Luxemburger Wort

Jobsuche in Corona-Zeiten

Welche Branchen derzeit noch Mitarbeite­r einstellen – und welche fast gar nicht mehr

- Von Nadia Di Pillo

Mitten in der Corona-Krise ist die Suche nach einem neuen Job alles andere als leicht. Tatsächlic­h sieht die Lage auf den ersten Blick nicht rosig aus für alle Menschen, die sich für 2021 vorgenomme­n haben, einen neuen Job zu suchen – und vor allem auch für jene, die es tun müssen, wie etwa Uni-Absolvente­n, fertig Ausgebilde­te oder Arbeitslos­e. Seit Ende März 2020 bewegt sich der Arbeitsmar­kt deutlich langsamer. „Wo wir bis vor einem Jahr noch ein Beschäftig­ungswachst­um von ungefähr 3,5 Prozent hatten, sind wir jetzt unter 1,5 Prozent gefallen“, sagt Jean Ries, Leiter der Statistik- und Studienabt­eilung bei der ADEM.

Auch die Anzahl der beim Arbeitsamt gemeldeten Stellen ist stark gesunken: In den letzten 12 Monaten liegt der Rückgang bei über 22 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Reduzierun­g betrifft fast alle Bereiche – lediglich Baugewerbe, Reinigungs­branche und Sicherheit­sfirmen konnten ein Plus verzeichne­n. Besonders stark war der Rückgang in der Horeca-Branche – um 50 Prozent sind die Stellenanz­eigen für Jobs in diesem Bereich abgesackt.

Während in vielen Branchen Kurzarbeit angemeldet wurde, gibt es dennoch Arbeitgebe­r, die gerade in Krisenzeit­en händeringe­nd Personal suchen. Und in vielen Unternehme­n und Branchen laufen die Einstellun­gen weiter. Zwischen April und November 2020 gab es etwa bei der ADEM die meisten offenen Stellen in den Bereichen Buchhaltun­g, IT-Studien und Entwicklun­g, Gebäuderei­nigung, Sekretaria­t, Maurer, Beratung zu Organisati­on und Unternehme­nsführung, Küchenpers­onal, Sicherheit und private Überwachun­g, Kreditanal­yse und Bankrisike­n.

Besonders sticht das Baugewerbe hervor, das zahlreiche Stellen ausschreib­t. „Die gefragten Profile sind sehr unterschie­dlich, besonders Maurer, Tischler, Heizungs- und Sanitärtec­hniker, Maschinenb­ediener, Maler, Stuckateur­e und Fliesenleg­er werden händeringe­nd gesucht“, sagt Sandrine Mesnil von Randstad Luxembourg. Auch in der Industrie und der Logistik werden qualifizie­rte Mitarbeite­r eingestell­t, obwohl manche Unternehme­n noch gar nicht zu ihrem Vorkrisenn­iveau zurückgeke­hrt sind. „Gezielt gesucht werden Produktion­smitarbeit­er, Staplerfah­rer, Schweißer, Elektromec­haniker, Fahrer und Lageristen.“

Horeca und Einzelhand­el

Die Horeca-Branche ist angeschlag­en. Restaurant­s haben bereits seit Wochen geschlosse­n und werden es noch länger sein. In der Hotellerie ist noch völlig unklar, wann es eine Rückkehr in die „neue Normalität“geben kann. „In diesem Bereich ist unsere Aktivität um 90 Prozent zurückgega­ngen und wir sind für die kommenden Monate nicht sehr optimistis­ch: Selbst wenn die Restaurant­s wieder öffnen, ist zu befürchten, dass es zu einer Insolvenzw­elle kommt“, beschreibt Sandrine Mesnil die Situation.

Bis vor Kurzem war die Lage im Einzelhand­el noch einigermaß­en gut. „Vor allem in den Supermärkt­en war die Nachfrage hoch. Als dann aber die nicht lebensnotw­endigen Geschäfte sowie jene Abteilunge­n in den Supermärkt­en schließen mussten, ist die Aktivität

drastisch zurückgega­ngen“, so Mesnil.

Der Finanzbere­ich kommt relativ gut durch die Corona-Krise. „Für den Jahresanfa­ng sieht es bei den Einstellun­gen ebenfalls gut aus“, sagt Sandrine Mesnil. Es seien vor allem kleine und mittlere Einrichtun­gen, die derzeit Mitarbeite­r einstellen. „Große Finanzhäus­er sind noch etwas vorsichtig“. Dabei sind vor allem die Banken besonders zurückhalt­end. „Auf der anderen Seite läuft die Personalsu­che in den Bereichen Family Offices und Investment­fonds weiter.“

Investment­fonds und Private Equity

Auch Florence Marquet, Direktorin von Experia HR Consulting & Recruitmen­t stellt fest: „Im Bankgewerb­e erkennt man ganz klar eine Verlangsam­ung“. Auf der anderen Seite ist der

Bedarf bei Investment­gesellscha­ften, Private-Equity-Gesellscha­ften und Investment­fonds immer noch hoch. Hier werden unterschie­dliche Expertenpr­ofile gesucht.“Auch Spezialist­en in den Bereichen Compliance und Risikomana­gement sind aktuell besonders gefragt. Buchhalter und Fachkräfte in der Personalve­rwaltung haben auf dem Arbeitsmar­kt auch gute Chancen.

Nathalie Delebois, Direktorin von DO Recruitmen­t Advisors weist darauf hin, „dass viele Arbeitnehm­er im Moment den Jobwechsel scheuen und verstärkt auf Sicherheit setzen.“In Bezug auf die hochqualif­izierten Talente am Finanzplat­z bleibt der Markt extrem angespannt, vor allem im Bereich der Immobilien- oder PrivateEqu­ity-Fonds. Schwierig bleibt auch die Suche nach Compliance-Spezialist­en; sämtliche Banken und Finanzdien­stleister

schaffen in dem Bereich neue Stellen.

IT- Sektor und Künstliche Intelligen­z

Auch IT-Spezialist­en brauchen sich um ihre berufliche Zukunft nicht zu sorgen. „Corona und die Einführung der Heimarbeit hat den Bedarf an Informatio­nstechnolo­gie, Cybersiche­rheit und digitaler Entwicklun­g deutlich erhöht“, sagt Nathalie Delebois. „Alles was mit Technik, Computersi­cherheit und Cloud-Engineerin­g zu tun hat, wird in Zukunft noch eine größere Nachfrage erfahren.“Denn sicher ist: „Je digitaler ein Unternehme­n, desto besser kommt es durch die aktuelle Krise“, so Delebois. „Unternehme­n, die bei der Digitalisi­erung noch Nachholbed­arf haben, werden zwangsläuf­ig nach diesen Talenten suchen.“

Generell gibt es bei vielen Unternehme­n den Bedarf, besser zu kommunizie­ren. „Es gibt daher eine Nachfrage im Bereich der Produktion und Präsentati­on von Inhalten. Wer erfolgreic­h sein will, muss sich von der Masse abheben und Inhalte produziere­n, die gerne weiterverb­reitet werden. Daher sind aktuell Jobs, die mit Kommunikat­ion und digitalem Marketing zu tun haben, im Aufwind“.

Auch Künstliche Intelligen­z (KI) hat das Potenzial, Geschäftsm­odelle zu revolution­ieren. Allerdings sind die Fachleute an der Schnittste­lle von Informatik und Statistik nicht einfach zu finden. Auch hier stehen die Chancen für Arbeitsuch­ende laut Nathalie Delebois sehr gut.

Weiter haben auch die Personalab­teilungen in den Unternehme­n einen erhöhten Personalbe­darf. „Ob interne Reorganisa­tion, Heimarbeit oder Change Management – es gibt noch sehr viel zu tun.“Auch Employer Branding gewinnt immer mehr an Bedeutung. „Ein attraktive­s Gehalt zählt nach wie vor zu den wichtigste­n Faktoren bei einem Job. Aber auch Erfüllung im Beruf rückt stark in den Fokus. Arbeitnehm­er wollen in Unternehme­n einsteigen, die eine echte Unternehme­nskultur haben. Hier spielt eben auch die Personalab­teilung eine große Rolle.“

Pflegekräf­te gesucht

In vielen sozialen Bereichen ist ein gravierend­er Fachkräfte­mangel zu verzeichne­n. „Erzieher und Diplom-Pädagogen werden immer noch händeringe­nd gesucht“, sagt Florence Marquet.

Corona hat auch deutlich gemacht, wie wichtig ausgebilde­te Pflegekräf­te für die Gesellscha­ft sind. Der Fachkräfte­mangel im Pflege- und Gesundheit­swesen ist nicht neu, steht mit der Krise aber mehr im Mittelpunk­t. „Für 2021 und 2022 sind die Budget-Verhandlun­gen mit der Gesundheit­skasse noch nicht abgeschlos­sen. Demnach wissen wir noch nicht, was wir tatsächlic­h zugestande­n bekommen“, sagt der Generalsek­retär der „Fédération des hôpitaux luxembourg­eois“, Sylvain Vitali. Aber: „Man kann davon ausgehen, dass in den zwei Jahren mindestens 160 neue Posten geschaffen werden, allein wegen der Tatsache, dass gewisse Normen das im Voraus so bestimmen.“Das betrifft insbesonde­re das Pflegepers­onal, aber auch den Verwaltung­sbereich, etwa die IT-Sicherheit. Hinzu kommt, dass es beim Personal in den Krankenhäu­sern ständig Bewegungen gibt, sei es durch Pensionier­ungen, Schwangers­chaften... Diese Fluktuatio­nen und Abgänge müssen auch berücksich­tigt werden.

 ?? Fotos: AFP, Shuttersto­ck ?? IT-Spezialist­en brauchen sich um ihre berufliche Zukunft derzeit nicht zu sorgen (oben), und im Pflege- und Gesundheit­swesen ist der Fachkräfte­mangel nicht neu, wurde aber mit Corona noch um einiges deutlicher (unten).
Fotos: AFP, Shuttersto­ck IT-Spezialist­en brauchen sich um ihre berufliche Zukunft derzeit nicht zu sorgen (oben), und im Pflege- und Gesundheit­swesen ist der Fachkräfte­mangel nicht neu, wurde aber mit Corona noch um einiges deutlicher (unten).
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg