Der rote Judas
8
Er schaute sich um: Sämtliche Zimmertüren waren geöffnet, der Dielenteppich verschoben und voller Wellen, der Schlafzimmerteppich übersät mit Kleidung, Wäsche, Büchern und Medikamentenschachteln.
„Das ist nicht wahr!“Jagoda stürzte ins Schlafzimmer: Auch hier waren alle Schranktüren geöffnet, Schubladen herausgerissen, die aufgeschlitzten Matratzen bogen sich über dem Fußende des Bettes, Daunen bedeckten Kleidung, Bücher und Dokumente wie frisch gefallener Schnee. Seine Münzsammlung lag zwischen aufgeschlitzten Bettdecken und Kra- watten.
Jemand hatte bei ihm eingebrochen!
„Das darf doch nicht wahr sein!“Wutschnaubend stürzte er in die Küche – das gleiche grässliche Bild. Kein Schrankfach, das nicht ausgeräumt, keine einzige Schublade, die nicht durchwühlt worden war!
Fluchend rannte er ins Wohnzimmer: Ein Tohuwabohu aus Büchern, Fotoalben, Tischwäsche, Kristallgläsern, Sammeltassen, Dokumenten und gerahmten Bildern. Das Schillerporträt lag zerbrochen zwischen den Hochzeitsfotos, Blumenerde aus umgekippten Topfpflanzen bedeckte die am Boden verstreuten Bände seiner geliebten Goethegesamtausgabe.
Dieser Anblick trieb Jagoda die Tränen in die Augen. Er lehnte gegen den Türrahmen, zitterte vor Wut und Fassungslosigkeit. Wie konnte man einem Menschen, der hilflos und leidend im Hospital lag, Derartiges antun?
Er atmete tief, kämpfte gegen das Gefühl grenzenloser Ohnmacht an und schrie endlich seinen Zorn heraus. Natürlich dachte er an Hummels.
„Was für eine bodenlose Gemeinheit!“, rief er.
„Welch niederträchtiges Gesindel!“
Doch was nützte alles Gejammer? Was geschehen war, war geschehen. Gehandelt werden musste jetzt, sofort! Er zog ein großes Taschentuch aus der Anzughose und wischte sich die Tränen aus den Augen. Mit zitternder Hand griff er zum Fernsprecher, um im Polizeiamt anzurufen – und stutzte: Das Spiralkabel, das Hörer und Apparat normalerweise verband, hing lose herab.
Plötzlich roch er Zigarettenrauch und im gleichen Moment war ihm, als würde ein Eiszapfen das Innere seiner Brust durchbohren.
Er fuhr herum – ein Mann hockte im Sessel an der hinteren Wand zwischen Stehlampe und Aquarium: schwarzhaarig, untersetzt, in feldgrauem Mantel und mit schwarzer, lederner Schildmütze. Er musterte Jagoda mit vollkommen regloser Miene. Seine Hände steckten in schwarzen Lederhandschuhen und ruhten auf den Armlehnen des Sessels.
Jagoda erinnerte sich sofort – einer der Männer vom Klinikausgang! „Schickt Hummels Sie?!“, schrie er mit bebender Stimme. Der Fremde blieb stumm. „Haben Sie etwa meine Wohnung derart verwüstet?!“
Der Fremde erhob sich. „Ich habe Ihnen Ihr Urteil zu überbringen, Herr Oberstleutnant“, erklärte er ruhig. „Es lautet: Tod durch den Strang.“
„Was?“Jagoda starrte ihn an wie eine Erscheinung. „Was sagen Sie da?“
Sein ungläubiger Blick flog zwischen den in schwarzem Leder steckenden Handschuhen des Eindringlings hin und her, und jetzt