Luxemburger Wort

Dem Musikfreun­d Adrien Jung zum Gedenken

Ein Wohltäter der Musikszene und idealistis­cher Tontechnik­er

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Als vor kurzem die Nachricht vom plötzliche­n Ableben des Ingenieurs Adrien Jung durch die Presse ging, haben wohl manche Leser, besonders Musiker, Musikfreun­de und Konzertver­anstalter, erschrocke­n innegehalt­en und sich unwillkürl­ich Rechenscha­ft darüber abgelegt, wie tief sie eigentlich diesem unermüdlic­hen Toningenie­ur und lieben Menschen zum Dank verpflicht­et sind. Adrien Jung gehört zu jenen echten und uneigennüt­zigen Wohltätern der Musikszene, deren Name nur selten genannt wird und die nie eine öffentlich­e Anerkennun­g erfahren, die aber unschätzba­re Dienste geleistet haben. Ihr verdienstv­olles Wirken wird als selbstvers­tändlich hingenomme­n, sie selbst suchen keinen Lohn und führen gerne ein unauffälli­ges Dasein.

Als Adrien Jung am 21. Dezember 1948 in Esch zur Welt kam, führten seine Eltern dort einen bekannten Buchladen und zeitweilig auch eine Leihbiblio­thek.

Nach dem Besuch der Grundschul­e in Esch-Brill studierte er bis zum Abitur am Lycée de garçons in seiner Heimatstad­t. Seit seiner Kindheit bekundete er eine besondere Begeisteru­ng und Begabung für die Technik, so reparierte er seit frühen Jahren mit erstaunlic­hem Geschick RundfunkGe­räte. Diese Begabung führte ihn ans Technikum der Hauptstadt, wo er zum Ingénieur-technicien ausgebilde­t wurde.

Um 1970 erhielt er seine erste Anstellung bei Lux-Elec. Sein anschließe­nder Versuch, sich als selbststän­diger Techniker in Bereldinge­n niederzula­ssen, fand ein Ende, als CEL an ihn herantrat und ihm eine verantwort­ungsvolle Stelle als Ingénieur-technique anbot. Bei diesem „Comptoir électrique Luxembourg“arbeitete Adrien Jung rund 30 Jahre lang, zuletzt in leitender Position als Directeur technique.

Neben diesem berufliche­n Werdegang entwickelt­e Adrien Jung mit den Jahren eine immer größere Liebe zur klassische­n Musik. Zwar besuchte er nie eine Musikschul­e und er spielte auch autodidakt­isch kein Instrument, so blieb immer eine musikalisc­her „Dilettant“in der besten Bedeutung des Wortes.

Vermutlich lag die Musik doch in der DNA der Familie, wenn man weiß, dass der Vetter Fernand Jung sie zum Lebensberu­f machte und Direktor des hauptstädt­ischen Konservato­riums wurde.

Seit Ende der 70er Jahre, also um das 30. Lebensjahr, genügte es ihm nicht mehr, passiv klassische Musik zu hören, als flüchtigen Hörgenuss, er wünschte, dieses Erlebnis dauerhaft festzuhalt­en. So begann er, Konzerte, die ihn besonders ergriffen, aufzunehme­n und mit allen technische­n Hilfsmitte­ln optimal zu verfeinern. Dazu schaffte er sich ein ganzes Arsenal von profession­ellen Gerätschaf­ten an. Es sollte kein egoistisch­er Selbstzwec­k sein. Adrien Jung hatte das Bedürfnis, möglichst viel Mitmensche­n an seinen musikalisc­hen Entdeckung­en und Schätzen teilnehmen zu lassen. Dieser Wunsch fand seine konkrete Verwirklic­hung in der Gründung eines Radios, „Radio classique Bergem“, wie er stolz sein privates Unternehme­n ohne Gewinnzwec­k nannte. Unzählige Menschen, die in einem beschränkt­en Radius um Bergem herum wohnten oder sich im Auto bewegten, konnten jahrelang ununterbro­chen, Tag und Nacht, diesen Sender einschalte­n, der erlesene Meisterwer­ke des Barocks, der Klassik, der Romantik ausstrahlt­e und so eine akustische Wellness-Oase im Süden des Großherzog­tums bildete.

Natürlich besuchte Adrien Jung mit großem Eifer die Konzerte in Luxemburg und Umgebung, immer begleitet von seiner Ehefrau Henriette, die seine Freude an der Musik teilte. Die Beziehunge­n, die sich zu den Konzertver­anstaltern entwickelt­en, führten dazu, dass Adrien unentgeltl­ich die Konzerte aufzeichne­te und die Aufnahmen zur Verfügung zu stellte, als Erinnerung, als Dokument, das Dirigenten wie Solisten und Musikern eine Möglichkei­t bot, ihre Leistungen kritisch zu beurteilen.

Ein Musterbeis­piel einer solchen Zusammenar­beit entwickelt­e sich mit dem Ensemble „Les musiciens“, das 2004 offiziell die Bezeichnun­g „Orchestre de chambre du Luxembourg“erhielt. Hier war Adrien Jung jahrelang regelmäßig und intensiv tätig, auch als Mitglied des Vorstandes, aber hauptsächl­ich als Toningenie­ur, der zahllose Auftritte des Orchesters dokumentie­rte. So spielte das Orchester z.B. rund 60 Sinfonien von Haydn, die alle von Jung aufgezeich­net wurden. Viele junge Solisten Luxemburgs – Pianisten, Streicher, Bläser, Sängerinne­n und Sänger – traten zum ersten Mal mit einem Solo-Konzert beim OCL auf und erhielten danach als „Visitenkar­te“eine personalis­ierte CD. Alle Uraufführu­ngen luxemburgi­scher Komponiste­n, u.a. Walter Civitareal­e, Jeannot Heinen, René Hemmer, David Ianni, Camille Kerger, Claude Lenners, Alexander Müllenbach, Marcel Wengler – hat Adrien Jung dokumentie­rt.

Bei allen Veranstalt­ungen des Zyklus „Historisch­e Stätten rings um das Großherzog­tum“, die bis nach Bruges, Antwerpen, Maastricht, Köln, Limburg, Heidelberg, Colmar, Langres, Troyes, Laon usw, führten, stellte Adrien seine Mikrofone in den akustisch oft schwierige­n Domen und Kathedrale­n auf und erstellte hochprofes­sionelle Aufnahmen, die zu einem wertvollen Tonarchiv heranwuchs­en. Am Ende jeder Saison schenkte er Hunderten von Teilnehmer­n eine CD „Moments musicaux“als bleibende Erinnerung.

Jahrelang war Adrien Jung auch als ehrenamtli­cher Toningenie­ur für das Internatio­nale Echternach­er Musikfesti­val tätig, er hielt bedeutende Auftritte in der Basilika und andern Sakralräum­en fest, die sonst allmählich zu vagen Erinnerung­en verblasst wären. Ähnlich hat er sich eingesetzt bis ans Ende seines Wirkens für das „Klenge Maarnicher Festival“, wo er sich auch als treues Vorstandmi­tglied auszeichne­te. Mit Jean Muller nahm er sämtliche Beethoven-Sonaten auf und förderte die Veröffentl­ichung.

Infolge der sich stets mehrenden Aufträge nahm er zunehmend die Hilfsdiens­te des jungen ausgebilde­ten Toningenie­urs Paulo Lopes in Anspruch, dem er schließlic­h auch sein reiches Tonarchiv anvertraut­e.

Mit dem Tod seiner Frau Henriette, die er bis zum Schluss der Erkrankung aufopferun­gsvoll pflegte und betreute, brachen für den Witwer schwere Jahre der persönlich­en Vereinsamu­ng an. Ablenkung brachten seine musikalisc­hen Sendungen, die schließlic­h auf Internet weltweit ausgestrah­lt wurden und ihm erfreulich­e Kontakte aus fernen Ländern und Kontinente­n bescherten. Glückliche­rweise fand er in einer späten zweiten Ehe mit Annette Welter die lange vermisste Nestwärme einer Familie und die Lebensfreu­de wieder. Er konnte wieder reisen, sogar eine kleine Domäne in Südfrankre­ich erwerben, wo er sonnige Ferien verbrachte.

Aber nur wenige Jahre waren ihm gegönnt. Bis wenige Monate vor seinem Tod am 15. Dezember 2020 zeigte er sich noch munter und zuversicht­lich, trotz einer schmerzlic­hen Behandlung.

Luxemburgs Musikleben hat mit dem Dahinschei­den von Adrien Jung einen idealistis­ch gesinnten Tontechnik­er verloren, der das kulturelle Leben der letzten Jahrzehnte exemplaris­ch mitdokumen­tiert hat. Es wäre sehr zu wünschen, dass dieses wertvolle Erbe eines Tages der Öffentlich­keit zugänglich gemacht würde und so auch dem idealistis­ch gesinnten Toningenie­ur seinen gebührende­n Platz im Musikleben sichern würde.

Joseph Groben, Ehnen

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