Undurchsichtiges Sammelsurium
Im Geldwäscheprozess gegen Flavio Becca dreht sich am ersten Tag alles um die Art der Anschaffung von über 800 Uhren
Von einer beachtlichen Entourage begleitet, darunter seine beiden Anwälte, Me Arsène Kronshagen und Me Hervé Temime, präsentierte sich der Unternehmer Flavio Becca gestern vor der 12. Strafkammer am hauptstädtischen Bezirksgericht. Dem 58-Jährigen werden Missbrauch von Unternehmensvermögen und Geldwäsche vorgeworfen. Konkret geht es um den Erwerb von 842 Luxusuhren im Wert von knapp 18 Millionen Euro, der auch nach dem ersten Verhandlungstag noch ziemlich undurchsichtig erscheint.
Nachdem sich Verteidigung und Staatsanwaltschaft zu Beginn ein Scharmützel über juristische Spitzfindigkeiten geliefert hatten, wobei es vor allem um die Frage ging, wer in einem solchen Fall als Zivilpartei auftreten darf, äußerte sich Becca zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen. Er erklärte, dass seine Familie bereits in der dritten Generation Armbanduhren sammele. Dabei handele es sich um eine ganz normale Investition, einige der Uhren hätten in der Zwischenzeit beachtlich an Wert gewonnen. Ein Teil der kostspieligen Zeitmesser sei in seinem Namen und ein anderer über mehrere seiner Firmen erworben worden. Auf die Frage des Richters, ob auch Becca selbst einige der Uhren im Geschäft gekauft habe, meinte dieser, dass dies durchaus der Fall gewesen sein könnte.
Rücksicht auf Radsport
Nach Becca war es am ersten Zeugen, seine Aussage zu machen. Dabei handelte es sich um einen der für die Ermittlungen zuständigen Polizisten, der mittlerweile pensioniert ist. Er gab Erklärungen zum Vorgehen der Polizei ab. Diese wurde Anfang 2011 mit den Ermittlungen beauftragt, nachdem der Steuerverwaltung Unregelmäßigkeiten aufgefallen waren.
Die zu Beccas Unternehmensimperium gehörenden Firmen Europoint, Eurofoot und Eurofresh hatten mehrere Transaktionen als „Frais de cadeaux“verbucht, wollten aber nicht verraten, an wen diese Geschenke gegangen waren. Daraufhin reichte die Steuerverwaltung
Klage ein und die Polizei wurde anfangs 2011 mit einer Untersuchung beauftragt. Es sollte allerdings bis zum 20. September 2011 dauern, bis es an mehreren Orten zu Hausdurchsuchungen kam.
Diese ziemlich lange Zeitspanne begründete der Zeuge damit, dass in der Presse Gerüchte kursierten, dass auch das damals existierende Radsportteam Leopard Trek involviert sei. Obwohl es dafür keine Beweise gab, habe man nach Rücksprache mit dem zuständigen Untersuchungsrichter entschieden, die Durchsuchung erst nach der Tour de France durchzuführen, um die sportlichen Aussichten der Schleck-Brüder Andy und Frank nicht zu gefährden.
Bei der Durchsuchung habe man in einem geschützten Raum etwas mehr als 600 Uhren gefunden. Problematisch sei gewesen, dass diese sich nicht mehr in den ursprünglichen Kisten, sondern in Schubladen befanden. Deswegen hätten die Uhren nicht immer genau identifiziert werden können, weil sich das entsprechende Zertifikat
normalerweise in der Schachtel und die Seriennummer im Innern des Gehäuses befänden. „Wir konnten aber nicht einfach alle Uhren öffnen.“
Nach genauerer Überprüfung der Rechnungen sei dann aufgefallen, dass nicht etwas mehr als 600, sondern über 800 Uhren von den Firmen gekauft wurden. Becca habe auf Nachfrage bestätigt, dass rund 200 Uhren in der Familie verteilt wurden. Dabei habe es sich jedoch um weniger kostbare Exemplare gehandelt. Der Angeklagte habe sich bei der Erstellung des Inventares kooperativ gezeigt.
Schwieriger gestaltete sich die Rückverfolgung des Erwerbs der Uhren. Diese wurden bei rund 70 Händlern, vorwiegend aus dem Ausland, gekauft; wegen des hohen Aufwands habe man sich auf die zehn größten, zwei in- und acht ausländische, beschränkt. Diese hätten sich zumeist wenig kooperativ gezeigt. Bei einem Händler aus Paris habe auf der Rechnung lediglich „Marchandise enlevée“gestanden, angeblich auf Bitte eines Mitarbeiters von Becca. Obwohl dieser gegenüber der Polizei zunächst jeden Kontakt bestritten hatte, stellte sich später heraus, dass es doch zu einem E-Mail-Austausch gekommen war.
Weil der Zeuge wegen seiner Pensionierung keinen Zugriff mehr auf die Untersuchungsakten hat und die Ereignisse bereits rund zehn Jahre zurückliegen, waren einige seiner Aussagen etwas schwammig. Der auf drei bis vier Tage angesetzte Prozess wird heute Nachmittag fortgesetzt.