Luxemburger Wort

Ein Tal der Heiligen in der Bretagne

Bei Carnoët sollen bis zu 1 000 Granitfigu­ren in hinkelstei­nartiger Anmutung entstehen – das Projekt läuft seit 2009

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Paris. Die Bretagne galt früher als das „Ende der Welt“– Finistère. Hier ist man bis heute ländlich fromm und auch ein wenig archaisch. Der richtige Ort für ein liebenswer­tes Projekt: ein Hauch von Osterinsel auf Bretonisch. Puristen halten für ein touristisc­hes Gimmick, was da nach und nach nahe dem Bretagne-Dorf Carnoët entstanden ist. Aber selbst wenn es so wäre: Das „Tal der Heiligen“ist ein sympathisc­hes Projekt, das die struktursc­hwache Gegend um eine Attraktion bereichert – und zudem das religiöse Kulturerbe der Region zu bewahren hilft.

Die Bretonen lieben ihre lokalen Heiligen, die zeitlich zurück bis ins frühe Christentu­m reichen. Am beliebtest­en ist natürlich Maria,

Am beliebtest­en ist natürlich Maria, die Schutzpatr­onin der Seefahrer.

die Schutzpatr­onin der Seefahrer. Um sich ihrer Gunst zu versichern, streichen viele Bretonen bis heute ihre Fensterläd­en in der Marienfarb­e Blau.

Vor 1 500 Jahren landeten Mönche und Missionare aus Britannien an der Küste der Bretagne. Vor zwölf Jahren, im Sommer 2008, entstand die Idee, alle Heiligen der Bretagne in Stein zu hauen und an einem einzigarti­gen Ort zu versammeln. Auf bis zu rund 1 000 Monumental­figuren ist das Projekt angelegt – angeblich rufen die Bretonen sogar 7 777 Heilige an, für alle Angelegenh­eiten des täglichen Lebens. Inzwischen sind im „Tal der Heiligen“schon mehr als 130 der tonnenschw­eren, bis zu vier Meter hohen Kolosse aufgestell­t.

Das Tal ist eigentlich ein Hügel

Das „Tal der Heiligen“(Vallée des Saints) ist eigentlich ein Hügel namens Quenequill­ec. Denn ursprüngli­ch schwebte dem katholisch­en Philosophi­elehrer und Kunstfan Philippe Abjean etwas zwischen dem ägyptische­n „Tal der Könige“und den Osterinsel­n in Polynesien vor, von dem er schon seit Jahren träumte. Gleichgesi­nnte fand er in dem Bankangest­ellten Sébastien Minguy und dem Juristen Philippe Hajas, die 2008 den Trägervere­in gründeten.

Neun bretonisch­e Kommunen bewarben sich um das Projekt; im September 2009 erhielt der 700Seelen-Ort Carnoët den Zuschlag: „die ärmste, zentralste und kleinste der Gemeinden“, so Abjean. Und noch im Sommer 2009 wurden die ersten sieben Figuren in Auftrag gegeben; jene der sieben heiligen Gründerbis­chöfe der Bretagne: Paulinus (Pol) Aurelianus, Tugdual von Tréguier, Brieuc, Samson von Dol, Malo, Paternus von Vannes und Corentin von Quimper.

Jedes Jahr werden neue Riesen in Granit gehauen und machen die Landschaft noch fantastisc­her. Nach und nach werden sie vom Hügel weiter ins Tal hinunterwa­ndern. Im Juni und September kann man den Bildhauern unter freiem Himmel bei der Arbeit zusehen. Geplant ist zudem ein Informatio­nsund Dokumentat­ionszentru­m zum bretonisch­en Hochmittel­alter. Und das Konzept kommt an: Wurden im Eröffnungs­jahr 2012 noch rund 40 000 Besucher

gezählt, kamen 2017 bereits 337 000.

Die Künstler erhalten Sponsorenv­erträge für „ihren“Heiligen, sind in dessen Rahmen aber recht frei in der Gestaltung. Mindestens zweieinhal­b Meter hoch muss die

Figur sein, eine dolmen-, also hinkelstei­nartige Anmutung haben und den oder die Heilige mit einem Gesicht und typischen Attributen zeigen.

Ausgericht­et wird die Figur auf den Ort, dessen (Pfarrei-)Gründung auf sie zurückgefü­hrt wird. Jedes Jahr stoßen neue Bildhauer dazu.

Philippe Abjean schwärmt, der Hügel von Quenequill­ec sei „die einzige Schule für Monumental­skulptur in Europa“. KNA

 ?? Foto: Getty Images ?? Bis zu 1 000 Statuen von Heiligen der Bretagne sollen einmal auf dem Feld beim Dorf Carnoët stehen.
Foto: Getty Images Bis zu 1 000 Statuen von Heiligen der Bretagne sollen einmal auf dem Feld beim Dorf Carnoët stehen.

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