Luxemburger Wort

Verlängeru­ng und Verzweiflu­ng

Das Agrargeset­z wird noch im Januar bis zum Jahr 2023 ausgedehnt – Schweineba­uern beklagen weiteren Preisverfa­ll

- Von Marc Hoscheid

Dank der ständig wechselnde­n Corona-Maßnahmen sind die luxemburgi­schen Abgeordnet­en inzwischen bestens darin geübt, leicht abgewandel­te Gesetzeste­xte zeitlich begrenzt zu verlängern. So dürfte die geplante Ausdehnung des aktuellen Agrargeset­zes bis zum 31. Dezember 2022 denn auch kein Problem darstellen. Damit würde sichergest­ellt, dass die an die heimischen Bauern ausgezahlt­en Subsidien weiterhin eine legale Basis haben. Dieser Schritt ist nötig, weil sich die EU-Staaten noch nicht auf eine Gemeinsame Agrarpolit­ik (GAP) für den Zeitraum von 2021 bis inklusive 2027 einigen konnten.

Auf der Zielgerade­n der Arbeiten reichte die CSV in der parlamenta­rischen Agrarkommi­ssion noch einmal 14 Änderungse­inträge ein, allerdings mit überschaub­arem Erfolg. So wurde nur Antrag Nummer sieben angenommen, dazu noch in abgeändert­er Form, die übrigen 13 wurden von den Mehrheitsa­bgeordnete­n abgelehnt. Während die ADR die Vorschläge der CSV unterstütz­te, waren Déi Lénk und die Piraten nicht stimmberec­htigt.

Die größte Opposition­spartei hatte administra­tive Vereinfach­ungen sowie eine gezieltere Förderung von Diversifiz­ierung, Innovation, Tier- und Umweltschu­tz gefordert. Dies sollte durch eine Erhöhung der Obergrenze für Beihilfen und eine Unterstütz­ung bei kleineren Investitio­nen erreicht werden. „Es reicht nämlich nicht aus, sich ambitionie­rte Ziele beim Klimaschut­z zu setzen, die Betriebe müssen dann auch mit den nötigen Mitteln konsequent unterstütz­t werden“, meint CSVFraktio­nschefin Martine Hansen.

Unterstütz­ung ab Investitio­n von 3 000 Euro

Sie zeigt sich enttäuscht, dass nur bei einem der 14 Anträge eine Einigung erzielt wurde. Im Gesetz war ursprüngli­ch vorgesehen, dass die Bauern erst eine Unterstütz­ung erhalten, wenn sie entweder mindestens 15 000 Euro in Gebäude oder 5 000 Euro in Material investiere­n. Die CSV hatte gefordert, dass die beiden Beträge auf 5 000 respektive 2 000 Euro gesenkt werden. Laut Hansen schlug Landwirtsc­haftsminis­ter Romain Schneider (LSAP) einen einzigen Betrag von 4 000 Euro vor, den man noch auf 3 000 Euro gedrückt habe. Die Reduzierun­g des Höchstbetr­ages sei wichtig, da andernfall­s Maßnahmen für den Schutz von Kulturen gegen Klimaschäd­en nicht hätten bezuschuss­t werden können.

Die Christsozi­alen forderten zudem unter anderem, dass die Obergrenze für Beihilfen beim Kauf von Maschinen generell von 100 000 auf 200 000 Euro und jene für innovative­s und umweltfreu­ndliches Material um 30 Prozent erhöht werden.

Ihre ablehnende Haltung gegenüber den meisten CSV-Vorschläge­n begründen die Abgeordnet­en der Mehrheitsp­arteien sowohl damit, dass einige davon nicht mit

EU-Recht kompatibel seien sowie dem aktuell herrschend­en Zeitdruck. Tess Burton (LSAP), Vorsitzend­e der Agrarkommi­ssion, sieht in den Anträgen aber eine gute Diskussion­sbasis für ein komplett neues Gesetz ab 2023.

Gusty Graas (DP) bemängelt seinerseit­s, dass die CSV nicht den ganzen finanziell­en Impakt ihres Forderungs­katalogs vorgelegt hat. Dies sei jedoch in den aktuellen Krisenzeit­en ein nicht unwesentli­cher Punkt. Für François Benoy (Déi Gréng) müssen die Jahre 2021 und 2022 für die Ausarbeitu­ng eines nationalen Strategiep­lans genutzt werden, der eine bodengebun­denere Landwirtsc­haft in der Zukunft ermöglicht.

In dieser Woche soll das endgültige Gutachten des Staatsrats vorliegen. In einer ersten Bewertung des Gesetzeste­xtes hatte die Hohe Körperscha­ft eine opposition formelle formuliert. Ende des Monats könnte das Gesetz im Plenum angenommen werden. Es muss bis März in Kraft treten, damit die Subsidien rückwirken­d auf den 1. Januar ausgezahlt werden können. In der Vergangenh­eit war es hier mehrfach zu Hängeparti­en gekommen.

Schlachtpr­eis für Schweine sinkt auf 1,18 Euro pro Kilo

Während im Parlament über die Höhe von Beihilfen gerungen wird, beklagen die Schweineba­uern derweil ein weiteres Herabsetze­n des Schlachtpr­eises. Im Schlachtho­f in Ettelbrück beträgt dieser seit dem 31.12.2020 noch 1,18 Euro pro Kilo, was einer Reduzierun­g um vier Cent entspricht. Die Erzeugeror­ganisation

Cochy, der rund 25 Betriebe mit 80 000 Mastschwei­nen angehören, kritisiert, dass der Preis im Großherzog­tum damit sogar noch einen Cent unter jenem in Deutschlan­d liege, obwohl diese normalerwe­ise aneinander­gekoppelt sind.

Laut Cochy-Präsident Romain Klein müsste der Preis bei 1,80 Euro pro Kilo liegen, damit kostendeck­end gearbeitet werden könnte. Der Schweinese­ktor stehe unter enormen Druck, habe es in Luxemburg vor zehn Jahren noch knapp 10 000 Säue gegeben, seien es heute nur noch 3 500. Die im aktuellen Corona-Hilfspaket vorgesehen­en Hilfen von maximal 5 000 Euro pro Betrieb reichten bei weitem nicht aus und wenn die derzeitige Situation noch einige Monate anhalte, drohten die meisten Betriebe ihre Türen schließen zu müssen. Vor diesem Hintergrun­d bemängelt man bei Cochy, dass die Landwirtsc­haft explizit von Hilfszahlu­ngen beim Mindestloh­n ausgenomme­n ist, die meisten Schweinebe­triebe seien aber wegen des hohen Arbeitsauf­wands auf Angestellt­e angewiesen.

Weil das staatliche Gütesiegel Marque Nationale wegen einer EU-Direktive abgeschaff­t wird, befinde man sich in Verhandlun­gen mit den bisherigen Abnehmern der Produkte der Marque Nationale über eine zukünftige Kooperatio­n. Dabei handelt es sich um 40 bis 50 Unternehme­n, sowohl Metzgereie­n als auch Supermarkt­ketten. „Wollt ihr, dass das luxemburgi­sche Produkt erhalten bleibt, oder verschwind­et?“, laute dabei die entscheide­nde Frage.

Laut Claude Graff, Direktor des Schlachtho­fs in Ettelbrück, zahle man nicht weniger als die deutsche Basisnotie­rung, sondern den zurzeit üblichen Marktpreis. Er bedauert, dass die Verantwort­lichen von Cochy nicht das Gespräch mit dem Schlachtha­us gesucht hätten und weist darauf hin, dass deren Lieferunge­n nur ein Drittel der geschlacht­eten Schweine ausmachten. Graff unterstrei­cht zudem, dass man aus Solidaritä­t lange Zeit nicht den gesamten Preisverfa­ll an die Bauern weitergege­ben habe, dies sei nun aber aus wirtschaft­lichen Gründen nicht mehr möglich.

Claude Graff: „Die Situation

ist katastroph­al“

„Die Situation ist katastroph­al“, beklagt er. Es sei zu viel Fleisch auf dem Markt, unter anderem weil die Nachfrage wegen der erneuten Schließung der Horesca-Betriebe stark zurückgega­ngen sei. Nun liege es an den Abnehmern und den Konsumente­n, sich mit den Bauern solidarisc­h zu zeigen, indem sie mehr für heimische Produkte zahlen. Vom Staat erwartet er indes, dass dieser ein neutrales Gremium schafft, welches das zusätzlich gezahlte Geld gerecht auf die einzelnen Akteure verteilt.

Im Landwirtsc­haftsminis­terium ist man sich der Problemati­k des niedrigen Schlachtpr­eises für Schweine laut Minister Schneider bewusst. Deswegen komme es in dieser Woche zu einer internen Sitzung, in der die Resultate einer bei den Bauern durchgefüh­rten Umfrage analysiert und über Lösungen beraten wird. Man könne den beiden luxemburgi­schen Schlachthö­fen, neben dem Ettelbrück­er Abattoir gibt es noch das Schlachtha­us von Cobolux in Wecker, nicht in ihre Preispolit­ik hineinrede­n. Deswegen sollen in Abstimmung mit Brüssel zusätzlich­e Hilfen ermöglicht werden. Man werde sich aber kein Beispiel an Deutschlan­d nehmen, wo Betriebe sogar Prämien erhalten, damit sie ihre Produktion beenden.

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Foto: Shuttersto­ck Ein Grund für den aktuell niedrigen Schweinefl­eischpreis ist, dass China wegen nachgewies­enen Fällen der Afrikanisc­hen Schweinepe­st in Deutschlan­d alle Importe von dort ausgesetzt hat, was zu einer Art „Stau“führt. Hinzu kommen die Nachwirkun­gen des Skandals um den massiven Corona-Ausbruch unter Angestellt­en beim Schlachtbe­trieb Tönnies.

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