„Alle haben mitgefiebert“
US-Serienstar Jane Krakowski über frühen Feminismus, ihr Verhältnis zur Familie und Diversität in Hollywood
Im US-amerikanischen Seriengeschäft ist Jane Krakowski eine feste Größe. In den 1980er-Jahren begann sie am Broadway ihre Karriere, spielte in Seifenopern mit und übernahm kleine Kinorollen wie in „Fatal Attraction“. Der Durchbruch gelang der 52-Jährigen schließlich als Sekretärin in der Dramedy-Serie „Ally McBeal“, später feierte sie große Erfolge mit Comedy-Formaten wie „30 Rock“oder „Unbreakable Kimmy Schmidt“. Seit vergangenem Jahr spielt die Amerikanerin, die für das Musical „Nine“einen Tony gewann und bislang fünf Mal für den Emmy nominiert war, die Mutter der Protagonistin in der Serie „Dickinson“über das Leben der gleichnamigen Dichterin (18301886). Anlässlich des Starts der zweiten Staffel bei Streaming-Anbieter AppleTV+ stand sie Rede und Antwort.
Jane Krakowski, Sie spielen in „Dickinson“die Mutter der legendären Dichterin Emily Dickinson. Warum ist deren – natürlich fiktionalisiertes – Leben heute eigentlich noch relevant?
Ich finde, dass gerade das Verhältnis der jungen, modernen und rebellierenden Tochter zur konservativen, ängstlichen Mutter eines ist, das ziemlich zeitlos ist. Die eine möchte ihren Teil dazu beitragen, dass die Welt sich drastisch verändert, und spürt, dass ein Umbruch in der Luft liegt.
Und die andere ist genau dadurch verunsichert und hält an dem fest, was sie kennt. Das passiert doch immer wieder. Und ich finde es spannend, wenn eine Generation von Frauen mit ihren „Nachfolgerinnen“konfrontiert wird, die eben nicht alles so weitermachen wollen, wie es einmal war, und gegen Konventionen aufbegehren. Unter diesem Gesichtspunkt war Emily Dickinson in meinen Augen immer eine Feministin ihrer Zeit, lange bevor es den Begriff gab. Dass unsere Serie das nun ganz bewusst deutlich macht, in dem wir die Sichtweisen und Sensibilitäten der Millennials auf Dickinsons Welt von vor 200 Jahren prallen lassen, hat mich von Beginn an fasziniert.
Eines der Themen in der neuen Staffel ist Ruhm ...
Genau, und Emily ringt mit der Frage, ob sie will, dass ihre Arbeiten veröffentlicht werden oder nicht. Auch da lassen sich, wie ich finde, einige Parallelen zu unserer heutigen Gesellschaft ziehen, in der gerade junge Frauen immer wieder ihr Verhältnis zu sozialen Medien ausloten müssen und sich hinterfragen, wie viel ihres Lebens sie dort preisgeben. Mit Instagram und Co. gehen ein großer Druck und viel Angst einher, das darf man nicht unterschätzen. In Amherst (Emily Dickinsons Geburtsort in Massachusetts, Anm. d. Red.) in der Mitte des 19. Jahrhunderts besteht der technologische und mediale Fortschritt natürlich nur im Aufkommen der Zeitung. Aber die Sorgen und Fragen, mit denen sich Emily herumschlägt, unterscheiden sich gar nicht so sehr von denen heutiger junger Menschen. Diesen thematischen
Bezug zu unserer heutigen Zeit und wie dadurch Emily Dickinsons Modernität herausgearbeitet wird, finde ich ausgesprochen spannend.
Wie erleben Sie die Zusammenarbeit mit Ihrer Serientochter Hailee Steinfeld?
Sie beeindruckt mich mit ihrer Professionalität immer wieder. Und sie ist eine tolle Teamleaderin. Ich habe in meinem Leben schon in vielen Fernsehserien mitgespielt und kann aus Erfahrung sagen: Wer auch immer die
Hauptrolle spielt, gibt den Ton vor. Wie die Stimmung am Set und die Arbeitsatmosphäre sind, hängt zu ganz großen Teilen davon ab, wie sich der Mensch verhält, um den sich alles dreht. In dieser Hinsicht kann man sich niemand angenehmeren wünschen als Hailee, die mit ihrer Fröhlichkeit und Höflichkeit alle ansteckt.
Das Mutter-Tochter-Verhältnis in der Serie ist ein schwieriges. Wie war das bei Ihnen? Haben Sie sich mit Ihrer Mutter auch über Ihre Berufswahl gestritten?
Meine Eltern hätten mich ehrlich gesagt nicht mehr unterstützen können. Beide sind selbst unglaublich kreative Menschen und haben sich in ihrer Freizeit sehr für die Künste begeistern können. Deswegen gab es in meiner Familie zum Glück nie Widerspruch oder Zweifel, als ich einen künstlerischen Weg einschlug. Im
Gegenteil: Alle haben immer mitgefiebert und mein Selbstbewusstsein gestärkt, um mich zu beflügeln. Meine Mutter hatte übrigens auch einen großen Einfluss darauf, dass ich die Rolle in „Dickinson“angenommen habe.
Tatsächlich?
Ja, denn sie stammt aus einer Generation, die knapp zu alt war für die Frauenbewegung der 1970er-Jahre. Damit findet sie sich im Grunde in vielen der Figuren wieder, die wir in der Serie sehen. Nicht zuletzt natürlich die von mir gespielte Mrs. Dickinson. Sie wuchs in einer patriarchalen Welt auf, in der von Frauen erwartet wurde, dass sie den Haushalt führen und Mutter sind. Viel später, als sich eben durch die Frauenbewegung vieles änderte, hat sie dann – Jahre nach der Geburt von meinem Bruder und mir – doch noch das College besucht und studiert. Sie wurde also mit Verzögerung
zu einer „modernen Frau“, was mich für die Rolle in „Dickinson“immer wieder aufs Neue inspiriert. Einfach, weil sie mit eigenen Augen angesehen hat, wie sich die Welt um sie herum für Frauen radikal verändert hat.
Haben Sie eigentlich auch einen persönlichen Bezug zu Emily Dickinsons Werk?
Das habe ich ebenfalls dank meiner Mutter. Sie ist seit jeher ein großer Fan von Dickinsons Gedichten, weswegen ich viele von denen schon in meiner Kindheit lernte. Gleich auf der ersten Drehbuchseite der ersten Folge stand damals ein Gedicht, das ich immer noch auswendig konnte. Wenn das mal kein Zeichen war! Und eine Seite weiter kam ein Song von Billie Eilish. Dieser Clash zweier Welten war einfach unwiderstehlich.
Emily Dickinson war in meinen Augen immer eine Feministin ihrer Zeit, lange bevor es den Begriff gab.
Mit Instagram und Co. gehen ein großer Druck und viel Angst einher, das darf man nicht unterschätzen.
Über einen wichtigen Punkt bei „Dickinson“haben wir noch gar nicht gesprochen, nämlich die Queerness. Glauben Sie, dass die Dichterin hier in ihre beste Freundin verliebt ist?
Das war definitiv einer der Punkte, die ich am spannendsten fand an der Serie. Was uns früher in der Schule über Emily Dickinson erzählt wurde, unterscheidet sich ja doch sehr davon, wie wir nun in „Dickinson“ihr Leben zeigen und interpretieren. Wobei das eben keine reine Fiktion ist: Immer mehr Literaturwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler sind ja inzwischen ebenfalls der Ansicht, dass die Beziehung zwischen Emily und ihrer Freundin Sue eben nicht nur eine platonische war. Überhaupt werden ja auch ihre Gedichte inzwischen teilweise ganz anders interpretiert als früher, weil man offener ist, auch ihre Sexualität und Begierden wahrzunehmen. Es ist wirklich ungemein spannend, wie sich die Sichtweise auf Dickinsons Werk, Leben und speziell dieses Verhältnis zu Sue grundlegend verändert hat.
Nicht nur in der Literaturwissenschaft, sondern auch in Hollywood wurde es ja höchste Zeit, dass endlich neue Perspektiven eröffnet werden und sich etwas tut in Sachen Inklusion und Diversität ...
In der Tat. Und ich freue mich ehrlich, dass „Dickinson“dazu entscheidend beiträgt. Nicht nur auf der Handlungsebene, sondern auch hinter der Kamera. Unsere Showrunnerin Alena Smith hat sehr viel Wert darauf gelegt, dass in ihrem Team viele queere Menschen und People of Color mitarbeiten. Sie setzt also selbst um, was sie in ihren Geschichten propagiert. Daran teilhaben zu dürfen, liebe ich sehr!