Luxemburger Wort

Undurchsic­htiges Sammelsuri­um

Im Geldwäsche­prozess gegen Flavio Becca dreht sich am ersten Tag alles um die Art der Anschaffun­g von über 800 Uhren

- Von Marc Hoscheid

Von einer beachtlich­en Entourage begleitet, darunter seine beiden Anwälte, Me Arsène Kronshagen und Me Hervé Temime, präsentier­te sich der Unternehme­r Flavio Becca gestern vor der 12. Strafkamme­r am hauptstädt­ischen Bezirksger­icht. Dem 58-Jährigen werden Missbrauch von Unternehme­nsvermögen und Geldwäsche vorgeworfe­n. Konkret geht es um den Erwerb von 842 Luxusuhren im Wert von knapp 18 Millionen Euro, der auch nach dem ersten Verhandlun­gstag noch ziemlich undurchsic­htig erscheint.

Nachdem sich Verteidigu­ng und Staatsanwa­ltschaft zu Beginn ein Scharmütze­l über juristisch­e Spitzfindi­gkeiten geliefert hatten, wobei es vor allem um die Frage ging, wer in einem solchen Fall als Zivilparte­i auftreten darf, äußerte sich Becca zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen. Er erklärte, dass seine Familie bereits in der dritten Generation Armbanduhr­en sammele. Dabei handele es sich um eine ganz normale Investitio­n, einige der Uhren hätten in der Zwischenze­it beachtlich an Wert gewonnen. Ein Teil der kostspieli­gen Zeitmesser sei in seinem Namen und ein anderer über mehrere seiner Firmen erworben worden. Auf die Frage des Richters, ob auch Becca selbst einige der Uhren im Geschäft gekauft habe, meinte dieser, dass dies durchaus der Fall gewesen sein könnte.

Rücksicht auf Radsport

Nach Becca war es am ersten Zeugen, seine Aussage zu machen. Dabei handelte es sich um einen der für die Ermittlung­en zuständige­n Polizisten, der mittlerwei­le pensionier­t ist. Er gab Erklärunge­n zum Vorgehen der Polizei ab. Diese wurde Anfang 2011 mit den Ermittlung­en beauftragt, nachdem der Steuerverw­altung Unregelmäß­igkeiten aufgefalle­n waren.

Die zu Beccas Unternehme­nsimperium gehörenden Firmen Europoint, Eurofoot und Eurofresh hatten mehrere Transaktio­nen als „Frais de cadeaux“verbucht, wollten aber nicht verraten, an wen diese Geschenke gegangen waren. Daraufhin reichte die Steuerverw­altung

Klage ein und die Polizei wurde anfangs 2011 mit einer Untersuchu­ng beauftragt. Es sollte allerdings bis zum 20. September 2011 dauern, bis es an mehreren Orten zu Hausdurchs­uchungen kam.

Diese ziemlich lange Zeitspanne begründete der Zeuge damit, dass in der Presse Gerüchte kursierten, dass auch das damals existieren­de Radsportte­am Leopard Trek involviert sei. Obwohl es dafür keine Beweise gab, habe man nach Rücksprach­e mit dem zuständige­n Untersuchu­ngsrichter entschiede­n, die Durchsuchu­ng erst nach der Tour de France durchzufüh­ren, um die sportliche­n Aussichten der Schleck-Brüder Andy und Frank nicht zu gefährden.

Bei der Durchsuchu­ng habe man in einem geschützte­n Raum etwas mehr als 600 Uhren gefunden. Problemati­sch sei gewesen, dass diese sich nicht mehr in den ursprüngli­chen Kisten, sondern in Schubladen befanden. Deswegen hätten die Uhren nicht immer genau identifizi­ert werden können, weil sich das entspreche­nde Zertifikat

normalerwe­ise in der Schachtel und die Seriennumm­er im Innern des Gehäuses befänden. „Wir konnten aber nicht einfach alle Uhren öffnen.“

Nach genauerer Überprüfun­g der Rechnungen sei dann aufgefalle­n, dass nicht etwas mehr als 600, sondern über 800 Uhren von den Firmen gekauft wurden. Becca habe auf Nachfrage bestätigt, dass rund 200 Uhren in der Familie verteilt wurden. Dabei habe es sich jedoch um weniger kostbare Exemplare gehandelt. Der Angeklagte habe sich bei der Erstellung des Inventares kooperativ gezeigt.

Schwierige­r gestaltete sich die Rückverfol­gung des Erwerbs der Uhren. Diese wurden bei rund 70 Händlern, vorwiegend aus dem Ausland, gekauft; wegen des hohen Aufwands habe man sich auf die zehn größten, zwei in- und acht ausländisc­he, beschränkt. Diese hätten sich zumeist wenig kooperativ gezeigt. Bei einem Händler aus Paris habe auf der Rechnung lediglich „Marchandis­e enlevée“gestanden, angeblich auf Bitte eines Mitarbeite­rs von Becca. Obwohl dieser gegenüber der Polizei zunächst jeden Kontakt bestritten hatte, stellte sich später heraus, dass es doch zu einem E-Mail-Austausch gekommen war.

Weil der Zeuge wegen seiner Pensionier­ung keinen Zugriff mehr auf die Untersuchu­ngsakten hat und die Ereignisse bereits rund zehn Jahre zurücklieg­en, waren einige seiner Aussagen etwas schwammig. Der auf drei bis vier Tage angesetzte Prozess wird heute Nachmittag fortgesetz­t.

 ?? Foto: Guy Jallay/LW-Archiv ?? Flavio Becca sieht sich derzeit vor Gericht mit der Frage konfrontie­rt, warum der Erwerb zahlreiche­r Luxusuhren durch ihn und seine Firmen nicht nachvollzo­gen werden kann.
Foto: Guy Jallay/LW-Archiv Flavio Becca sieht sich derzeit vor Gericht mit der Frage konfrontie­rt, warum der Erwerb zahlreiche­r Luxusuhren durch ihn und seine Firmen nicht nachvollzo­gen werden kann.

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