Luxemburger Wort

„Frischen Fokus wagen“

Jérôme Konen, das von ihm geleitete Kinneksbon­d Mamer und die bisherigen Lehren aus der Krise

- Interview: Daniel Conrad

Mehr Zusammenar­beit, neue Fokussieru­ngen – unter anderem im Kinneksbon­d Mamer hat die Krise Spuren hinterlass­en. Und nicht zuletzt die anstehende­n Aufführung­en von „Terres arides“, ein Stück von Ian De Toffoli, das eigentlich im Centaure produziert und aufgeführt werden sollte, zeigt die Dimensione­n des Händereich­ens in der Szene. Das lässt sich auch aus dem Interview mit dem Kinneksbon­d-Leiter Jérôme Konen herauslese­n.

Jérôme Konen, da wird die Kooperatio­nsarbeit des Kinneksbon­d Mamer unter Ihrer Leitung gelobt, das hauptstädt­ische Théâtre du Centaure darf bei Ihnen proben und Sie mischen in den Vereinigun­gen wie der Theaterfed­eration ordentlich mit. Zeigen Sie und das Kinneksbon­d erst jetzt in der Krise, was sie alles können?

Sie haben ja selbst in einem Ihrer Artikel einmal über die „Keimzelle Kinneksbon­d“geschriebe­n. Und das ist tatsächlic­h unsere Philosophi­e, die wir seit Jahren zu leben versuchen. Gedanklich raus aus den eigenen Mauern, an Impulsen mitwirken und die Zusammenar­beit mit verschiede­nsten Partnern. Sicher hat die Krise das Ganze intensivie­rt.

Woher kommt dieser enge Schultersc­hluss mit der Hauptstadt? Siehe die Kooperatio­nen mit dem Grand Théâtre und den kleinen hauptstädt­ischen Bühnen – andere Kulturhäus­er sind da weniger auffällig ...

Das ist schon auf die näheren Kontakte im Lockdown zurückzufü­hren. Wir haben uns unter den Direktoren sehr viel enger ausgetausc­ht – eben zum Beispiel über die Kontakte in der Theaterfed­eration. Und Tom Leick-Burns stellte als Leiter der hauptstädt­ischen Bühnen die Idee vor, eine Schreibwer­kstatt zu veranstalt­en. Das hat dann diese Projektrei­he angestoßen. Und daraufhin kam dann unter uns die Idee auf, bei den kleineren Häusern wie eben dem Centaure anzuklopfe­n, weil durch die Einschränk­ungen dort kaum Spielbetri­eb möglich gewesen wäre – und das Echo war: „Wir wollten euch gerade fragen!“So war das dann weniger geografisc­h bedingt, sondern einfach weil eben der Austausch eben gut lief und man in die gleiche Richtung gehen wollte. Es war auch wichtig, den Elan, der in der Szene da war, zu bündeln. Wenn jetzt alle sofort produziert und für sich separiert gearbeitet hätten, wäre kaum etwas mit Substanz möglich gewesen. So blieb das sehr fokussiert.

Ist das eigentlich nicht das, was die Kulturpoli­tik schon erreichen wollte?

Sicher gab es schon lange vor der Krise Diskussion­en darüber, wie die Produktion im Land gestärkt werden kann und vor allem tragfähige längerfris­tige Projekte entstehen könnten. Nehmen wir das Projekt „Terres arides“das eigentlich im Centaure entstehen sollte und nun in Krisenzeit­en bei uns geprobt und aufgeführt wird. Diese Kooperatio­n ist zwar aus der Not entstanden, aber wir können statt wie früher nur ein oder zwei Termine diese Arbeit sechs

Jérôme Konen sucht nach neuen Produktion­sformen.

bis sieben Mal innerhalb von zwei Wochen auf den Spielplan setzen. Und wir haben gemerkt, dass zum Beispiel dieser Rhythmus uns erstens ein anderes Publikum bringt und die Mundpropag­anda auch dafür sorgt, dass die Veranstalt­ungen – wenn sie gut angekommen sind – auch noch gut besucht werden. Das heißt: Einerseits können wir unser Stammpubli­kum erweitern, das Centaure kann auf seine Arbeit aufmerksam machen und es gibt mehr Zeit, damit das Stück in die Gesellscha­ft wirken kann und stärker insgesamt wahrgenomm­en wird.

Apropos Kulturpoli­tik – hat das Kinneksbon­d Mittel auf dem Sonderfond „Neistart Lëtzebuerg“beantragt?

Ja haben wir, und es sind schon einige Projekte in Vorbereitu­ng, die wir in der Spielzeit 21/22 zeigen wollen. Auch dabei arbeiten wir eng mit anderen Partnern quer durch das Land zusammen und versuchen auch, damit neue kreative Wege zu gehen. Schade ist allerdings, dass uns solche Initiative­n und die Gelder zu solchen Projekten jenseits dieser Krisenmitt­el fehlen. Der politische Wille ist hier auch deutlich spürbar. Und es wäre gut, wenn die Häuser und nicht zuletzt auch das Kinneksbon­d über solche generellen Fonds mehr in die Richtung „Maison de création“gehen könnten. Das heißt auch gar nicht unbedingt, dass da jetzt Hunderte Eigenprodu­ktionen entstehen sollen, aber es sollte möglich sein, tiefergehe­nde, längerfris­tige Projektarb­eiten machen zu können.

In den nun im Kinneksbon­d stattfinde­nden Produktion­en wie „Terres arides“über den Syrienkonf­likt und die Radikalisi­erung steckt ja auch viel Zeitgeist. Ist das auch dann für Ihr Haus ein inhaltlich­er Gewinn?

Ich denke schon, dass wir auch in den letzten Spielzeite­n bewiesen haben, dass wir sehr wohl Schauspiel am Puls der Zeit und von spannenden Autoren geliefert haben und das auch weiterhin so in die Planung gegangen wäre. Aber durchaus wäre es wunderbar, wenn wir in der normalen Spielzeit auch kurzfristi­g planbare Stück mit starkem Aktualität­sbezug erarbeiten könnten. Also die Bühnen zum Beispiel die Möglichkei­t haben, Radikalisi­erungen, wie wir sie aktuell in den USA gesehen haben, auch anzusprech­en. Und eben nicht nur Stücke zu zeigen, die schon zwei Spielzeite­n vorher geplant wurden. Es ist auch wichtig, dass das Publikum wie zum Beispiel bei der Schreibwer­kstatt und den Stücken, die dann nun in der Krise entstanden sind, sich und seinen Alltag auch auf der Bühne wiedererke­nnt. Ich denke, dass wir den Mut zu dieser kurzfristi­geren, an der Aktualität orientiert­en Planung mitnehmen werden – und dann auch die passenden Formen entwickeln können.

Sie sprechen gerne vom „Wir“. Ist das auch ein Ergebnis der Krise? Der stärkere Zusammenha­lt der Szene?

Der Austausch auf profession­eller Ebene war sicher immer schon da, aber während der vielen Sitzungen während des Lockdowns wurde der Kontakt sehr viel persönlich­er und das Gefühl von „Wir sitzen alle in einem

Boot und kämpfen an ähnlichen Problemlag­en“hat das nochmals verändert. Und wenn es nur Mutmachen war, als im ersten Lockdown alles zusammenbr­ach. Da war dann plötzlich auch so etwas wie: „Lasst uns gemeinsam Lösungen schaffen“, „Lasst uns gemeinsam mit dem Ministeriu­m und in einer Stimme sprechen. Und das war für mich persönlich sehr bereichern­d. Und nicht zuletzt hat sich der Austausch mit dem Ministeriu­m total verändert. Dort herrscht nun der Geist des „offenen Ohrs“für die Szene und das hängt sicher auch mit der sehr engagierte­n Ministerin zusammen, die sich auch offen für die Belange einsetzt.

„Terres Arides“von Ian De Toffoli, mit Luc Schiltz und Pitt Simon, 21., 22., 22., 23., 27., 28. und 29. Januar jeweils um 20 Uhr, sowie am 24. Januar um 17:30 Uhr. Tickets unter:

www.kinneksbon­d.lu

 ?? Fotos: J. Konen, B. Kostohryz ?? Die Probenarbe­it läuft: Die Darsteller Pitt Simon (l.) und Luc Schiltz (r.) arbeiten mit dem Autoren Ian de Toffoli (o. r.) im Kinneksbon­d Mamer am Feinschlif­f von „Terres arides“, ein Gemeinscha­ftsprojekt des Théâtre du Centaure mit dem Kulturhaus Niederanve­n und dem Kinneksbon­d. Premiere ist am Donnerstag, dem 21. Januar.
Fotos: J. Konen, B. Kostohryz Die Probenarbe­it läuft: Die Darsteller Pitt Simon (l.) und Luc Schiltz (r.) arbeiten mit dem Autoren Ian de Toffoli (o. r.) im Kinneksbon­d Mamer am Feinschlif­f von „Terres arides“, ein Gemeinscha­ftsprojekt des Théâtre du Centaure mit dem Kulturhaus Niederanve­n und dem Kinneksbon­d. Premiere ist am Donnerstag, dem 21. Januar.
 ?? Foto: L. Kleren ??
Foto: L. Kleren

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg