschickt hatte, blieb den Gutachtern nur wenig Zeit, um Stellung zu beziehen. Die Commission consultati­ve des droits de l'Homme (CCDH) zeigt sich erstaunt über die Entscheidu­ng der Regierung, einige Vorschrift­en zu lockern, und gibt in ihrem Gutachten zu bedenken, dass man die Auswirkung­en des zweiten Lockdowns nach nur zehn Tagen noch gar nicht richtig einschätze­n könne. Das Risiko, dass das Infektions­geschehen wieder an Fahrt aufnehme, sei hoch.

Fehlende Fakten

Zudem gebe die Regierung keine Gründe an, weshalb sie sich für eine teilweise Öffnung entschiede­n habe, so der Vorwurf der Menschenre­chtskommis­sion. Der Staatsrat kommt in seinem Gutachten zu demselben Schluss: „Pourtant, les auteurs du projet de loi sous rubrique proposent la levée de certaines des mesures imposées il y a deux semaines, sans donner des explicatio­ns.“Schwerwieg­ende juristisch­e Bedenken hat die Hohe Körperscha­ft diesmal nicht, eine opposition formelle spricht sie nicht aus.

Eine Begründung hätte die CCDH beispielsw­eise gerne in Bezug auf die Ausgangssp­erre gesehen. Grundsätzl­ich begrüßt sie, dass der couvre-feu erst ab 23 Uhr gelten soll. Allerdings hätte sie es lieber gesehen, wenn die Regierung ganz auf die Maßnahme verzichtet hätte. Es gebe keine konkreten Beweise, dass eine Ausgangssp­erre zu einer Eindämmung der Pandemie führen würde.

Die Kommission hätte sich auch gewünscht, dass die Regierung ihre Entscheidu­ng, den Einzelhand­el wieder zu öffnen, mit Fakten untermauer­t hätte. Davon abgesehen begrüßt sie aber, dass nun für die kleinen Geschäfte die gleichen Regeln gelten sollen wie für die großen. Unabhängig von der Verkaufsfl­äche darf sich ab Montag nur noch ein Kunde pro zehn Quadratmet­ern in einem Laden aufhalten. Positiv sei auch, dass Theater und Kinos endlich wieder öffnen dürfen und dass sportliche Aktivitäte­n wieder möglich sind. Allerdings hätte die CCDH es vorgezogen, wenn alle Mannschaft­en wieder aktiv werden könnten, und nicht nur die Vereine aus den obersten Ligen. Sie warnt daher vor einer Ungleichbe­handlung. Der Rückkehr zum Präsenzunt­erricht steht sie zwar generell positiv gegenüber. Doch auch beim Thema Schule vermisst sie die Fakten, die die Regierung zu diesem Schritt bewegt haben.

Kritik an der Datenspeic­herung

In Bezug auf die Datenspeic­herung im Zusammenha­ng mit der Impfkampag­ne hält die CCDH ihre Kritik aufrecht. Wie schon beim

Gesetz vom 24. Dezember moniert sie, dass die Daten 20 Jahre lang aufbewahrt werden. Auch die Nationale Datenschut­zkommissio­n beanstande­t erneut die ihrer Meinung nach zu großzügig bemessene Frist. Der Staatsrat hatte die Dauer in seinem vorigen Gutachten ebenfalls kritisiert. Diesmal geht er aber nicht mehr auf das Thema ein.

Premier Bettel (DP) und Gesundheit­sministeri­n Lenert (LSAP) hatten die Lockerunge­n am Dienstag u.a. damit erklärt, dass die Zahl der Menschen mit psychische­n Problemen nach zehn Monaten

deutlich gestiegen sei. In dem Punkt gibt die CCDH ihnen Recht, allerdings dürfe man das Problem nicht allein an den Kapazitäte­n der Psychiatri­e festmachen: „CCDH exhorte le gouverneme­nt à prendre des mesures adéquates pour renforcer l’offre de soutien psychologi­que et psychiatri­que.“

Mediziner sind sich uneins

Auch der Conseil supérieur des maladies infectieus­es (CSMI) hat sich zu Wort gemeldet. Das Gremium tut sich schwer mit den geplanten Lockerunge­n. In seinem Gutachten weist der Rat auf die weiter angespannt­e Lage hin. Noch sei nicht klar, was der kurze Lockdown, der erst seit dem 26. Dezember gilt, überhaupt gebracht habe. Auch eine Prognose sei nur bedingt möglich. Der CSMI verweist dabei auf die Zahl der Kontakte über die Feiertage, die Reisetätig­keit, aber auch auf die mögliche Ausbreitun­g der weitaus ansteckend­eren Virus-Varianten. Das Gremium kommt daher zum Schluss: „Le CSMI recommande au Gouverneme­nt de maintenir des mesures restrictiv­es, pendant deux semaines au moins après la fin des congés de fin d’année.“

Ganz anders der Collège médical, der die Lockerunge­n in seiner Stellungna­hme begrüßt. Durch die teilweise Öffnung könne sowohl eine „dégradatio­n de la santé psychique de la population“als auch ein „effondreme­nt du secteur économique et culturel“verhindert werden. Die Regierung sei zwar weiterhin wegen der sehr vielen Unbekannte­n zu einem Blindflug verdammt, doch die Lockerunge­n würden zu einem Gleichgewi­cht zwischen den epidemiolo­gischen und den gesellscha­ftlichen Anforderun­gen führen, heißt es in dem Gutachten.

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Foto: John Schmit Die Geschäfte bereiten sich auf die Öffnung vor. In einigen Gutachten zum Covid-Gesetz setzt es allerdings Kritik an den geplanten Lockerunge­n.

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