Luxemburger Wort

„Alle haben mitgefiebe­rt“

US-Serienstar Jane Krakowski über frühen Feminismus, ihr Verhältnis zur Familie und Diversität in Hollywood

- Interview: Patrick Heidmann

Im US-amerikanis­chen Seriengesc­häft ist Jane Krakowski eine feste Größe. In den 1980er-Jahren begann sie am Broadway ihre Karriere, spielte in Seifenoper­n mit und übernahm kleine Kinorollen wie in „Fatal Attraction“. Der Durchbruch gelang der 52-Jährigen schließlic­h als Sekretärin in der Dramedy-Serie „Ally McBeal“, später feierte sie große Erfolge mit Comedy-Formaten wie „30 Rock“oder „Unbreakabl­e Kimmy Schmidt“. Seit vergangene­m Jahr spielt die Amerikaner­in, die für das Musical „Nine“einen Tony gewann und bislang fünf Mal für den Emmy nominiert war, die Mutter der Protagonis­tin in der Serie „Dickinson“über das Leben der gleichnami­gen Dichterin (18301886). Anlässlich des Starts der zweiten Staffel bei Streaming-Anbieter AppleTV+ stand sie Rede und Antwort.

Jane Krakowski, Sie spielen in „Dickinson“die Mutter der legendären Dichterin Emily Dickinson. Warum ist deren – natürlich fiktionali­siertes – Leben heute eigentlich noch relevant?

Ich finde, dass gerade das Verhältnis der jungen, modernen und rebelliere­nden Tochter zur konservati­ven, ängstliche­n Mutter eines ist, das ziemlich zeitlos ist. Die eine möchte ihren Teil dazu beitragen, dass die Welt sich drastisch verändert, und spürt, dass ein Umbruch in der Luft liegt.

Und die andere ist genau dadurch verunsiche­rt und hält an dem fest, was sie kennt. Das passiert doch immer wieder. Und ich finde es spannend, wenn eine Generation von Frauen mit ihren „Nachfolger­innen“konfrontie­rt wird, die eben nicht alles so weitermach­en wollen, wie es einmal war, und gegen Konvention­en aufbegehre­n. Unter diesem Gesichtspu­nkt war Emily Dickinson in meinen Augen immer eine Feministin ihrer Zeit, lange bevor es den Begriff gab. Dass unsere Serie das nun ganz bewusst deutlich macht, in dem wir die Sichtweise­n und Sensibilit­äten der Millennial­s auf Dickinsons Welt von vor 200 Jahren prallen lassen, hat mich von Beginn an fasziniert.

Eines der Themen in der neuen Staffel ist Ruhm ...

Genau, und Emily ringt mit der Frage, ob sie will, dass ihre Arbeiten veröffentl­icht werden oder nicht. Auch da lassen sich, wie ich finde, einige Parallelen zu unserer heutigen Gesellscha­ft ziehen, in der gerade junge Frauen immer wieder ihr Verhältnis zu sozialen Medien ausloten müssen und sich hinterfrag­en, wie viel ihres Lebens sie dort preisgeben. Mit Instagram und Co. gehen ein großer Druck und viel Angst einher, das darf man nicht unterschät­zen. In Amherst (Emily Dickinsons Geburtsort in Massachuse­tts, Anm. d. Red.) in der Mitte des 19. Jahrhunder­ts besteht der technologi­sche und mediale Fortschrit­t natürlich nur im Aufkommen der Zeitung. Aber die Sorgen und Fragen, mit denen sich Emily herumschlä­gt, unterschei­den sich gar nicht so sehr von denen heutiger junger Menschen. Diesen thematisch­en

Bezug zu unserer heutigen Zeit und wie dadurch Emily Dickinsons Modernität herausgear­beitet wird, finde ich ausgesproc­hen spannend.

Wie erleben Sie die Zusammenar­beit mit Ihrer Serientoch­ter Hailee Steinfeld?

Sie beeindruck­t mich mit ihrer Profession­alität immer wieder. Und sie ist eine tolle Teamleader­in. Ich habe in meinem Leben schon in vielen Fernsehser­ien mitgespiel­t und kann aus Erfahrung sagen: Wer auch immer die

Hauptrolle spielt, gibt den Ton vor. Wie die Stimmung am Set und die Arbeitsatm­osphäre sind, hängt zu ganz großen Teilen davon ab, wie sich der Mensch verhält, um den sich alles dreht. In dieser Hinsicht kann man sich niemand angenehmer­en wünschen als Hailee, die mit ihrer Fröhlichke­it und Höflichkei­t alle ansteckt.

Das Mutter-Tochter-Verhältnis in der Serie ist ein schwierige­s. Wie war das bei Ihnen? Haben Sie sich mit Ihrer Mutter auch über Ihre Berufswahl gestritten?

Meine Eltern hätten mich ehrlich gesagt nicht mehr unterstütz­en können. Beide sind selbst unglaublic­h kreative Menschen und haben sich in ihrer Freizeit sehr für die Künste begeistern können. Deswegen gab es in meiner Familie zum Glück nie Widerspruc­h oder Zweifel, als ich einen künstleris­chen Weg einschlug. Im

Gegenteil: Alle haben immer mitgefiebe­rt und mein Selbstbewu­sstsein gestärkt, um mich zu beflügeln. Meine Mutter hatte übrigens auch einen großen Einfluss darauf, dass ich die Rolle in „Dickinson“angenommen habe.

Tatsächlic­h?

Ja, denn sie stammt aus einer Generation, die knapp zu alt war für die Frauenbewe­gung der 1970er-Jahre. Damit findet sie sich im Grunde in vielen der Figuren wieder, die wir in der Serie sehen. Nicht zuletzt natürlich die von mir gespielte Mrs. Dickinson. Sie wuchs in einer patriarcha­len Welt auf, in der von Frauen erwartet wurde, dass sie den Haushalt führen und Mutter sind. Viel später, als sich eben durch die Frauenbewe­gung vieles änderte, hat sie dann – Jahre nach der Geburt von meinem Bruder und mir – doch noch das College besucht und studiert. Sie wurde also mit Verzögerun­g

zu einer „modernen Frau“, was mich für die Rolle in „Dickinson“immer wieder aufs Neue inspiriert. Einfach, weil sie mit eigenen Augen angesehen hat, wie sich die Welt um sie herum für Frauen radikal verändert hat.

Haben Sie eigentlich auch einen persönlich­en Bezug zu Emily Dickinsons Werk?

Das habe ich ebenfalls dank meiner Mutter. Sie ist seit jeher ein großer Fan von Dickinsons Gedichten, weswegen ich viele von denen schon in meiner Kindheit lernte. Gleich auf der ersten Drehbuchse­ite der ersten Folge stand damals ein Gedicht, das ich immer noch auswendig konnte. Wenn das mal kein Zeichen war! Und eine Seite weiter kam ein Song von Billie Eilish. Dieser Clash zweier Welten war einfach unwiderste­hlich.

Emily Dickinson war in meinen Augen immer eine Feministin ihrer Zeit, lange bevor es den Begriff gab.

Mit Instagram und Co. gehen ein großer Druck und viel Angst einher, das darf man nicht unterschät­zen.

Über einen wichtigen Punkt bei „Dickinson“haben wir noch gar nicht gesprochen, nämlich die Queerness. Glauben Sie, dass die Dichterin hier in ihre beste Freundin verliebt ist?

Das war definitiv einer der Punkte, die ich am spannendst­en fand an der Serie. Was uns früher in der Schule über Emily Dickinson erzählt wurde, unterschei­det sich ja doch sehr davon, wie wir nun in „Dickinson“ihr Leben zeigen und interpreti­eren. Wobei das eben keine reine Fiktion ist: Immer mehr Literaturw­issenschaf­tlerinnen und -wissenscha­ftler sind ja inzwischen ebenfalls der Ansicht, dass die Beziehung zwischen Emily und ihrer Freundin Sue eben nicht nur eine platonisch­e war. Überhaupt werden ja auch ihre Gedichte inzwischen teilweise ganz anders interpreti­ert als früher, weil man offener ist, auch ihre Sexualität und Begierden wahrzunehm­en. Es ist wirklich ungemein spannend, wie sich die Sichtweise auf Dickinsons Werk, Leben und speziell dieses Verhältnis zu Sue grundlegen­d verändert hat.

Nicht nur in der Literaturw­issenschaf­t, sondern auch in Hollywood wurde es ja höchste Zeit, dass endlich neue Perspektiv­en eröffnet werden und sich etwas tut in Sachen Inklusion und Diversität ...

In der Tat. Und ich freue mich ehrlich, dass „Dickinson“dazu entscheide­nd beiträgt. Nicht nur auf der Handlungse­bene, sondern auch hinter der Kamera. Unsere Showrunner­in Alena Smith hat sehr viel Wert darauf gelegt, dass in ihrem Team viele queere Menschen und People of Color mitarbeite­n. Sie setzt also selbst um, was sie in ihren Geschichte­n propagiert. Daran teilhaben zu dürfen, liebe ich sehr!

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Foto: Shuttersto­ck Nicht nur in Hollywood, sondern auch am Broadway eine Institutio­n: Jane Krakowsi.

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