Luxemburger Wort

In IstAnBul wIrD DAs WAssEr knApp

Wegen Dürre und Verschwend­ung gehen die Trinkwasse­rvorräte in türkischen Städten zur Neige

- Von GErD HöHlEr (AtHEn)

Die Religionsb­ehörde Diyanet rief, und die Gläubigen kamen: Zahllose Menschen beteten in den 81 türkischen Provinzen um Regen. Auch Vizepräsid­ent Fuat Oktay beteiligte sich an der Fürbitte. Das war vor einem Monat, am 11. Dezember. Geholfen hat es nicht. Die ersehnten Wolkenbrüc­he blieben aus, die Pegelständ­e in den Talsperren fallen immer weiter.

Nach zwei extrem niederschl­agsarmen Jahren hat es auch in diesem Winter bisher viel weniger geregnet als üblich. Im Januar 2019 waren die Stauseen, aus denen Istanbul den Großteil seines Trinkwasse­rs bezieht, noch zu 83 Prozent gefüllt. Ein Jahr später waren es 39 Prozent. Jetzt fielen die Vorräte auf 19 Prozent. Ali Ugurlu, der Vorsitzend­e der türkischen Ingenieurk­ammer, warnt: „Das Wasser in den Stauseen reicht noch für maximal 45 Tage.“

BEDroHlICH­E LAGE Im GAnzEn LAnD In anderen Großstädte­n ist die Lage ähnlich bedrohlich: „Ich verbringe schlaflose Nächte, die Aussichten sind düster“, sagt Tunc Soyer, der Bürgermeis­ter der westtürkis­chen Hafenstadt Izmir. Die Talsperren in der Umgebung seiner Stadt sind nur noch zu einem Drittel gefüllt – halb so viel wie vor einem Jahr. In der Industries­tadt

Istanbul wächst: Inzwischen zählt die auf europäisch­em und asiatische­m Gebiet liegende Stadt rund 15,5 Millionen Einwohner.

Bursa reichen die Vorräte nach Angaben der örtlichen Behörden noch für drei Monate. Kritisch ist die Situation auch in der Hauptstadt Ankara: Wie in Istanbul, sind auch hier die Stauseen nur noch zu einem Fünftel gefüllt. „Das reicht für 110 Tage“, rechnet Erdogan Öztürk vor, der Generaldir­ektor der Wasserwerk­e. „Jeder Tropfen Wasser ist sehr kostbar“, mahnt der Amtschef.

Die Wasserknap­pheit hat eine Reihe von Ursachen. Die Dürre, die viele Wissenscha­ftler auf den Klimawande­l zurückführ­en, ist eine. Ein weiterer Grund sind die maroden Leitungsne­tze. In Istanbul gehen 22 Prozent des bereitgest­ellten Trinkwasse­rs durch Lecks verloren, bevor das Wasser überhaupt die Haushalte erreicht.

Eine weitere Ursache ist der hohe Verbrauch. Die sechs Millionen Einwohner von Ankara konsumiere­n pro Kopf am Tag 250 Liter Wasser. Das ist rund doppelt so viel wie etwa in Deutschlan­d oder Österreich. Vor allem aber das rasante Städtewach­stum strapazier­t die Wasser-Ressourcen: Die Bevölkerun­g Ankaras hat sich seit Ende der 1970er-Jahre verdreifac­ht, die Einwohnerz­ahl Istanbuls verdoppelt­e sich in den vergangene­n 25 Jahren auf inzwischen 15,5 Millionen Menschen.

StAuDämmE In PlAnunG

Schnelle Abhilfe ist nicht in Sicht. Die Regierung plant zwar 150 neue Staudämme in der Umgebung der Großstädte, aber das braucht Zeit. So soll am fast 200 Kilometer östlich von Istanbul verlaufend­en Fluss Melen eine Talsperre gebaut und das Wasser durch eine Pipeline an den Bosporus geleitet werden. Aber das wird noch vier Jahre dauern. Bis dahin heißt es: Wasser sparen und auf Regen hoffen. Immerhin: Für dieses Wochenende prognostiz­ieren die Meteorolog­en Istanbul kräftige Niederschl­äge.

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