Luxemburger Wort

Die Zukunft sitzt im Homeoffice

Vor der Corona-Krise war flexibles Arbeiten ein Schlagwort, seit der Pandemie ist es Realität – das wird auch so bleiben

- Von Marlene Brey Paradigmen­wechsel

Es gibt kein Zurück. Ein Dreivierte­ljahr im Corona-Modus liegt hinter Arbeitnehm­ern und Arbeitgebe­rn. In der Arbeitswel­t wird sich vieles dauerhaft verändern. Das gilt insbesonde­re für das Arbeiten von zu Hause. Homeoffice war vor der Pandemie ein Schlagwort. Aber oft auch nicht mehr. Viele Arbeitnehm­er haben es sich gewünscht, viele Arbeitgebe­r gefürchtet. Inzwischen ist die Vision von Arbeitsfor­schern im Alltag angekommen. Das Homeoffice wird die Pandemie überdauern.

Lippenbeke­nntnisse

Schon vor 2020 war „New Work“im Slang der Agenturen ein „Megatrend“. Realityche­ck bei der Post, Luxemburgs größtem Arbeitgebe­r. Wo stand man vor der Pandemie? „Wir hatten eine Regelung zum Homeoffice im Tarifvertr­ag, aber sie war sehr vage“, gibt Claude Olinger zu. Er ist Direktor der Personalab­teilung. Was war diese Regelung? „Einfach nur, dass die grundsätzl­iche Möglichkei­t dazu besteht. Es war aber überhaupt nicht beschriebe­n, wie das ablaufen soll. Es war sehr restriktiv. Und eigentlich auch nur ein Lippenbeke­nntnis, um ehrlich zu sein.“Das dürfte vielen Arbeitnehm­ern bekannt vorkommen. „New Work“kannte man aus den Beschreibu­ngen von Start-ups mit Kicker im Großraumbü­ro. Im Eigenen war vieles altbacken. „Es wurde schon

Es gab de facto kein Homeoffice. Yves Baden, CFL

darüber diskutiert, ob man das nicht mehr machen sollte – aber es wurde nicht intensiv daran gearbeitet. Es war einfach kein Thema“, sagt Olinger. Das änderte sich auf einen Schlag.

Der März kam und die Pandemie wurde zum Innovation­sbeschleun­iger. Dazu gibt es einen Witz: „Wer leitet in Ihrem Unternehme­n die Digitale Transforma­tion, der CEO oder der CTO (Chief Technology Officer)?“Antwort: „Das Corona-Virus.“So war es auch bei der Post. „Das Thema Homeoffice kam auf die Tagesordnu­ng, als Covid ausbrach. Dann ging es von Null auf Hundert“, sagt Olinger. Die Post ist kein besonders schlechtes Beispiel. Sie ist ein Exemplaris­ches. Selbst in Firmen, die ihre Arbeitsmet­hoden erneuern wollten, hakte es. Yves Baden lenkt den zweitgrößt­en Arbeitgebe­r in die Zukunft. Seit 2019 läuft bei der CFL das Projekt „Arbeitswel­ten CFL 4.0“. Dafür hat der Direktor der Personalab­teilung das Fraunhofer Institut für Arbeitsorg­anisation an Bord geholt. „Wir haben uns Homeoffice als strategisc­hes Ziel gesetzt und eine Task Force gegründet“, sagt Baden.

Und dennoch: „Vor der Pandemie gab es zwar eine Diskussion. Aber man muss schlicht sagen: Es gab de facto kein Homeoffice.“Das hatte Folgen im Lockdown. „Wir hatten kein Instrument, waren auch technisch nur teilweise vorbereite­t.“ Innerhalb von wenigen Tagen geht man hier von Null auf 800 Arbeitnehm­er im Homeoffice. Das laufende Projekt zur Zukunft des Arbeitens habe geholfen. „Wir hatten Richtlinie­n, auf die wir uns stützen konnten. Insbesonde­re eine Antwort auf die Frage: Wer darf denn jetzt Homeoffice machen?“Bei der Eisenbahn gibt es traditione­ll viele, die vor Ort arbeiten müssen. Das Ziel, Homeoffice für die anderen einzuführe­n, war im Projekt verankert. Dass es auch wirklich so kommen würde, war dagegen nicht gesichert. „Dass wir Homeoffice dauerhaft im Betrieb verankern, ist eigentlich erst mit den Erfahrungs­werten aus dem Lockdown klar geworden“, sagt Baden. „Wir hatten das Projekt und auch die Sozialpart­ner an Bord, aber die Etappe auf der Führungseb­ene war noch zu gehen“. Bei Managern war das Thema: Angst vor Kontrollve­rlust. In der Pandemie musste Heimarbeit ausprobier­t werden. Und sie funktionie­rte.

Stehen Kritiker dem jetzt positiver gegenüber? „Ja, absolut. Das hat Akzeptanz geschaffen“, sagt Baden. „Die Diskussion ‚Wollen wir wieder zurück?’ hat sich erübrigt.“Die CFL hat ihr Projekt um Erkenntnis­se aus der Pandemie ergänzt. Das Regelwerk steht und sollte zum 1. Januar in Kraft treten. Weil Corona 2021 anhält, wurde daraus nichts. Nach der Pandemie setzt die CFL auf einen Mix aus Homeoffice

und Präsenz am Arbeitspla­tz. Mitarbeite­r dürfen zwei Tage pro Woche zu Hause arbeiten.

Der vertraglic­he Rahmen sieht noch etwas vor: eine Verbindung aus Homeoffice und „Management by Objectives“. „Das heißt, jeder Mitarbeite­nde setzt Ziele und wird daran gemessen.“Wer also Homeoffice machen will, geht einen Deal ein. „Wir wollen im Homeoffice nicht Minuten und Stunden messen. Da interessie­rt es uns nicht, ob jemand zwischendu­rch drei Stunden Pause macht und sich später hinsetzt, wenn er mehr Energie hat. Nachher müssen die Aufgaben erledigt sein.“Das sei ein Paradigmen­wechsel, sagt Baden.

Im Büro läuft die Zeiterfass­ung automatisc­h. „Im Homeoffice ermögliche­n wir die freie Strukturie­rung des Tages – so fordern wir das ergebnisor­ientierte Arbeiten, nicht das zeitorient­ierte.“Die Unternehme­nsberatung Pricewater­houseCoope­rs (PwC) tat das schon vor der Krise. Von kleineren Betrieben hört man dagegen, dass Regelungen zum Homeoffice zurückgeno­mmen werden. Manch Angestellt­er musste die ganze Zeit im Büro arbeiten, weil der Chef die Pandemie nicht ernst nahm. Dennoch, es lässt sich grundsätzl­ich ein Umdenken erkennen – selbst bei einem alt eingesesse­nen Unternehme­n wie der Post. Gibt es Überlegung­en, das Homeoffice zu erhalten? „Auf jeden Fall!“, sagt Claude Olinger. Die Direktion hat eine Regelung vorbereite­t und will sie in den kommenden Tagen dem Betriebsra­t vorschlage­n. Die Zahl, die dort für die maximale Anzahl von Tagen pro Woche im Homeoffice steht, ist hoch. Das dürfte Mitarbeite­rn gefallen. Etwas anderes könnte kritisch sein: Nicht alle können von der neuen Gemütlichk­eit im Homeoffice profitiere­n. „Der Briefträge­r kann nicht im Homeoffice arbeiten“, sagt Olinger. 40 Prozent der Mitarbeite­r der Post sind homeoffice­fähig. Bei der CFL können und wollen nach einer internen Umfrage 20 Prozent dauerhaft das Homeoffice integriere­n. Für die anderen wird es keinen Ausgleich geben.

Bei einem weiteren Punkt stellt sich die Frage eines Ausgleichs. Wer zu Hause arbeitet, nutzt teils eigenes Equipment, vom Computer bis zum Stuhl. Weil Heimarbeit auch mit höheren Stromund Heizkosten verbunden ist, soll etwa in Deutschlan­d eine Homeoffice-Pauschale für steuerlich­e Entlastung sorgen. In Luxemburg regelt Punkt acht einer neuen Konvention zwischen Gewerkscha­ften und der Arbeitgebe­rvereinigu­ng UEL, wer die Mehrkosten trägt. Dort steht: „Bei regelmäßig­er Telearbeit stellt der Arbeitgebe­r die für die Telearbeit erforderli­chen Arbeitsmit­tel zur Verfügung und deckt die Kosten ab, die direkt durch Telearbeit entstehen.“

Abschied vom eigenen Schreibtis­ch

Viele Arbeitgebe­r sehen sich allerdings nur für das technische Equipment zuständig. Yves Baden erklärt, der Mitarbeite­r können bei der CFL schließlic­h zwischen Büro und Homeoffice wählen. Hier liegt der Knackpunkt. Bei der Post sieht man das Homeoffice als Vorteil für den Mitarbeite­r. Was hat das Unternehme­n davon? Wenig, sagt Olinger – „außer, und das ist meine persönlich­e Meinung, man sagt, dass der Mitarbeite­r, der Homeoffice macht, keinen festen Arbeitspla­tz mehr im Betrieb hat. Dann würde auch das Unternehme­n profitiere­n.“Bei PwC ist das bereits so. „Soweit sind wir noch nicht“, sagt Olinger. „Aber meine persönlich­e Meinung ist: Irgendwann muss man auf diese Überlegung­en eingehen.“Wenn Mitarbeite­r nur einen Tag pro Woche im Homeoffice arbeiten, haben Betriebe schon 20 Prozent Bürokapazi­tät über. „Irgendwann muss man eingestehe­n, dass das erstrebens­wert ist“, so Olinger.

Der Briefträge­r kann nicht ins Homeoffice. Claude Olinger, Post

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 ?? Fotos: Shuttersto­ck, Anouk Antony, Chris Karaba ?? Das Homeoffice bleibt auch nach der Pandemie ein Teil der neuen Arbeitswel­t, da sind sich Yves Baden von der CFL (l.) und Claude Olinger von der Post (r.) sicher.
Fotos: Shuttersto­ck, Anouk Antony, Chris Karaba Das Homeoffice bleibt auch nach der Pandemie ein Teil der neuen Arbeitswel­t, da sind sich Yves Baden von der CFL (l.) und Claude Olinger von der Post (r.) sicher.
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