„Frischen Fokus wagen“
Jérôme Konen, das von ihm geleitete Kinneksbond Mamer und die bisherigen Lehren aus der Krise
Mehr Zusammenarbeit, neue Fokussierungen – unter anderem im Kinneksbond Mamer hat die Krise Spuren hinterlassen. Und nicht zuletzt die anstehenden Aufführungen von „Terres arides“, ein Stück von Ian De Toffoli, das eigentlich im Centaure produziert und aufgeführt werden sollte, zeigt die Dimensionen des Händereichens in der Szene. Das lässt sich auch aus dem Interview mit dem Kinneksbond-Leiter Jérôme Konen herauslesen.
Jérôme Konen, da wird die Kooperationsarbeit des Kinneksbond Mamer unter Ihrer Leitung gelobt, das hauptstädtische Théâtre du Centaure darf bei Ihnen proben und Sie mischen in den Vereinigungen wie der Theaterfederation ordentlich mit. Zeigen Sie und das Kinneksbond erst jetzt in der Krise, was sie alles können?
Sie haben ja selbst in einem Ihrer Artikel einmal über die „Keimzelle Kinneksbond“geschrieben. Und das ist tatsächlich unsere Philosophie, die wir seit Jahren zu leben versuchen. Gedanklich raus aus den eigenen Mauern, an Impulsen mitwirken und die Zusammenarbeit mit verschiedensten Partnern. Sicher hat die Krise das Ganze intensiviert.
Woher kommt dieser enge Schulterschluss mit der Hauptstadt? Siehe die Kooperationen mit dem Grand Théâtre und den kleinen hauptstädtischen Bühnen – andere Kulturhäuser sind da weniger auffällig ...
Das ist schon auf die näheren Kontakte im Lockdown zurückzuführen. Wir haben uns unter den Direktoren sehr viel enger ausgetauscht – eben zum Beispiel über die Kontakte in der Theaterfederation. Und Tom Leick-Burns stellte als Leiter der hauptstädtischen Bühnen die Idee vor, eine Schreibwerkstatt zu veranstalten. Das hat dann diese Projektreihe angestoßen. Und daraufhin kam dann unter uns die Idee auf, bei den kleineren Häusern wie eben dem Centaure anzuklopfen, weil durch die Einschränkungen dort kaum Spielbetrieb möglich gewesen wäre – und das Echo war: „Wir wollten euch gerade fragen!“So war das dann weniger geografisch bedingt, sondern einfach weil eben der Austausch eben gut lief und man in die gleiche Richtung gehen wollte. Es war auch wichtig, den Elan, der in der Szene da war, zu bündeln. Wenn jetzt alle sofort produziert und für sich separiert gearbeitet hätten, wäre kaum etwas mit Substanz möglich gewesen. So blieb das sehr fokussiert.
Ist das eigentlich nicht das, was die Kulturpolitik schon erreichen wollte?
Sicher gab es schon lange vor der Krise Diskussionen darüber, wie die Produktion im Land gestärkt werden kann und vor allem tragfähige längerfristige Projekte entstehen könnten. Nehmen wir das Projekt „Terres arides“das eigentlich im Centaure entstehen sollte und nun in Krisenzeiten bei uns geprobt und aufgeführt wird. Diese Kooperation ist zwar aus der Not entstanden, aber wir können statt wie früher nur ein oder zwei Termine diese Arbeit sechs
Jérôme Konen sucht nach neuen Produktionsformen.
bis sieben Mal innerhalb von zwei Wochen auf den Spielplan setzen. Und wir haben gemerkt, dass zum Beispiel dieser Rhythmus uns erstens ein anderes Publikum bringt und die Mundpropaganda auch dafür sorgt, dass die Veranstaltungen – wenn sie gut angekommen sind – auch noch gut besucht werden. Das heißt: Einerseits können wir unser Stammpublikum erweitern, das Centaure kann auf seine Arbeit aufmerksam machen und es gibt mehr Zeit, damit das Stück in die Gesellschaft wirken kann und stärker insgesamt wahrgenommen wird.
Apropos Kulturpolitik – hat das Kinneksbond Mittel auf dem Sonderfond „Neistart Lëtzebuerg“beantragt?
Ja haben wir, und es sind schon einige Projekte in Vorbereitung, die wir in der Spielzeit 21/22 zeigen wollen. Auch dabei arbeiten wir eng mit anderen Partnern quer durch das Land zusammen und versuchen auch, damit neue kreative Wege zu gehen. Schade ist allerdings, dass uns solche Initiativen und die Gelder zu solchen Projekten jenseits dieser Krisenmittel fehlen. Der politische Wille ist hier auch deutlich spürbar. Und es wäre gut, wenn die Häuser und nicht zuletzt auch das Kinneksbond über solche generellen Fonds mehr in die Richtung „Maison de création“gehen könnten. Das heißt auch gar nicht unbedingt, dass da jetzt Hunderte Eigenproduktionen entstehen sollen, aber es sollte möglich sein, tiefergehende, längerfristige Projektarbeiten machen zu können.
In den nun im Kinneksbond stattfindenden Produktionen wie „Terres arides“über den Syrienkonflikt und die Radikalisierung steckt ja auch viel Zeitgeist. Ist das auch dann für Ihr Haus ein inhaltlicher Gewinn?
Ich denke schon, dass wir auch in den letzten Spielzeiten bewiesen haben, dass wir sehr wohl Schauspiel am Puls der Zeit und von spannenden Autoren geliefert haben und das auch weiterhin so in die Planung gegangen wäre. Aber durchaus wäre es wunderbar, wenn wir in der normalen Spielzeit auch kurzfristig planbare Stück mit starkem Aktualitätsbezug erarbeiten könnten. Also die Bühnen zum Beispiel die Möglichkeit haben, Radikalisierungen, wie wir sie aktuell in den USA gesehen haben, auch anzusprechen. Und eben nicht nur Stücke zu zeigen, die schon zwei Spielzeiten vorher geplant wurden. Es ist auch wichtig, dass das Publikum wie zum Beispiel bei der Schreibwerkstatt und den Stücken, die dann nun in der Krise entstanden sind, sich und seinen Alltag auch auf der Bühne wiedererkennt. Ich denke, dass wir den Mut zu dieser kurzfristigeren, an der Aktualität orientierten Planung mitnehmen werden – und dann auch die passenden Formen entwickeln können.
Sie sprechen gerne vom „Wir“. Ist das auch ein Ergebnis der Krise? Der stärkere Zusammenhalt der Szene?
Der Austausch auf professioneller Ebene war sicher immer schon da, aber während der vielen Sitzungen während des Lockdowns wurde der Kontakt sehr viel persönlicher und das Gefühl von „Wir sitzen alle in einem
Boot und kämpfen an ähnlichen Problemlagen“hat das nochmals verändert. Und wenn es nur Mutmachen war, als im ersten Lockdown alles zusammenbrach. Da war dann plötzlich auch so etwas wie: „Lasst uns gemeinsam Lösungen schaffen“, „Lasst uns gemeinsam mit dem Ministerium und in einer Stimme sprechen. Und das war für mich persönlich sehr bereichernd. Und nicht zuletzt hat sich der Austausch mit dem Ministerium total verändert. Dort herrscht nun der Geist des „offenen Ohrs“für die Szene und das hängt sicher auch mit der sehr engagierten Ministerin zusammen, die sich auch offen für die Belange einsetzt.
„Terres Arides“von Ian De Toffoli, mit Luc Schiltz und Pitt Simon, 21., 22., 22., 23., 27., 28. und 29. Januar jeweils um 20 Uhr, sowie am 24. Januar um 17:30 Uhr. Tickets unter:
www.kinneksbond.lu