Erster türkiser Rücktritt
Die österreichische Arbeitsministerin stolpert über ihre Doktorarbeit
„Annahmen sind wie Seepocken an der Seite eines Bootes; sie verlangsamen uns.“Wer so ein markantes Zitat aus dem Wirtschaftsmagazin „Forbes“von Dr. Google übersetzen und in seine Dissertation einfließen lässt, macht sich für Plagiatsjäger verdächtig. Und wer dann aus dem Satz des OriginalAutors, er habe in seiner Karriere mit Hunderten Teams zusammengearbeitet, die Behauptung macht: „In dieser Dissertation wurde mit Hunderten von Teams (...) zusammengearbeitet“, der ist dran.
Ein Jahr und drei Tage nach ihrem Amtsantritt und zwei Tage nach dem ersten Auftauchen der Plagiatsvorwürfe warf Österreichs Arbeitsministerin Christina Aschbacher (ÖVP) das Handtuch. „Plagiate, falsche Zitate und mangelnde Deutschkenntnisse“hatte der bekannte österreichische „Plagiatsjäger“Stefan Weber in der Diplomarbeit und der Dissertation der Ministerin geortet. Stellenweise waren die entdeckten Mängel an Peinlichkeit nicht zu überbieten. Etwa diese: „Vielleicht, daher ist es seltsam, dass, wenn es irgendeine eine Phrase, die garantiert wird, um mich auf den Weg, es ist, wenn jemand zu mir sagt: 'Okay, fein. Du bist der Chef!'“, zitiert Aschbacher den britischen Unternehmer Richard Branson.
Wissenschaftliche Standards werden nicht eingehalten
Die 2006 an der Fachhochschule Wiener Neustadt verfasste Diplomarbeit („Kompetenzen im Vertrieb – Anforderungen im Key Account Management“) unterbiete alle wissenschaftlichen Standards, so Weber in seinem Blog. Hypothesen und Schlussfolgerungen der Arbeit seien plagiiert, die Arbeit sei sprachlich schwach, und Aschbacher habe „den Sinn wissenschaftlichen Arbeitens überhaupt nicht verstanden“. Selbiges gilt für die an der Technischen Universität Bratislava eingereichte Doktorarbeit („Entwurf eines Führungsstils für innovative Unternehmen“), die auf 134 Seiten 21 Prozent Plagiate enthalte.
Zusätzlich pikant: Als Arbeitsministerin hatte Aschbacher die Dissertation inmitten der CoronaKrise im Mai 2020, als wöchentlich neue Arbeitslosenzahlen verkündet wurden, abgegeben und im August die mündliche Prüfung abgelegt. Das war offenbar der Tupfen auf dem i, der auch Kanzler Sebastian Kurz Handlungsbedarf signalisierte.
Rücktritt ohne jedes Unrechtsbewusstsein
Aschbacher trat Samstag Abend zurück, allerdings mit keinem Zeichen von Unrechtsbewusstsein: „Alle jetzt erhobenen Vorwürfe, ich hätte die Arbeit während meiner Amtszeit als Ministerin verfasst und ich hätte vorsätzlich plagiiert, sind Unterstellungen und weise ich zurück.“Ihr werde kein faires Verfahren zugestanden, sondern sie erlebe nur Vorverurteilung: „Anfeindungen, die politische Aufgeregtheit und die Untergriffe leider nicht nur auf mich, sondern auch auf meine Kinder“hätten sich „mit unerträglicher Wucht entladen“.
Stefan Weber hatte mit den Arbeiten der Ex-Ministerin leichtes Spiel: Er ist Medienwissenschaftler und als Lektor an der Uni Wien Plagiatsgutacher, der diesen Weg einschlug, als seine eigene Doktorarbeit plagiiert wurde (vom Tübinger Theologen und Informatiker Joachim Fels). Bekanntheit erlangte Weber mit seinen Plagiatsvorwürfen gegen den damaligen Wissenschaftsminister Johannes Hahn – die Suppe wurde allerdings von Prüfern für zu dünn befunden, Hahn ist heute in dritter Amtsperiode EU-Kommissar. Auch den deutschen Bundestagspräsidenten Norbert Lammert hatte Weber schon im Visier ebenso wie eine Reihe weiterer österreichischer Politiker und Künstler.
Aschbacher wiederum galt Zeit ihrer Amtszeit nicht als die allergrößte Minister-Leuchte, um es salopp zu fomulieren. Die Steirerin, die in Minister-Kabinetten gearbeitet hatte und einer breiten Öffentlichkeit weithin unbekannt war bis zu ihrer Ernennung Anfang vergangenen Jahres, zeigte sich bei Auftritten im Fernsehen und Radio selten firm in der Materie, wiederholte vorgefertigte Phrasen und Textbausteine und garnierte alles – auch die Verkündung bitterster Arbeitslosenzahlen – mit einem Dauerlächeln.
Kanzler Sebastian Kurz hielt bis zu der Plagiatsgeschichte aber unverbrüchlich an ihr fest, auch wenn es in der Regierung hinter vorgehaltener Hand nur Spott und Hohn über die blasse Ministerin gab. Was nicht unbedingt für die Personalkompetenz des Kanzlers spricht: Unbedingte Loyalität zählt für den Kanzler über alle Maßen, Kompetenzen- und SchwächenEinschätzung ist, wie mehrere Beispiele zeigen, seine Sache eher nicht. Nachfolger Aschbachers wird Martin Kocher, Chef des Instituts für Höhere Studien, der das Schlüsselressort für den Wiederaufbau nach der Corona-Krise führen soll.
Unbedingte Loyalität zählt für den Kanzler über alle Maßen, Kompetenzen- und SchwächenEinschätzung ist seine Sache eher nicht.
später dann aber die Seiten wechselt, regiert Tschetschenien mit eiserner Faust. Ramsan beginnt seine Karriere als Leibwächter seines Vaters Ahmed Kadyrow – des ersten moskautreuen Präsidenten Tschetscheniens – und wird nach dessen Ermordung 2004 Putins neuer Statthalter in Grosny.
Er geht mit brutaler, unnachgiebiger Härte gegen Opposition und Zivilgesellschaft in der russischen Teilrepublik vor. Indem Kadyrow den ethnisch-nationalistischen Widerstand gewaltsam unterdrückt und seine zentralen Figuren systematisch eliminiert, dient er sich als loyaler Partner Moskaus an. Russlands Präsident Wladimir Putin gewährt Kadyrow im Gegenzug für seine Loyalität viele Freiheiten und uneingeschränkte, politische Rückendeckung.
Politische Morde
Dabei gehen zahlreiche politische Morde im In- und Ausland auf Kadyrows Konto. 2006 wird die bekannte russische Journalistin Anna Politkowskaja in Moskau erschossen. Sie war eine der schärfsten Kritikerinnen Kadyrows und hatte ihm mehrfach Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Das gleiche Schicksal ereilt die Menschenrechtsaktivistin Natalja Estemirowa, die 2009 in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny entführt und ermordet wird. Im gleichen Jahr wird ein innenpolitischer Rivale Kadyrows, Sulim Jamadajew, erschossen aufgefunden. Und in den Folterkammern Grosnys verschwinden heute noch nicht nur regelmäßig mutmaßliche Terroristen, sondern auch deren Angehörige, die nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen entführt, gefoltert und zum Teil umgebracht werden.
2015 wird der bekannte russische Oppositionspolitiker und Kadyrow-Kritiker, Boris Nemzow, vor der Kremlmauer in Moskau erschossen. Weltweites Aufsehen erregt 2019 auch der Mord am ethnischen Tschetschenen Selimchan Changoschwili im Berliner Tiergarten. Und obwohl die Spuren – wie auch in den zuvor genannten Fällen – immer wieder zu Kadyrow führen und dieser international auf Sanktionslisten steht, wird in Russland nie gegen ihn ermittelt. Denn Putin geht es vor allem um eins: den Machterhalt der Moskauer Zentralregierung in Tschetschenien, koste es, was es wolle. Keiner kann diese Macht in der einst abtrünnigen Nordkaukasusrepublik